Liebesgeheimnis getrennte Schlafzimmer
Muss man wirklich zusammen wohnen und schlafen, um einander wahrhaftig zu lieben? Janina Lebiszckak findet, dass separate Betten gut für die Beziehung sind.
Wirklich neu ist es nicht, das Lebensmodel „LAT“ oder genauer: „Living apart together“. Schon das Intellektuellen-Paar Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir wohnte während seiner berühmten Liaison getrennt voneinander – ganze 50 Jahre lang. Misstrauisch beäugt vom kleinbürgerlichen Milieu zwar, aber das war ihnen egal: „Ich bin, ob nah oder fern, ganz die Ihre“, schrieb Beauvoir in einem ihrer berühmten Liebesbriefe an Sartre.
Ich bin, ob nah oder fern, ganz die Ihre.
Simone de Beauvoir
Nun – ganz so dramatisch bin ich nicht. Aber auch ich bevorzuge in der Partnerschaft getrennte Schlafzimmer, wenn nicht überhaupt getrennte Wohnsitze. (Außer mein Mann ist König und wir bewohnen ein Schloss, ich den Westflügel, er den Ostflügel.) Wahnsinnig unromantisch, ich weiß, und nicht wenige werden mir jetzt Herzenskälte oder Bindungsphobie attestieren.
Wenn ich schlafen will, will ich schlafen.
Aber mal ehrlich: Wenn ich schlafen will, will ich schlafen. Wenn ich Sex haben will, habe ich meistens VOR meiner Nachtruhe Sex, und ebenso verhält es sich mit dem Kuscheln. Kuscheln ist toll, Sex sowieso. Aber ich werde nachts ohnehin schon von drei Katzen traktiert, und wenn sich auch noch ein sich wälzender, vielleicht sogar schnarchender Mann neben mir im Bett befindet, muss ich bald zum Arbeitsamt pilgern – denn ohne ordentliche REM-Phasen schaffe ich mein tägliches Arbeitspensum nicht.
Ich will einfach, bitte schön, schlafen, ich liebe Schlafen.
Abgesehen davon: Ich will einfach, bitte schön, schlafen, ich liebe Schlafen. Und in der Nacht – im Urlaub ist es mir egal, da kann ich immer büseln – habe ich es gerne dunkel und still. Wenn ein Partner also auf TV-Berieslung besteht (und das tun mehr, als man glauben möchte), wird er aufs Sofa verfrachtet. Oder gleich in seine eigene Behausung. Mir reicht es völlig, wenn ich ihn im Wachzustand an meiner Seite habe.
Getrennte Schlafzimmer? Gut für die Liebe
Wem der Schritt zur Trennung von Heim und Herd allerdings zu drastisch erscheint, der kann sich immer noch für das Modell SAT entscheiden – „Sleeping apart together“. Und das erfreut sich immer größerer Beliebtheit: Eine Umfrage der Partnervermittlung Parship besagt, dass nur noch fünf Prozent der Frauen und elf Prozent der Männer die nächtliche Trennung als ein Zeichen von Distanz und „wenig liebevollem Umgang miteinander“ interpretieren. Untersuchungen belegen außerdem, dass vor allem Frauen neben dem Partner schlechter schlafen, da sie evolutionsbiologisch bedingt einen leichteren Schlaf haben, Stichwort Baby, Stichwort Babygebrüll.
Untersuchungen belegen, dass vor allem Frauen neben dem Partner schlechter schlafen, da sie einen leichteren Schlaf haben.
Schnarcher, bitte auswandern
Besonders schlimm wird es, wenn einer schnarcht. Schlag nach im Guinness-Buch der Rekorde: Über 111 Dezibel, das entspricht der Lautstärke eines Düsenjets im Tiefflug, wurden bei einer mittlerweile 70-jährigen Britin gemessen. Sie, die aufgrund einer Fehlstellung im Rachen so dramatisch sägt, nimmt es mit Humor, ihr Ehemann offenbar auch: Er blieb trotz Lärm-Terrors bei seiner Gattin – aber nicht zu nahe. Das Liebesgeheimnis: getrennte Schlafzimmer (oder mouth taping?).
Nach einer erfrischenden Nachtruhe hat man einfach mehr Kraft für den Partner – und auch für alle Abenteuer, die draußen warten.
Ich hatte bislang mehr Glück als die Briten, also bis auf einen Ex-Freund, der mir wahrscheinlich ein sattes Trauma mit auf den Lebensweg gab und damit meine LAT/SAT-Laufbahn ebnete. Aber ich bleib dabei: Für mich passt es: Nach einer erfrischenden Nachtruhe hat man einfach mehr Kraft (und damit auch mehr Rücksicht) für den Partner – und auch für alle Abenteuer, die draußen warten.
Bilokal und beständig
Immer mehr Paare verzichten auf ein gemeinsames Dach über dem Kopf und pendeln lieber zwischen den Wohnsitzen, die sich sehr oft in räumlicher Nähe zueinander befinden. „Bilokal“ nennt man das Phänomen – und es boomt.
Bilokal nennt man das Phänomen – und es boomt.
Das deutsche Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat für seine Analyse drei Jahre lang rund 12.400 Personen in LAT-Beziehungen untersucht: Nur rund 15 Prozent der Partnerschaften scheiterten und nur ein Drittel der Paare zog später in eine gemeinsame Wohnung. Die Berliner Humboldt-Universität geht davon aus, dass deutsche LAT-Partnerschaften zwischen 1992 und 2006 um mehr als 70 Prozent zugenommen haben.
In Schweden lag die Zahl der „LATs“ im Jahr 1993 bei sechs Prozent; 2001 verzeichnete man dort bereits mehr als 14 Prozent getrennt wohnende Paare, heute sind es noch mehr. Auch in Amerika und Kanada wollen immer mehr Liebende immer mehr Freiraum, ebenso in Österreich.
Im Gegensatz zu früheren Zeiten bestimmen Gleichwertigkeit und Selbstbestimmung das Selbstverständnis heutiger Paare mehr.
Aber warum? „Die gesellschaftliche, kulturelle Situation hat sich in den letzten Jahrzehnten in der westlichen Welt stark verändert. Diese Veränderungen haben auch Auswirkungen auf das Beziehungsleben und die Möglichkeiten, wie wir unsere Sexualität leben können: Im Gegensatz zu früheren Zeiten bestimmen Gleichwertigkeit und Selbstbestimmung das Selbstverständnis heutiger Paare mehr. Ehe und Familie weichen zum Teil pluralistischen Paarmodellen, die individuelle Freiheiten mehr in den Mittelpunkt stellen“, meinen die Liebes-Consulterinnen Beatrix Roidinger und Barbara Zuschnig von „Eros & du“.
„Indem es kein einheitlich verbindliches Referenzsystem mehr gibt, haben die Menschen nun die Möglichkeit, auswählen zu können, was jeweils am besten für das persönliche Glück passt. Probleme entstehen weniger aus einem Zwang, sondern daraus, aus der Fülle der Möglichkeiten mit dem jeweiligen Partner auszuhandeln, was für beide passt. Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass sich immer mehr Menschen für ihre individuelle Freiheit entscheiden und das Leben als Paar mit festen Grenzen und Ritualen, seine Funktion als identitätsstiftende Einheit an Bedeutung verliert.“
„LAT“ ist weiblich
Und wer hat’s erfunden? Die Frauen, eh klar. Verschiedene europäische Studienergebnisse zeigen, dass getrennt von ihrem Partner wohnende Frauen zufriedener sind als Frauen in einem klassischen Wohn- und Liebesmodell. LAT-Paare haben den Untersuchungen zufolge häufigeren und besseren Sex, sie streiten auch seltener und fühlen sich allgemein weniger gestresst.
LAT-Paare haben den Untersuchungen zufolge häufigeren und besseren Sex, sie streiten auch seltener und fühlen sich allgemein weniger gestresst.
Roidinger und Zuschnig dazu: „Frauen sind seit Ende des letzten Jahrhunderts im gesellschaftlichen Ansehen autonomer geworden und auch wirtschaftlich unabhängiger. Es besteht nicht mehr die Notwendigkeit, einen Mann zu haben, damit man Anerkennung und Status erlangt und ein erfolgreiches Leben aufbaut. Frauen haben damit eine größere Wahlmöglichkeit erlangt. Sie gehen enge Beziehungen dann ein, wenn sie auf Gefühlsebene davon überzeugt sind. Getrennte Wohnungen oder Wohnorte unterstützen den Wunsch nach Selbstbestimmung.“
„Gefühle sind nicht ortsgebunden“
Beatrix Roidinger und Barbara Zuschnig von der Sexualberatungspraxis „EROS & du“ sprechen im Interview über die speziellen Spielregeln getrennt lebender Paare in LAT-Beziehungen.