Die anderen nerven? Wie man sich weniger darüber ärgert
Gerade, wenn wir uns von unseren Mitmenschen emotional gefordert fühlen, können wir es als Chance sehen, daran zu wachsen.
Die unfreundliche Kellnerin im Kaffeehaus, der Autofahrer, der dich einfach nicht in seine Spur einordnen lässt, der Partner, der dir zu wenig Aufmerksamkeit schenkt, oder deine pubertierenden Kinder: Tagtäglich werden wir mit Situationen konfrontiert, die uns nerven, ärgern, wütend oder traurig machen. „Warum sind alle nur so mühsam?“, kommt einem da schon mal in den Sinn.
Der Mensch ist ein Puzzle
Aber wissen wir mit Sicherheit, warum die Kellnerin unfreundlich ist oder der Autofahrer keinen Platz zum Einordnen macht? Natürlich können wir darüber mutmaßen und Hobby-psychologische Analysen erstellen. Wie viel wissen wir wirklich über die Person?
Das Leben jedes Menschen kann man wie ein großes Bild betrachten, das aus unendlich vielen Mosaiksteinen besteht.
Und jedes einzelne Steinchen steht für ein vergangenes Erlebnis, die momentane Lebenssituation, ein spezielles Denkmuster, bewusst und unbewusst eingeprägte Glaubenssätze. Es ist ein stetig wachsendes Bild, ein sehr facettenreiches Kunstwerk, das jeden einzelnen Menschen einzigartig macht. Dementsprechend individuell sind auch unsere bewussten und unbewussten Wahrnehmungen und Handlungsweisen.
Also haben sowohl die Kellnerin als auch der Autofahrer, der Partner oder die Kinder – einfach jeder einzelne – ihre persönlichen Muster, die sie je nach Ursache zum Handeln bringen.
Allein das Bewusstsein, dass mein Gegenüber gerade nicht anders handeln kann, hilft mir schon weiter.
Ich fühle mich nicht persönlich „angegriffen“ und kann in der Ruhe bleiben. Ich kann der unfreundlichen Kellnerin einfach so ein Lächeln schenken. Oder ich kann ihr ohne Vorwurf heraus mitteilen, dass ich ihre Unfreundlichkeit nicht angebracht finde – anstatt ihr wutentbrannt eine verbale Ohrfeige zu verpassen. Das Miteinander wird friedvoller.
Die Chance, zu wachsen
Gerade wenn wir uns von unseren Mitmenschen emotional gefordert fühlen, können wir es als Chance sehen, daran zu wachsen. Warum verdirbt es mir die Laune, wenn die Kellnerin unfreundlich ist? Warum erzürnt es mich, wenn mich der Autofahrer nicht die Spur wechseln lässt?
Warum habe ich das Gefühl, zu wenig Aufmerksamkeit von meinem Partner zu bekommen?
Hast du dich das schon mal gefragt? Wenn wir uns angewöhnen, in der jeweiligen Situation unser Denken und Handeln bewusst zu beobachten, erkennen wir, was den Ärger in uns hervorruft und in welcher Form dieser zum Vorschein kommt.
Wir werden uns darüber klar, welcher Mosaikstein aus unserem Bild angestupst und welche Emotion dabei ausgelöst wird. Wir lernen unsere inneren Programme kennen und merken ganz genau, wenn sie starten. Diese Bewusstheit können wir nutzen, um in der Ruhe zu bleiben, die Programme aufzulösen und an der unliebsamen Wahrnehmung der Situation zu wachsen.
Was man tun kann, wenn Ärger hochsteigt
Sobald du merkst, dass eine gewohnte Handlungs- bzw. Denkweise, die dich belastet, Fahrt aufnimmt:
- Mach dir bewusst: Da startet gerade ein Programm.
- Lass das Programm starten, aber bring deinen Fokus zu deinem Atem und bleib dort für ein paar Atemzüge.
Indem du dem Programm die Aufmerksamkeit entziehst, hat es keine Substanz weiterzulaufen. Es löst sich auf.
Und beim nächsten Kaffeehausbesuch ist es dir nicht mehr wichtig, ob die Kellnerin freundlich genug ist, weil der dazugehörige Mosaikstein, der dich darüber ärgern hat lassen, aus deinem Lebensbild verschwunden ist.
Mitgefühl und Verständnis
Wir alle sind aus dem Leben erschaffene wunderbare, einzigartige Kunstwerke.
Wir alle handeln nach besten Wissen und persönlichen Fähigkeiten.
Wir können und müssen das Handeln der anderen nicht immer verstehen. Nicht mal unser eigenes. Denn wir kennen niemals alle Mosaiksteine des Bildes unseres Lebens. Aber wir können Mitgefühl und Verständnis entwickeln und die Chance nutzen, an Herausforderungen zu wachsen. Vielleicht schon beim nächsten Kaffeehausbesuch.