In Partnerschaft mit

Bereits 1994 begann der Wirt Josef Floh aus Langenlebarn (NÖ), in der Umgebung nach engagierten Herstellern besonderer Produkte zu suchen. 2009 gab er der Idee einen Namen – „Radius 66“ – und seiner Gastwirtschaft einen neuen Schwerpunkt. Seither wird, soweit möglich, alles von Produzenten aus einem Umkreis von nicht mehr als 66 Kilometern bezogen – von den Küchenzutaten bis zum Mobiliar der Gaststube.

Warum es durchaus vorkommen kann, dass auch das 210 Kilometer entfernte Riegersburg in den 66-Kilometerradius gezählt wird, erklärt uns der 47-jährige Visionär im Gespräch.

Herr Floh, Sie führen hier einen Ausnahmebetrieb. Man sagt, Sie bekommen die hartnäckigsten Fleischverfechter dazu, Gemüse zu essen.
Das freut mich zu hören. Das war der Plan!

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Seit wann gibt es das Konzept, nur regionale Produkte möglichst aus dem Umkreis von nur 66 Kilometer zu verwenden?
Schon zwei, drei Jahre nachdem wir 1994 aufgesperrt haben, haben wir begonnen, die Lieferanten in den Mittelpunkt zu stellen und sie in der Speisekarte zu präsentieren. Eines Tages war ich in einer Situation wie jetzt, ich wurde interviewt und habe von unserem Konzept biologisch und saisonal geschwärmt. Der Journalist hat die Augen verdreht und gesagt, aha, also das ist jetzt eigentlich das, was eh alle machen. Da war mir klar, dass ich unser Profil hier zu schärfen hatte.

carpe diem-Magazin Cover Ausgabe 3/19

Illustration: Luisa Rivera

Das 66-Kilometer-Experiment. Unsere Redakteurin Maria Dorner hat sich an das Experiment gewagt und drei Wochen lang nur auf den Tisch kommen lassen, was aus einem Umkreis von höchstens 66 Kilometern stammt. Nachzulesen im carpe diem-Magazin (Ausgabe 3/19) > Einzelheft nachbestellen

Und ist es gleich gelungen?
Bedingt. Es war schon ein Anlauf notwendig. Am Anfang habe ich eine Landkarte genommen und mit dem Zirkel einen Kreis von nur 30 Kilometern gemacht. Da war dann Mödling drinnen – sehr unpraktisch, denn da müsste ich durch Wien durchfahren. Aber Langenlois nicht, wo wir sehr viele Kontakte haben.

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Am Anfang habe ich in einem Umkreis von 30 Kilometern geschaut, wo jemand etwas zu verkaufen hat. Das Ergebnis war niederschmetternd.

Dann habe ich mich ins Auto gesetzt oder – noch besser – aufs Rad geschwungen und wirklich überall geschaut, wo jemand etwas zu verkaufen hat. Eier, Getreide, Milch, Obst, Gemüse, was auch immer. Das Ergebnis war zunächst ehrlich gesagt niederschmetternd. Also haben wir den Zirkel auf 66 Kilometer erweitert.

Aber was genau ist euer Anliegen?
Die Message sind nicht die Kilometer. Wir wollen einfach die Produzenten genau kennen. Was sie anbauen, wie sie es anbauen. Was sie füttern, wie sie Tiere halten. Wir wollen die Transparenz und betreiben die Suche nach den Zutaten wie ein Forschungsprojekt. Wenn wir eine alte sensationelle Sorte Gemüse entdecken, die wir so noch nicht gekostet haben, dann ist es natürlich egal, ob der Anbieter 71 Kilometer oder 59 Kilometer weit weg wohnt.

Die Message sind nicht die Kilometer. Wir wollen einfach die Produzenten genau kennen.

Im Fall von Josef Zotter ist Riegersburg auch in unserem Radius, denn er macht einfach die unglaublichsten Schokoladenprodukte – und ist auch ein wirklich wichtiger Kommunikator der Idee von Fairness und Qualität als Leitfaden für Produkte.

Josef und Elisabeth Floh

Josef und Elisabeth Floh (Bild: Michael Schinharl)

Welche Zutaten können das noch sein? Kaufen Sie gar nichts im Großhandel?
Wir haben früh angefangen, alles zu vermeiden, was uns vergleichbar macht. Wir suchen uns alles zusammen: Nüsse, Mehle, Essig, alte Getreidesorten, eben Gemüseraritäten, Wildkräuter und so weiter – da wird gefragt, wo kommt das her, wie wird das gemacht. Wir vernetzen uns mit großen, aufmerksamen Ohren. Hören gut zu. Denn immer kennt jemand wen, der wen kennt, der gehört hat, dort oder da gibt es diese ganz besondere Knolle. Und ich radle schon los und suche den oder die auf.

Wir vernetzen uns mit großen, aufmerksamen Ohren. Immer kennt jemand wen, der wen kennt, der gehört hat, dort oder da gibt es diese ganz besondere Knolle. Und ich radle schon los.

Jetzt sind Sie wohl auch schon in der Position, dass Ihnen Ihr Ruf vorauseilt und Ihnen die Dinge angeboten werden?
Ja, beziehungsweise kann ich schon mit Produzenten zusammenarbeiten, die mit mir gemeinsam Ideen entwickeln, was sie anbauen könnten, was es so nicht mehr oder noch nicht gegeben hat. Das macht schon große Freude. Und es setzt sich fort, wie eine Wellenbewegung. Heute ist es für viel mehr Bauern wichtig, Wert auf die Qualität zu legen.

Es fällt auf, dass die Speisekarte in Ihrem Gasthaus wirklich beinahe gleich viele vegetarische Speisen aufweist wie welche mit Fleisch. Wird das wirklich genau so angenommen?
Wir haben beinhart die Speisekarte in drei Teile geteilt. Ein vegetarischer Teil, einer mit Fisch und einer mit Fleisch. Zu Beginn haben trotzdem die Leute zu 60 Prozent die Fleischsachen gegessen. Heute kommen die Leute teilweise explizit wegen der Gemüsegerichte zu mir. Das ist für mich eine Freude, denn in der Stadt ist es leichter, an gutes vegetarisches Essen zu kommen.

Zu Beginn haben die Leute zu 60 Prozent Fleischsachen gegessen. Heute kommen die Leute teilweise explizit wegen der Gemüsegerichte zu mir.

Sind Sie an irgendetwas gescheitert? Gibt es etwas nicht auf ihrer Speisekarte, was man in einem normalen Wirtshaus aber vermuten würde?
(Lacht.) Ich habe tatsächlich über einige Jahre kein Rindfleisch angeboten. Ich habe keines gefunden, das meinen Ansprüchen gerecht werden konnte. Aber wir schauen ohnehin nicht, dass wir Gerichte kreieren und dann die Zutaten suchen. Wir fahren hin und schauen, was die Bauern haben und machen dann etwas draus. Das ist halt ein Aufwand. Aber wie für viele Lebensbereiche gilt auch hier: Wenn man nur daheim sitzen bleibt, passiert nichts.

Wenn man nur daheim sitzen bleibt, passiert nichts.

Es ist also keine Einschränkung – dieser 66-Kilometer-Radius?
Nein. Ich möchte fast behaupten, im Gegenteil. So hat man ein Ausschlussverfahren und kann sich viel mehr und in der Tiefe darauf konzentrieren, was vor der eigenen Nase passiert. Du entdeckst Sachen, auf die du nie gekommen wärst.

Zweig, Vase, minimalistisch

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Ein Beispiel?
Das geht bis zur Behandlung von Gemüse wie Fleisch. Das Erspüren der Nuancen, die so ein Gemüse haben kann. Wir nehmen eine Sellerieknolle und teilen sie in Bereiche ein – und siehe da, der obere Teil schmeckt anders als der untere, die Wurzeln haben wieder eine eigene Süße. Wir sind extrem sensibilisiert darauf, mit diesen Unterschieden zu spielen – wieder neue Zusammensetzungen mit anderen Gemüsen zu finden und so weiter. Das macht die Faszination aus, und das merken unsere Gäste. So glaube ich.

Ich habe festgestellt, dass unsere Vorreiter, die Weinbauern, die Heroes sind. Die haben vorgemacht, wie das geht.

Wie könnte man diese Faszination noch mehr unter die Menschen bringen?
Das ist eine gute Frage. Ich habe festgestellt, dass unsere Vorreiter, die Weinbauern, die Heroes sind. Die haben vorgemacht, wie das geht. Jede Mininuance der Weine bei Verkostungen hat einen Namen. Es gibt eine eigene Weinsprache, und so kannst du teilweise die Weine kommunizieren, ohne dass der andere sie gekostet haben muss.

Und das wollen Sie mit Gemüse schaffen? Können wir in Zukunft mit einem Gemüsesommelier rechnen?
Das wäre nicht schlecht. Weil heute sitzen wir da und verkosten acht Tomatensalate und sagen: Das sind acht gute Tomatensalate, aber weiter können wir nicht benennen, was die Unterschiedlichkeit der Tomaten anbelangt. Wir sagen also Tomatensalat und aus. Das habe sie nicht verdient, die Tomaten! Da muss eine neue Sprache her, und wir arbeiten daran. Wir müssen auch einander davon erzählen können, was wir da erschmeckt und erspürt haben. Das Vokabular fehlt noch dafür. Es soll vermittelt werden können, was da kulinarisch abgeht.

Frühstück in der Gastwirtschaft Floh in Langenlebarn

Bild: Markus Haralter

Wie machen Sie das mit Fisch in Ihrem Gasthaus?
Na ja, den Shrimpscocktail im klassischen Sinn wird es hier nicht geben. Obwohl, es gibt bereits Branzino aus der Steiermark, Shrimps werden in Oberösterreich gemacht und man hört von Süßwassergarnelen aus Tirol. Aber was ich noch sagen wollte zu den Gemüsen: Eines ist auch sehr wichtig – über der Regionalität steht unbedingt die Saisonalität. Das ziehen wir das ganze Jahr durch. Es gibt das, was es jetzt gibt.

Über der Regionalität steht die Saisonalität. Es gibt das, was es jetzt gibt.

Keine Ausnahmen?
Doch. Wir kochen nämlich an die zehntausend Gläser ein mit allem, was man sich vorstellen kann und auch in allen Konstellationen, die uns einfallen. Also alles an Gemüse, an Chutneys, Ragout, Kompotte und so weiter. Wenn also die Leute schon mit Heißhunger auf Spargel kommen, dann bekommen sie bei uns fermentierten Jahrgangsspargel aus dem Vorjahr. Köstlich. Den von heuer gibt es, wenn wir den besten aus der Gegend gefunden haben, im Mai dann etwa. Wir schreiben das dann auch in die Speisekarte, aus welchem Jahr das Gemüse ist.

Wenn die Leute schon mit Heißhunger auf Spargel kommen, dann bekommen sie bei uns fermentierten Jahrgangsspargel aus dem Vorjahr.

Und das schmeckt dann auch so?
Bedingt, denn wir experimentieren ja auch mit Fermentation, das ist ja gerade sehr en vogue. Wir machen das schon lange, und eigentlich ist es ja auch die Haltbarmachungstechnik, die uns unsere Großmütter schon vorgelebt haben. Wir alle erinnern uns an die vielen Gläser an verschiedenen Gemüsen in den Speisekammern. Überhaupt fühlt sich fermentiertes Gemüse so unglaublich wohl an im Körper. Es tut dem Darm gut, diesem fast noch unerforschten Freund, der sicher viel Einfluss hat auf unsere Psyche, wenn wir ihn gut behandeln.

Wie geht es weiter?
Mit der Freude darauf, zu entdecken, was wir noch nicht kennen und wir noch nicht wissen. Und mit dem Experimentieren damit.

Butternut-Kürbis

Bild: derfloh.at

Der Flog hat uns eines seiner Rezepte verraten: Butternut-Kürbis & Helwin‘s Käse. Zum Nachkochen hier klicken!

Gasthaus „Der Floh“
Tullnerstraße 1
3425 Langenlebarn
www.derfloh.at