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Basen? Säuren? Oder „neutrale“ Lebensmittel? Ernährungsexpertin Philippa Hoyos glaubt nicht an Verbote. Wir spüren ohnedies, was uns guttut, sagt sie. Auch wenn’s ein Salat zum Punschkrapferl ist.

Säure-Basen-Gleichgewicht – das ist so ein sperriges Schlagwort. Was bedeutet es eigentlich, und wozu brauch ich das?
Philippa Hoyos: Jedes Organ hat sein eigenes, ganz spezielles pH-Milieu. So ist etwa unser Blut leicht basisch, der Magen ist extrem sauer – jeder, der schon einmal Magensäure aufstoßen musste, weiß das. Und es ist auch wichtig, dass das so bleibt: Würde die Magensäure in den basischen Bereich kippen, könnte sie ihrer Aufgabe nicht nachkommen, und wir könnten die Nahrung nicht mehr verarbeiten. Kurz: Jedes Körpersystem arbeitet in dem Milieu, in dem es am besten funktioniert.

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Dann passt’s ja. Alles ist im Gleichgewicht, und ich muss gar nichts mehr tun?
Theoretisch ja. Du kannst die pH-Werte des Körpers auch gar nicht ändern. Die sind quasi im menschlichen Bauplan festgeschrieben. Nur: Durch unseren modernen Lebensstil haben wir uns „saure Gewohnheiten“ angeeignet – Bewegungsmangel, sehr viel Stress, einseitige Ernährung, zu wenig Wasser trinken. Lauter Dinge, die in unserem Körper Säuren hinterlassen. Zum Glück sind wir mit sehr cleveren Mechanismen ausgestattet, die dafür sorgen, dass Säuren neutralisiert und ausgeschieden werden.

Eben. Ich habe lange mit einem Arzt zusammengearbeitet, der das ganze Gerede von basischer Ernährung immer sehr skeptisch gesehen hat, weil er der Meinung war: Der Körper braucht das nicht, der hat selber Regulierungsmechanismen und schafft das!
Das stimmt auch, der kann das selber – bis zu dem Moment, wo er überlastet ist. Man kann hier aber auch früher an­setzen und mithelfen, dass es erst gar nicht so weit kommt. Wenn man sich an­schaut, wie unsere Gesellschaft älter wird, da sehe ich sehr viel vermeidbare Übersäuerung...

Wie „sieht“ man Übersäuerung?
Man sieht sie zum Beispiel als Bluthoch­druck, als Übergewicht, als verminderte Knochendichte, als Allergien, die sich immer mehr verbreiten. Das sind alles Dinge, die in ihrem Kern mit dem Säu­re-­Basen-­Haushalt zusammenhängen. Und an der Stimmung. Schon allein der Ausspruch „Ich bin sauer“ – das kommt ja nicht von ungefähr, dass das so heißt.

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Aber genau dafür habe ich ja meinen Regulierungsmechanismus im Körper, oder? Ich esse also einen Punschkrapfen, und der Körper sagt: „Oje, so ein Säureüberschuss!“ Und was genau tut er dann mit dem Punschkrapfen?
Der Punschkrapfen muss neutralisiert werden. Der Körper nimmt sich daraus zunächst die Kohlenhydrate, die Eiweiße, die Fette, die Vitamine, die Nährstoffe, die da drinnen sind im Punschkrapfen. Wenn eine Marmelade drin ist, ist sicher auch ein Vitamin da drinnen! Diese wert­vollen Teile nimmt er sich raus. Übrig bleibt alles, was er nicht gebrauchen kann: zu viel Zucker, zu viel Fett – das sind Stoffe, die Säuren im Körper hin­terlassen, und die muss er neutralisieren. Das heißt, er braucht von irgendwo Ba­sen. So wie wir das alle einmal im Che­mieunterricht gelernt haben: Basen und Säuren neutralisieren einander.

Und woher nimmt er die?
Vielleicht schwirren da ja gerade frei ver­fügbare Basen herum, weil wir zuvor ei­nen großen Salat gegessen haben, dann ist es einfach. Wenn aber der Körper keine freien Basen findet, nimmt er sie aus Sys­temen, die ihm nicht so wichtig erschei­nen. Er holt sie sich zum Beispiel aus den Haarwurzeln, denn er weiß: Haare sind längst nicht mehr so wichtig wie früher. Wir können ja eine Mütze aufsetzen oder einheizen. Da kann er sich also ohne gro­ßen Verlust Basen rausholen. Mit diesen neutralisiert er die Punschkrapfen-­Säu­ren, und wir können sie ausscheiden.

Na super. Er nimmt sie aus den Haarwurzeln, und dann brechen mir die Haare ab...
Ja. Oder er holt sich’s aus den Knochen, den Muskeln, den Zähnen, den Nägeln – also überall, wo er das Gefühl hat, okay, da kann ich ein bisschen was entbehren. Und wenn er trotzdem nicht genug Basen findet, dann packt er die Säuren in Fett ein. Dann können sie ihm nicht wehtun.

In Fett?
Ganz genau. Ich finde, das ist so etwas Schönes: Der Körper schützt sich selber vor Dingen, die ihm nicht guttun. Wenn wir übersäuert sind, dann wer­den einfach viele Fettzellen produziert – und die überschüssigen Säuren werden darin eingeschlossen. Sie werden erst wieder freigegeben, wenn wir genug Ba­sen zur Verfügung haben, um sie zu neu­tralisieren. Das ist ein ganz toller Mechanismus, weil wir dadurch gewährleisten können, dass die Säuren nicht unsere Leber oder andere Organe angreifen.

Na gut. Aber jetzt denke ich mir: Dann trinke ich einfach zu meinem Punschkrapferl ein Glas Basenpulver. Dadurch wird es neutralisiert, und ich kann so viele Punschkrapferl essen, wie ich will – die legen sich nie an.
Ein fantastischer Gedanke. Theoretisch hast du vollkommen recht. Das Pro­blem beim Basenpulver ist, dass das ein hochkonzentriertes Getränk ist, das auch Einfluss auf unsere Magensäure nehmen kann. Wenn nun die Magensäure ein bisschen weniger sauer wird, kann sie auch dein Punschkrapferl weniger gut verarbeiten. Aber wenn du zu deinem Punsch­krapferl beispielsweise einen Riesensalat essen würdest, dann hättest du schon sehr viele Basen mitgeliefert, die das wieder ausgleichen können! Das ist immer so: Pizza plus Riesen­salat dazu ist viel besser als nur Pizza.

Es liegt nicht nur an der Pizza, oder? Ich habe das so verstanden, dass man auch durch psychische Belastung sauer wird. Wenn unsere Vorfahren vom Säbelzahntiger angeknurrt wurden, hat der Körper Säure produziert, um die Muskeln zu mobilisieren und ein schnelles Weglaufen zu ermöglichen – und durch das Laufen wurde diese Säure dann wieder abgebaut. Wenn dich heute dein Chef anknurrt, dann willst du vielleicht auch gern weglaufen – aber du tust es nicht. Das bedeutet: Die Säure bildet sich genauso im Körper, aber sie wird nicht abgebaut.
Ganz genau! Wir leben in einer Zeit, in der die meisten von uns im Dauerstress sind. Be­wegung ist ein optimaler Mechanismus, damit man diesem Dauerstress entgegen­halten kann. Nur haben wir oft keine Zeit dafür. Wir verbringen unsere Tage im Sitzen. Wir müssen uns einem unangenehmen Gespräch mit Vorgesetzten oder Kunden ausliefern – und können nachher leider nicht fünf Kilometer laufen gehen, um das einfach mal abzuarbeiten. Wir behalten das alles in uns drinnen.

Wenn ich jeden Tag laufen ginge, müsste ich mir nicht so viele Gedanken machen, ob ich genug Basen esse?
Auf jeden Fall. Bewegung ist ungeheuer hilfreich, was den Säure­-Basen­-Haushalt betrifft. Das darf man nicht unterschät­zen. Ich bin ein Fan davon, dass man im­mer das Ganze anschaut. Wenn ich mich ausschließlich auf die Ernährung fokus­siere, werde ich Schwierigkeiten haben, ein rundum gesundes Leben zu führen. Die Kunst ist, Ernährung, Bewegung und unsere Psyche in Balance zu halten. Das ist eine schwierige, aber auch sehr spannende Aufgabe.

Ich mache deshalb einmal im Jahr eine Kur mit Basen. Passt das, wenn ich mich vierzehn Tage lang rein basisch ernähre – und dann esse ich wieder normal weiter? Oder muss ich jetzt tatsächlich mein ganzes Leben darauf umstellen?
Das kommt drauf an, was du erreichen möchtest. Wenn es dir um deine Gesund­heit geht, dann heißt das schon: Stell dein Leben so um, dass du allen äußeren Ein­flüssen gegenüber gut gewappnet bist, dass du stark genug bist für ein schwieri­ges Gespräch mit dem Chef, stark genug für eine Woche, in der viel Stress ist und vielleicht auch einmal keine Zeit für Be­wegung bleibt... Natürlich kann man mit einer zwei­wöchigen Kur wahnsinnig viel wiedergutmachen, aber das eigentliche Ziel da­bei ist, dass man merkt: Ich fühle mich richtig gut! Das tut mir so gut, das nehm ich mir für mein Leben mit.

Ein bisschen nehme ich es eh immer mit. Aber dann rutsche ich doch wieder in alte Gewohnheiten.
Ja, das ist meistens so. Das ist ja auch okay, weil es ein Lernprozess ist. Es hat noch nie jemand von heute auf morgen alles richtig gemacht, das wäre total utopisch.

Essen nach Basen mit den Farben des Regenbogens
Frisches Gemüse

Bild: Pixabay

Es ist aber auch so schwierig. Ich kann nicht immer frisch kochen, es muss schnell gehen. Und dann greift man zu einem Weckerl oder Fertiggericht – und die sind voll mit Stoffen, die eher Säure generieren. Sich im Alltag basisch zu ernähren wird einem gar nicht leicht gemacht.
Wie wahr! Es werden einem sehr viele Steine in den Weg gelegt. Deswegen geht es bei einem basischen Lebensstil auch sehr viel um die Eigenverantwortung und sehr viel darum, dass man anfängt, sich bewusst Zeit für etwas zu nehmen, das einem guttut und wichtig ist. Es gibt enorm viel, was man selber tun kann, um seine Gesundheit in die Hand zu neh­men. Ich koche mir vor und nehme das am nächsten Tag mit ins Büro.

Und wenn ich nicht zum Kochen komme? Kann ich mir einfach eine Banane mit ins Büro nehmen?
Auf jeden Fall! Sobald du für dich sagst: Ich möchte mir ein Leben gestalten, das meinen Körper, meine Gesundheit, mei­ne Seele unterstützt, dann kannst du dir überlegen, wie das am besten in deinen speziellen Alltag passt. Du kannst dir einen Salat mitnehmen oder einen Apfel als Nachspeise essen. Es ist wichtig, dass es nicht darum geht, total reduziert zu essen und nur mehr an einer Karotte zu kauen, son­dern, dass du ausgewogen isst – so bunt wie möglich. Die Regel lautet „Eat the Rainbow“: Wenn du alle Farben und Formen, die da draußen im Angebot sind, auch auf den Teller bringst, bist du auf der sicheren Seite.

Na gut. Jetzt einmal für Anfänger: Was darf ich essen, was soll ich nicht essen?
Ich bin ein Fan davon, erst einmal nichts auszuschließen, denn sobald etwas mit einem Verbot behaftet ist, wird es schwierig. Man könnte sich stattdessen darauf besinnen, das Gute hereinzulassen, bevor man sich darauf konzentriert, das Schlechte auszuschließen. Das Gute – das ist Gemüse in allen Farben und Formen, und noch dazu bergeweise! Davon kann man nicht zu viel essen. Auch Obst in allen Farben und Formen, lieber Vollkorn- als Weißmehlprodukte... Und vielleicht kann man statt Fleisch auch einmal Hülsenfrüchte nehmen.

Hey, Moment! Vollkorn ist doch auch säurebildend...
Aber es enthält so viele andere wertvolle Stoffe, dass ich immer sage: Es ist ein guter Säurebildner.

Wenn Säure generell nicht gut ist für mich – wie kann ein Lebensmittel, das Säure im Körper bildet, dann gut sein?
Also erst einmal: Säuren sind nicht per se schlecht, nur im Überfluss sind sie nicht gut für uns. Die Einteilung in gute und schlechte Säurebildner ist schon sinnvoll. Ein Beispiel für einen schlechten Säurebildner ist weißer Zucker. Ein Beispiel für einen guten Säurebildner ist Vollkornroggen: Der hat in seiner Schale enorm viele wichtige Inhaltsstoffe, die der Körper sehr gut verwerten und gebrauchen kann.

Das heißt, für diese Inhaltsstoffe nehme ich die Säure sozusagen in Kauf?
Ganz genau. Ich profitiere so sehr davon, dass ich die Säure in Kauf nehme. Bei Zucker hingegen – da würde ich es nicht im Kauf nehmen. Denn der bringt mir nicht viel, außer kurzfristig Energie. Ich bin aber auch nicht generell gegen Zucker. Ich sage nur: Jedes Gericht sollte einen Basenüberschuss haben. Es muss nicht hundertprozentig basisch sein. Die Grundformel lautet: achtzig Prozent basenbildende Lebensmittel und zwanzig Prozent säurebildende Lebensmittel auf dem Teller. Und nicht einmal das ist so dogmatisch: Wenn du schaust, dass auf dem Teller der Gemüseanteil immer der größte ist, dann hast du schon gewonnen.

Gut, das versuche ich. Wenn ich jetzt meine Ernährung auf rein basisch umstelle, zumindest mal eine Woche lang, spüre ich da gleich einen Unterschied?
Wenn du dich vorher jeden Tag von Pizza ernährt hast, wirst du einen gewaltigen Unterschied merken. Der ist im ersten Moment gar nicht immer angenehm, du wirst vielleicht Kopfweh bekommen, eine Art Entzugserscheinungen. Das Gute daran ist, dass du merkst, dass dein Körper auf die Umstellung reagiert, dass er noch nicht abgestumpft ist, sondern in der Lage, sich umzustellen. Wenn du das eine Zeitlang durchhältst, dann wirst du eine sehr positive Veränderung bemerken.

Und wenn ich vorher schon halbwegs auf gesunde Ernährung geachtet habe, wenn also die Fallhöhe nicht so groß ist?
Dann wirst du auch nicht so einen Riesenunterschied merken, und dir wird die Umstellung nicht so schwerfallen. Der Prozess ist ein kleinerer, nicht so radikaler, aber ein genauso wichtiger. Manchmal ist es auch so, dass man am Anfang gar nichts merkt. Aber nur, weil uns die Prozesse im Körper nicht bewusst sind, heißt das nicht, dass sie nicht permanent statt-finden! Bei jedem Bissen, den wir essen, bei jedem Atemzug, den wir tun, passiert etwas. Alles, was wir unserem Körper zuführen, hat einen enormen Effekt auf uns – im Guten wie im Schlechten.

Und wie machst du das? Isst du deshalb selber immer nur vernünftig?
Nein. Ich gönne mir, worauf ich Lust habe. Aber meistens habe ich auf Dinge Lust, die mir guttun. Diesbezüglich haben sich meine Essgewohnheiten im Laufe der Jahre geändert, weil ich einfach selber lernen durfte, wie gut man sich fühlt, wenn man der Ernährung ein gewisses Gewicht gibt. Wenn man das einmal erfahren hat, bleibt man auch gerne dabei, dann möchte man’s gar nicht mehr anders haben! Es ist mit einem Mal auch nicht mehr anstrengend; es ist ganz normal.

Philippa Hoyos, Gründerin der Basenbox hat uns im letzten Podcast noch so einige Tipps für das richtige Basenfasten gegeben.

Wenn du eine Ernährung mit Basen und Säuren gerne ausprobieren möchtest, dann schau dir noch unseren Beitrag „Eine Basenfastenanleitung für daheim“ an, hier findest du noch Interessantes und Wissenswertes. Und wenn du den Regenbogen essen möchtest, dann probiere gleich eines unserer vier Rezepte Basenfasten nach Farben.