Der optimierte Wagner: Aus dem Leben eines Biohackers, Teil 7
Wieso es eine gute Idee ist, weniger Sport zu betreiben, wenn man fitter werden will.*
Ich wurde 1968 geboren und habe in meiner Jugend eine Zeitlang ernsthafter Sport betrieben. Mein Verständnis davon, was ein ordentliches Training ausmacht, stammt also aus den 1970ern und 1980ern. Es trägt Trillerpfeife und Stoppuhr um den Hals und einen figurbetonenden adidas-Trainingsanzug aus hautabschürfendem Kunststoff. Es definiert sich durch drei Gleichungen:
Training mit Kotzen = gutes Training.
Training ohne Kotzen = nicht so gutes Training.
Training unter eineinhalb Stunden = gar kein Training.
Das ist natürlich gaga. Besser ist: seltener und kürzer trainieren, das Kotzen auslassen und die folgenden vier Punkte beachten.
Punkt 3: Krafttraining
Ich hab’s als ehemaliger Marathonläufer auch lang nicht geglaubt. Aber Muskeln sind kein chauvinistischer Paarungskatalysator für alle, die keinen Schmäh haben, sondern stehen im Bedeutungsrang eines Organs. Muskeln steuern Hormone, erzeugen (weil knallvoll mit Mitochondrien) Lebensenergie und verbrennen Kalorien, nämlich auch beim Rumsitzen. Wer sein Leben lebenswert verlängern möchte, verordnet sich zunächst einmal ein paar Wochen Muskelkater.
Pumpen Sie Liegestütz (zwanzig bis hundert, über den Tag verteilt), ziehen Sie sich am Türreck hoch (zehn bis zwanzig Klimmzüge, gerne mit Gummibandunterstützung), und stemmen Sie zweimal wöchentlich Hanteln, die keine Pastellfarben tragen. Das alles gilt unabhängig davon, ob Sie Frau sind oder Mann.
Muskeln sind kein chauvinistischer Paarungskatalysator für alle, die keinen Schmäh haben, sondern stehen im Bedeutungsrang eines Organs.
Zeitaufwand für biogehacktes Krafttraining: eine Stunde pro Woche. Biohacker tricksen ihre Muskulatur außerdem mit einem BFR-Training aus. BFR steht für „Bloodflow Restriction“. Dabei verwenden wir lächerlich leichte Hanteln, aber strangulieren Arme und Beine, um die Venen daran zu hindern, Stoffwechselprodukte abzutransportieren. Die in Milchsäure ertrunkenen Muskeln glauben, sie absolvieren grad das härteste Training der Welt, schütten kübelweise Hormone aus und wachsen, dass man dabei zuschauen kann. Apropos zuschauen: BFR verfärbt Gliedmaßen ein bisschen bläulich und weißlich, und für Klavierspielen oder Operationen am offenen Herzen sind die Finger nachher eine Zeitlang nicht geeignet. Aber man ist so abgefüllt mit Testosteron, dass man eh nicht ans Operieren denkt.**
Außerdem importieren Biohacker aus Amerika ein Fitnessgerät, das „X3-Bar“ heißt und für den Laien wie optimierte Bauernfängerei aussieht: ein paar bunte Kautschukbänder, eine Metallstange und ein Brett um 549 Dollar plus Shipping plus Zoll. Aber Ben Greenfield und Dave Asprey schwören auf den X3, und für 549 Dollar plus Shipping plus Zoll ein bisschen Greenfield und Asprey sein ist mindestens wohlfeil.
Wie du besser, gesünder und länger lebst –Podcast mit den Biohackern Andreas Breitfeld & Stefan Wagner
Nimm dein Leben selbst in die Hand. Mach es schöner, länger, intensiver, spannender und lebenswerter und verbessere dadurch die Welt. Das ist die einfache, aber schöne Idee hinter dem Begriff „Biohacking“, um den sich diese Podcast-Folge dreht. Weiterlesen...
Punkt 4: Ausdauersport braucht keine Ausdauer
Hab ich auch lang nicht geglaubt. Spazieren gehen, zum Einkaufen radeln: alles super. Im Winter joggen gehen, ein paar lockere Runden rund um den Gefrierpunkt, ohne Shirt, nur bekleide mit Shorts und Barfußschuhen und Raureif auf den Härchen der Unterarme: 1a-Training der Kälteadaption und der Sozialexposition. Aber viermal pro Woche freudlose Stunden lang durch die Gegend keuchen? Nicht nötig. Das weiß man, seit der Japaner Izumi Tabata vor 25 Jahren entdeckte, dass zehnmal zwanzig Sekunden Vollgas und zehn Sekunden Pause ein super Ausdauertraining sind. (Wenn man’s ganz richtig macht, ist das mit dem Kotzen nicht ganz ausgeschlossen.)
Noch ärger, ganz neu: der Trainingsergometer CAR.O.L. Eine Einheit dauert acht Minuten Spazierenradeln und vierzig Sekunden, in denen dich eine Computerstimme darauf hinweist, dass es um dein Leben geht. Wenn du es schaffst, diese zweimal zwanzig Sekunden lang dem Säbelzahntiger davonzuradeln („Harder! Faster!“, keucht die Stimme, „or you will become the tiger’s lunch!“), dann bist du trainingseffektiv 45 Minuten stramm gejoggt.
Zeitaufwand für biogehacktes Ausdauertraining: eine halbe Stunde pro Woche. Diese Aufzählung beginnt übrigens mit Punkt 3, weil die Punkte 1 und 2 der Lieblingssportart des Biohackers gewidmet sind, dem Nichtsitzen. Dazu nächstes Mal mehr; auch, warum im Stehen bessere Kolumnen entstehen als im Sitzen.
Der optimierte Wagner: Aus dem Leben eines Biohackers, Teil 6
Der Katalog der Biohacking-Produkte vereint, objektiv betrachtet, technischen Wagemut mit unerschrockener Geschäftstüchtigkeit und einem experimentell geprägten Zugang zum Thema Nutzwert. Subjektiv bin ich von den Sachen begeistert. Manche schenken mir sogar Erleuchtung. Weiterlesen...
Der optimierte Wagner: Aus dem Leben eines Biohackers, Teil 8
Heute rette ich Ihr Leben. Einverstanden? Weiterlesen...
* Tennis ausgenommen. Die Welt wird besser, wenn mehr Menschen mehr Tennis spielen. Das sage nicht ich – ich wäre da befangen –, das sagt die Universität Oxford. Dort hat man herausgefunden, dass Racketsportarten (allen voran eben Tennis) das Risiko eines frühzeitigen Todes um 47 Prozent reduzieren; es folgen Schwimmen (28 %) und Radfahren (15 %). Tennis ist das Biohacking unter den Sportarten.
** Die Redaktion von carpe diem rät ausdrücklich davon ab, das auf eigene Faust auszuprobieren.
STEFAN WAGNER ist Biohacker, Inhaber einer Werbeagentur, Tennisspieler und vom Gedanken beseelt, 120 Jahre alt zu werden. Mindestens. Hier findest du alle seine Kolumnen auf einen Blick.