Mythos 1: Laufen schadet den Knien – vor allem auf hartem Untergrund

Antwort: Nein. 

„Laufen schadet den Knien grundsätzlich nicht,“ gibt Dr. Robert Fritz Entwarnung. „Treten Knieprobleme auf, dann liegt das nicht am Laufsport selbst, sondern zumeist an zu wenig Muskelmasse oder an Übergewicht.“ Sind die Muskeln – vor allem in den Oberschenkeln und im Gesäß – zu schwach, kommt es zu Fehlbelastungen auf das Kniegelenk. Und Übergewicht zu reduzieren ist deshalb wichtig, weil „jedes Kilo weniger die Gelenke entlastet“.

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Statistisch gesehen passieren Knieverletzungen eher bei Sportarten wie Fußball oder Skifahren, wo es plötzliche Richtungswechsel und oft Stürze gibt – aber nicht beim Laufen. Trotzdem hört man oft den Begriff „Läuferknie“. Das Ganze ist in der Medizin als „Iliotibiales Bandsyndrom“ (ITBS) bekannt. Dabei reibt eine Sehne, die außen am Oberschenkel entlangläuft, immer wieder am Schienbeinknochen. Trainiert man zu schnell und zu viel, kann dieses Band gereizt werden. Oder, wie Dr. Fritz sagt: „Das Läuferknie ist das Resultat von Überlastung, die aufgrund von monotonen Bewegungen, einer zu schwachen Muskulatur oder falschen Schuhen entstehen kann. Es tut weh, ist aber völlig ungefährlich.“ Die Lösung lautet: „Pausieren und Physiotherapie. Gleichzeitig sollte man die Oberschenkel- und Hüftmuskeln trainieren, damit das Band weniger Belastung abbekommt. Auch Abwechslung im Training hilft – indem man z. B. zwischendurch auch mit dem Rad fährt oder schwimmen geht.“

Und was ist mit der Sache, dass harter Untergrund wie Asphalt oder Beton den Knien beim Laufen zusetzt? „Kein Problem,“ beruhigt Dr. Fritz. „Moderne Laufschuhe dämpfen gut. Für Anfänger empfiehlt sich eine ebene Asphaltfläche sogar mitunter besser als ein weicher Waldboden. Denn der Untergrund im Wald kann durch Wurzeln instabil sein, was die Muskulatur ermüdet – und wenn die Muskeln schlappmachen, geht die Belastung schnell auf die Gelenke.“

Weisheit 2: Man sollte nicht bei Kälte oder Hitze laufen.

Antwort: Falsch! 

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„Es gibt keinen Grund, bei Minustemperaturen oder Hitze nicht laufen zu gehen – vorausgesetzt, man ist gesund und passt sich den Bedingungen an,“ erklärt Dr. Robert Fritz. „Weder Kälte noch Hitze sind per se schädlich, aber beide stellen den Körper vor besondere Herausforderungen.“

  • Darauf kommt’s bei Hitze an:  „Bei Hitze muss der Körper mehr Energie aufwenden, um sich zu kühlen,“ sagt er. „Das bedeutet, dass man schneller schwitzt und mehr Flüssigkeit verliert.“ Um Kreislaufprobleme zu vermeiden, rät Dr. Fritz, früh morgens oder abends zu laufen bzw. das Training an die Tagesrandzeiten zu legen, wenn es kühler ist. Ebenso wichtig: Ausreichend trinken, um den Flüssigkeitshaushalt stabil zu halten. „Wenn ich merke, dass mein Herz-Kreislauf-System stark beansprucht ist oder ich mich unwohl fühle, sollte ich das Tempo drosseln oder ganz aufhören.“

  • Darauf kommt’s bei Kälte an:  „Bei niedrigen Temperaturen muss der Körper mehr Wärme produzieren, um die Muskeln auf Betriebstemperatur zu halten.“ Hier sei die richtige Kleidung entscheidend. Funktionskleidung in mehreren Schichten schützt vor dem Auskühlen. Auch eine warme Kopfbedeckung verhindert, dass zu viel Wärme über den Kopf verloren geht. Sind die Bedingungen draußen eisig oder rutschig, ist es ratsam, aufs Laufband oder alternative Sportarten wie Indoor-Schwimmen oder Radfahren am Ergometer auszuweichen – auch im Sinne der Abwechslung für die Muskulatur.

Weisheit 3: Es ist besser, mit leerem Magen laufen zu gehen.

Antwort: Falsch – vor allem nicht bei längeren Läufen und nicht für Frauen. 

Nüchternes Laufen ist für Trainingseinheiten von 60 bis 90 Minuten in Ordnung, solange die Intensität niedrig bleibt. „Wenn ich in der Früh gerne aufstehe, einen Schluck Wasser trinke und locker laufe, ist das kein Problem,“ sagt Dr. Robert Fritz. „Plant man jedoch einen längeren und anstrengenden Lauf, sind Kohlenhydrate vorher ein Muss – vor allem für Frauen.“

Warum? Der Stoffwechsel von Frauen reagiert empfindlicher auf Energiemangel. Intensive Einheiten ohne Energiezufuhr können zu einem Leistungseinbruch, Zyklusstörungen und langfristig sogar zu Osteoporose führen. „Das ist eine Erkenntnis, die noch relativ neu ist, denn viele Studien wurden früher nur mit Männern durchgeführt,“ erklärt Dr. Fritz.

Und was gilt nach dem Lauf? „Spätestens nach Ende der Joggingrunde sollte der Körper mit Kohlenhydraten versorgt werden. In den ersten 30 Minuten nimmt der Körper Energie besonders gut auf. Man kann dieses Zeitfenster nutzen und z. B. eine Banane essen oder einen Smoothie trinken, bevor man in die Dusche springt,“ rät der Experte.

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Weisheit 4: Vor und nach dem Laufen muss man dehnen!

Antwort: Falsch! 

Vor und nach einem lockeren Lauftraining braucht es kein Dehnen, so Dr. Fritz. „Die meisten setzen dabei ohnehin nur auf statische Positionen – wie den Fuß zum Gesäß zu ziehen, um die Muskeln so zu dehnen. Solche Stretching-Methoden bringen aber vor dem Laufen nichts,“ so der Experte.

„Schaut man sich sportmedizinische Daten an, dann wird klar: Wichtiger als Dehnen ist Krafttraining.“ Das sorgt für ein muskuläres Gleichgewicht, weil damit die Gegenspieler jener Muskeln gestärkt werden, die beim Laufen beansprucht werden. „Beim Laufen zieht alles nach vorne. Was ‚hinten‘ liegt, wird oft vernachlässigt – deshalb sollte man gezielt die Schulterpartie, den unteren Rücken, die Oberschenkelrückseite und die Gesäßmuskulatur trainieren.“

Für längere und intensivere Laufeinheiten rät Dr. Fritz zu Schwunggymnastik, also dem Kreisen und Schwingen von Armen und Beinen: „Man beginnt mit kleinen Bewegungen und macht diese nach und nach größer, bis man den gesamten Bewegungsradius der Gelenke nutzt und gut aufgewärmt ist.“

Weisheit 5: Nur schnelle Läufe bringen was.

Antwort: Falsch! 

Ein ideales Lauftraining basiert auf der 80-20-Formel: „80 Prozent meiner Läufe sollten in lockerem Tempo stattfinden und nur 20 Prozent auf hoher Intensität,“ erklärt Dr. Fritz. Langsame Läufe fördern nicht nur die Ausdauer, sondern trainieren auch den Fettstoffwechsel.

Der Körper greift je nach Belastung auf unterschiedliche Energiequellen zurück. Bei intensiven Läufen wird primär Zucker als Energiequelle genutzt, weil er schnell verfügbar ist. Doch wer ständig an die Belastungsgrenze geht, leert den Zuckerspeicher häufig, was zu Heißhungerattacken führen kann. Langsames Laufen bewirkt genau das Gegenteil. „Der Körper wird darauf programmiert, effizient mit den Fettreserven zu arbeiten. Das ist quasi ein Training für den Stoffwechsel,“ erklärt Dr. Fritz.

Wie schnell ist „locker“?

Dr. Fritz empfiehlt die RPE-Skala (Rate of Perceived Exertion), eine Skala von 0 bis 10 zur Selbsteinschätzung der Anstrengung:

  • 0: Sitzen, keine Anstrengung.

  • 2 – 3: Lockeres Laufen, das sich angenehm anfühlt. 

  • 10: Maximale Belastung, die man nur kurz durchhält.

„Viele denken, ein Lauf auf Skala 5 sei locker – aber das ist schon zu intensiv,“ sagt der Experte. „Stattdessen sollte man beim lockeren Laufen auf einer 2 bis 3 bleiben: Das fühlt sich fast unterfordernd an, ist aber genau richtig.“

Weisheit 6: Je länger die gelaufene Strecke, desto besser steigere ich meine Leistung

Antwort: Jein

„Für Ausdauersportarten wie den Marathon sind lange Einheiten mit vielen Kilometern entscheidend. Sie bereiten den Körper auf die Belastung vor.“ Aber für Hobbyläufer gilt: „Um besser zu werden, kann man den Körper auf verschiedene Arten neuen Herausforderungen aussetzen,“ so Dr. Robert Fritz. „Ich kann z. B. kurze, schnelle Sequenzen in mein Training einbauen oder die Häufigkeit meines Lauftrainings erhöhen.“

Der Schlüssel liegt in der richtigen Balance. „Es bringt nichts, sich an einem Tag völlig auszupowern und danach tagelang zu pausieren. Konstant zu trainieren ist viel entscheidender.“ Wichtig sei zudem Abwechslung: „Nicht nur laufen – ergänzendes Krafttraining oder alternative Sportarten wie Radfahren oder Schwimmen sind ideal, um den Körper vielseitig zu fordern.“

Weisheit 7: Laufen und Ausdauersport ist der beste Weg, um abzunehmen.

Antwort: Jein. 

 „Laufen alleine reicht nicht,“ stellt Dr. Robert Fritz klar. „Wie viele andere Ausdauersportarten arbeitet Laufen hauptsächlich an der Muskelökonomie, es macht die Muskeln also effizienter. Aber deswegen verbrennt man nicht automatisch Unmengen an Kalorien. Denn was viele vergessen: Wir verlieren pro Jahr rund 1 Prozent unserer Muskelmasse. Dieser Prozess startet im Alter von 25 bis 30 Jahren. Weniger Muskeln bedeuten: Man hat einen niedrigeren Grundumsatz und verbrennt weniger Kalorien, selbst wenn man sich bewegt.“

Dr. Fritz empfiehlt, das Lauftraining mit Krafttraining zu ergänzen, um die Muskulatur zu erhalten oder sogar aufzubauen. „Genauso braucht es auch eine vernünftige, ausgewogene Ernährung mit Eiweiß, Gemüse und komplexen Ballaststoffen.“

Zum Experten: Dr. Robert Fritz ist Sportmediziner und Ernährungsmediziner im „Zentrum für Gesundheit, Sportmedizin, Ernährung, Sportwissenschaften und Trainingstherapie“ in Wien. Er ist selbst begeisterter Läufer und Radsportler und beschäftigt sich mit dem Thema Laufen seit über 20 Jahren. Mehr Info: www.sportordination.com