Sex und die Wechseljahre: Bereit für den Wandel?
Beim Thema Frauen und Wechsel, haben manche noch den Wissensstand ihrer Großmütter. Gabriele Kuhn räumt mit Vorurteilen auf.
„Bist du schon im Wechsel?“ Sehr häufig wird diese Frage mit einem leichten Flirren in den Augen gestellt, in dem Angst, Panik und etwas Ekel mitschwingt. Mit so einem Blick werden auch Fragen gestellt wie: „Hast du die Pocken?“, „Ist das Eiter?“, „Bist du sehr ansteckend?“. Manche fragen erst gar nicht und ziehen die „Drei Affen“-Nummer durch: nix hören, nix sehen, nix reden.
Wenn’s um das Thema Frauen und Wechsel geht, haben manche Menschen immer noch den Wissensstand ihrer Großmütter.
Wir fliegen zum Mars und träumen davon, 120 Jahre alt zu werden, wir entdecken uns selbst und sagen Alexa, dass sie die Kaffeemaschine einschalten soll. Aber wenn’s um das Thema Frauen und Wechsel geht, haben manche Menschen immer noch den Wissensstand ihrer Großmütter. Die trugen diese Last einst mit umschatteter Miene. Im Staubmantel, mit Filzhut, ging’s ab 50 steil bergab. Krise, Krankheit, Elend, Verfall! Ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält. Überhaupt, was Sex betrifft.
So einflussreich sind die weiblichen Hormone
Was macht Frauen stark und leidenschaftlich? Ein Gespräch mit der Gynäkologin Dr. Sheila de Liz über den Einfluss weiblicher Hormone auf den Körper. Weiterlesen...
Sex im Wechsel: Wenn die Lust anders kommt
Die Wahrheit ist: Die Lust ist immer noch da, aber eben anders. Genau das ist das Spannende daran – vorausgesetzt, wir schaffen es, diese Welle zu surfen. Die bekannte US-amerikanische Gynäkologin und Frauenexpertin Christiane Northrup hat dazu Folgendes geschrieben:
„Die Übergangszeit der Wechseljahre ist ein Weckruf, der Sie zwingt, Ihr Leben so zu verändern, dass Sie stärker in Verbindung mit Ihrer vitalen Lebenskraft sind. Wenn Sie den Mut haben, Ihre Glaubenssätze und Verhaltensweisen so zu ändern, dass Sie Ihre eigene Wahrheit sprechen, und wenn Sie es wagen, das zu kultivieren, was Ihnen Vergnügen macht, anstelle dessen, was Ihnen Stress macht, dann haben Sie die Kraft, sich ein Leben zu erschaffen, das erfüllt ist mit ungehemmter Freude, grenzenlosem Überfluss und strahlender Gesundheit. Und dazu gehört ganz bestimmt der beste Sex Ihres Lebens.“
Wenn Sie es wagen, das zu kultivieren, was Ihnen Vergnügen macht, anstelle dessen, was Ihnen Stress macht, haben Sie möglicherweise den besten Sex Ihres Lebens.
Dr. Christiane Northrup, Expertin für Frauengesundheit
Veränderung der Libido: lernen, damit zu leben
Mag sein, dass das sehr amerikanisch-optimistisch klingt – doch da ist schon viel dran. Studien zeigen, dass jene Frauen, die mit der Veränderung leben statt dagegen, bis ins hohe Alter sexuell aktiv sind. Jetzt geht’s mehr denn je darum, anzunehmen, was ist. Um sich auf das Gute, Schöne und Positive zu fokussieren statt auf das, was fehlt oder womöglich an Jugend verloren geht.
Zweifelsohne erleben Frauen in dieser Phase einen enormen Umbruch, der zunächst irritiert und zwei bis vier Nummern zu groß erscheint. Vieles kreist um die Frage: Wie soll das bitte jetzt weitergehen? Dazu gehört eben auch die Veränderung der Libido – wir gehen jetzt einfach nicht mehr dauergeil durchs Leben und checken bis vier Uhr morgens die Clubs, um einen guten One-Night-Stand zu kriegen. Das haben wir – hoffentlich – hinter uns, weil schon erlebt.
Sex muss gut sein, die Quantität ist weniger ein Thema.
Sex in den Wechseljahren: Steuern Hormone die Lust?
Der Tanz der Hormone ist ein wenig außer Takt – klar, das wird spürbar. Einmal ist zu viel Östrogen da, dann wieder zu wenig – aber das hat eigentlich keine direkte Auswirkung auf die Libido. Überhaupt ist nach wie vor umstritten, ob Hormone die Lust auf irgendeine Weise beeinflussen. Allerdings kann Östrogenmangel dazu führen, dass die „Schmiere“ verloren geht – alles wird trockener, auch „da unten“. Die gute Nachricht: Es gibt ziemlich nette Dinge, die hier Abhilfe schaffen – Gleitgele (sogar mit Duft und Geschmack), oder aber man spricht mit der Gynäkologin/dem Gynäkologen des Vertrauens. Der/dem ist das ja nicht neu. Dann flutscht’s wieder.
Durch das Ausbleiben der Menstruation geht nicht mehr so viel Energie verloren.
Schluss mit Verhütung – auch das belebt die Lust im Wechsel
Noch eine gute Nachricht: Man kann das Thema Verhütung endlich abhaken – eine Sorge weniger. Das macht frei und gelassen. Außerdem geht durch das Ausbleiben der Menstruation nicht mehr so viel Energie verloren.
Das wiederum macht kraftvoll für Neues, anderes – für den Wandel, für Ideen, für die dritte Revolution, für Lebensqualität – auch in Sachen Sexualität. Und für jenen Abschnitt des Lebens, in dem wir auf einmal nur mehr uns selbst gehören und wir mit uns mehr denn je in Verbindung sind.
Wir wissen, wer wir sind, was wir wollen – und was nicht.
Heißt: Wir wissen, wer wir sind, was wir wollen – und was nicht. Im besten Fall haben wir gelernt, nein zu jenen Dingen zu sagen, die uns nicht guttun. Und ja zu all dem, was Kraft gibt und uns weiterbringt. Womit wir erneut bei der Lust sind: Gute Sexualität lebt nämlich davon – von dieser tiefen inneren Verbindung zu uns selbst, vom Vertrauen in uns, unseren Körper, in uns als Frau und Mensch. Wir können klar ausdrücken, was wir gut im Bett finden, und klarer denn je sagen, was Sache ist. Wir müssen uns endlich für nix mehr genieren, lassen uns fallen. So betrachtet, beginnt eigentlich ein neuer Frühling, der Frühling der zweiten Lebenshälfte – da geht noch was. Christiane Northrup spricht von der „Geburt des neuen Selbst“.
Eine starke, Ausstrahlung, Lebenserfahrung, Direktheit, Reife. That’s Charisma, Baby!
Dass wir uns jetzt von alten, überlebten Bildern verabschieden müssen, ist klar. Wir pflegen uns, wir achten auf uns – aber den Körper einer 25-Jährigen werden wir einfach nicht mehr haben. Das brauchen wir auch gar nicht, weil es so viele andere Dinge gibt, die sexuell begehrenswert machen. Eine starke Ausstrahlung, Lebenserfahrung, Direktheit, Reife. That’s Charisma, Baby!
Warum Frauen Wunderwerke sind – Podcast mit „Hormonpapst“ Prof. Johannes Huber
Warum sind Frauen Männern biologisch überlegen? Warum besitzen sie mehr Gene und Sexualhormone und warum können wir die Bezeichnung des „schwachen Geschlechts“ getrost aus dem Wortschatz streichen? Weiterlesen...
Schluss mit Angst und Trauer, her mit dem Spaß
Wer mit sich im Reinen ist, sich mag, in sich „ruht“, hat’s geschafft. Die Feministin und Forscherin Gina Ogden hat das einmal so ausgedrückt: „Selbstachtung ist die Mutter des sexuellen Verlangens, und dieses Verlangen kann mit dem Alter reifen wie ein edler Wein.“ Mehr denn ist es also jetzt wichtig, sich mit sich selbst zu versöhnen, oder aber, sich das anzusehen, was bisher verdrängt wurde. Wer Angst vor dem Alter, vor der Zukunft, vor dem Leben hat, wird keinen Spaß fühlen können. Und, wer weiß, vielleicht geht es gerade jetzt noch einmal darum, die Partnerschaft zu überprüfen, damit es mit dem Liebesleben wieder klappt.
Dass all diese Prozesse einfach im Handumdrehen zu erledigen sind, wäre natürlich gelogen. Um in diesem neuen Lebensabschnitt anzukommen, dürfen wir auch trauern und damit verbundene Trauerarbeit leisten. Uns von überholten Vorstellungen, Selbstbildern und gesellschaftlichen Vorgaben verabschieden. Aber dann. Dann sind wir bereit für unser neues Selbst. Und eine ganz neue Form der Sinnlichkeit.
Was in den Wechseljahren besser wird
Vor den Wechseljahren müssen sich Frauen nicht fürchten: Es verändert sich vieles, aber manches wird sogar noch besser. Weiterlesen...