Der optimierte Wagner: Aus dem Leben eines Biohackers, Teil 2
Über unsere große wankelmütige Liebe Schlaf. Und über das Symbol dieser Liebe: den strengen Ring, den wir tragen.
Biohacking ist der Versuch, den größtmöglichen Abstand zu dumm, dick, traurig, krank und tot herzustellen.
Deswegen trinken wir andächtig energetisiertes Wasser, nach Schlamm und Rinde schmeckende Tees und selbst gebrauten Kombucha, den Laien mit Essig verwechseln, schlucken das halbe Periodensystem als Kapseln (wussten Sie, dass gegen Traurigsein wenig so gut hilft wie Lithium?) und hören beim Arbeiten Musik, die klingt wie John Cage an einem verstimmten Synthesizer (wir nennen das „binaurale Beats“ und boosten damit Kreativität, Fokus und logisches Denkvermögen).
Wir achten so sehr auf unsere Ernährung, dass wir nicht frühstücken und mittagessen, verschlingen Bücher mit Motivationstipps für unsere Mitochondrien (unsere Lebensenergie wird von Nachkommen von Bakterien erzeugt, die wir besser bei Laune halten).
Den Rest der Zeit tun wir, was uns wirklich am Herzen liegt: Wir schlafen.
Wenn der Schlaf nicht passt, vergiss den Rest. Zu kurzer, zu schlechter Schlaf lässt Muskeln und Mitochondrien verkümmern. Lässt dein Immunsystem schon beim Gedanken an einen Infekt kollabieren, erzeugt Wortfindungsstörungen und Mieselsucht. Schlafen wir schlecht, schmecken uns keine Tees, unser Körperfettanteil steigt, unser Testosteronspiegel rasselt in den Keller. (Ob der Testosteronspiegel eines Mannes passt, erkennt man zuverlässig daran, ob er mit einer Erektion aufwacht. Wirklich!)
Ob der Testosteronspiegel eines Mannes passt, erkennt man zuverlässig daran, ob er mit einer Erektion aufwacht.
Wie du besser, gesünder und länger lebst –Podcast mit den Biohackern Andreas Breitfeld & Stefan Wagner
Nimm dein Leben selbst in die Hand. Mach es schöner, länger, intensiver, spannender und lebenswerter und verbessere dadurch die Welt. Das ist die einfache, aber schöne Idee hinter dem Begriff „Biohacking“, um den sich diese Podcast-Folge dreht. Weiterlesen...
Schlaf passiert uns nicht einfach, wenn wir irgendwann müde werden. Unser Schlaf ist das Ergebnis penibler Vorbereitung, die nach dem Aufwachen beginnt. Da setzen wir unseren Organismus dem Morgenlicht und unsere Muskeln ihrer Belastbarkeitsgrenze aus und verwöhnen uns danach mit einer eiskalten Dusche. Das dient der Synchronisation unserer Zellen, ungefähr so, wie ein Dirigent den Taktstock hebt, damit alle Musiker wissen: Jetzt geht’s los.
Dann synchronisieren wir unseren Oura Ring mit der OuraApp und erfahren, wie es um uns steht.
Der OuraRing misst Puls und Herzratenvariabilität (also die millisekundengroße Abweichung im Rhythmus zwischen den einzelnen Herzschlägen, die mehr über unseren Zustand sagt als so gut wie alles andere), Atemfrequenz und Körpertemperatur, benotet unseren Schlaf (einen 100-Punkter posten wir als Screenshot in unserer Oura-Facebook-Gruppe). Der Ring errechnet unsere Fähigkeit, den kommenden Tag zu überstehen (ein Score unter 80 bedeutet eine vorsorgliche Extra-Kapsel Lithium). Er sagt auch, wann wir abends ins Bett gehen sollen. All das macht er präziser und strenger als jedes andere derzeit erhältliche Gerät.
Der Oura-Ring kommt aus Finnland, und ich glaube, das Finnische kennt keinen Konjunktiv. Der Oura-Ring kommuniziert im Imperativ. Er tadelt uns für zu wenig Tief- oder REM-Schlaf (völlig zu Recht, denn da reparieren sich unsere Zellen und verarbeiten Erlerntes und Erlebtes). Er ist strenger und gerechter, als es unsere Eltern jemals hätten sein dürfen.
Der Ring weiß, ob wir Alkohol getrunken haben (Schlaf-Score: minus 10 bis minus 15 Punkte, Ruhepuls plus 10 bis 15 Schläge, Herzratenvariabilität wie Stechschritt, Tiefschlaf im einstelligen Minutenbereich). Er weiß, ob wir abends Stress hatten, gearbeitet, ohne Schutzbrille aufs Handy geschaut, nach 18 Uhr was gegessen oder sonst was getan haben, das die Bildung des Schlafhormons Melatonin hemmt. (Melatonin ist ab 19 Uhr unsere Göttin.) Er erkennt Stand-by-Leuchtdioden an elektronischen Geräten im Schlafzimmer. (In Hotels klebe ich die immer mit schwarzem Isolierband ab. Biohacker verreisen nie ohne Isolierband.)
In Hotels klebe ich die (Stand-by-Leuchtdioden) immer mit schwarzem Isolierband ab. Biohacker verreisen nie ohne Isolierband.
Der Ring weiß, ob wir unser Schlafzimmer so abgedunkelt haben, dass wir die Hand vor Augen nicht sehen können. Er weiß, ob wir die Raumtemperatur unter 20 Grad gehalten und vor dem Zubettgehen Zirbenduft im Raum versprüht haben (bringt locker 5 bis 10 Bonuspunkte), ob wir die Stromversorgung im Schlafzimmer unterbrochen und natürlich auch das WLAN abgedreht haben.
Das ist, kurz zusammengefasst, das Wichtigste über Schlaf. Und weil Sie fragen: Ja, die Angst, schlecht zu schlafen, könnte einen um den Schlaf bringen.
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