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Darüber, warum wir den Mund beim Atmen geschlossen halten sollten. Und wieso sie sich von uns mehr Waldspaziergänge und eine geradere Körperhaltung wünscht.

So kann ich meinen Atmen nutzen:

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Wie funktioniert richtig atmen?

Hallo, wir kennen uns – und das nicht erst seit deinem ersten Schrei, der deine Lungen entfaltet und der Welt signalisiert hat: „Ich bin jetzt da.“ Schon im Mutterleib haben wir Bekanntschaft miteinander gemacht. Damals konntest du noch nicht durch deine Lunge atmen. Stattdessen habe ich dir über die Nabelvene, die mit der Plazenta in Verbindung steht, Sauerstoff geschickt. „Innere Atmung“, sagen Mediziner zu meinem Zweitjob in deinem Körper, den ich – in anderer Form – auch heute noch mache. Du magst zwar nur das Einatmen und das Ausatmen mit mir assoziieren, aber ich helfe dir weiterhin dabei, dass der Sauerstoff, den du durch deine Lunge strömen lässt, auch deine Zellen und Muskeln und dein Gewebe erreicht.

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Warum ich dir das alles erzähle? Weil ich glaube, dass es an der Zeit ist, dass ich mehr als nur deine stille Freundin bin. Ich wünsche mir, dass wir zu einem Team zusammenwachsen. Dass du mich ebenso gut kennenlernst, wie ich dich in den vergangenen Jahren kennenlernen durfte. Ich habe mit dir gelacht, so heftig, dass du dich in manchen Momenten sogar an Drinks verschluckt hast (sorry dafür). Dein Schmerz ist mein Schmerz. Wenn du schluchzt, bekomme ich vor lauter Traurigkeit ebenfalls oft keine Luft. Wir waren gemeinsam vor Prüfungen nervös. Bist du verliebt, beflügelt das auch mich. Und beim Sport kommen wir beide regelmäßig aus der Puste.

Wir machen alles gemeinsam. Und das ist gut so. Als Atmung erfülle ich eine gleichermaßen wichtige Aufgabe wie dein Herz. Ich halte dich unermüdlich am Leben. Das soll die Leistung der anderen Körperfunktionen und Organe nicht schmälern, im Gegenteil. Aber während du im Notfall mehrere Wochen ohne Nahrung überleben kannst – und vielleicht auch ein, zwei, drei Tage ohne Wasser –, ist ohne Luft oder Herzschlag schon nach ein paar Minuten Schluss.

Lungenflügel
Illustration einer menschlichen Lunge

© Lara Hies

Anders als das Herz bin ich aber kein Alleingänger, ich bin auf Teamwork angewiesen. Ohne deine Nase, deine Lunge und dein Zwerchfell etwa könnte ich meine Arbeit nicht machen. Ich brauche auch den Einsatz deiner Bronchien und Bronchiolen, das sind die feinen Verzweigungen in den Bronchien, sowie deine Lungenbläschen, die sogenannten Alveolen. Nicht zu vergessen die Erythrozyten, sprich: deine roten Blutkörperchen. Sie transportieren den Sauerstoff von der Lunge ins Gewebe bzw. sichern sie den Abtransport von Kohlendioxid, das sich im Atemprozess bildet, zurück zur Lunge, damit du dieses wieder ausatmen kannst. Ich weiß, das klingt alles fürchterlich kompliziert.

Und ich will dich auch nicht mit Fachbegriffen und komplexen Abläufen langweilen. Ich will dir nur die wichtigsten Pfeiler meines Daseins erklären – denn in unserer Beziehung ist Luft nach oben. Und wenn du mich besser kennenlernst, profitiert dein Wohlbefinden davon, versprochen.

Deine Nase, mein bester Freund Punkt eins, der mir wichtig ist: Atme möglichst immer durch die Nase ein und aus – und nicht durch den Mund. Damit tust du nicht nur mir, sondern auch deiner Gesundheit einen großen Gefallen. Denn deine Nase macht einen super Job. Sie fungiert sowohl als Klimaanlage als auch als Klebefalle für Schmutzpartikel, Staub und Keime.

Vor allem die vielen feinen Flimmerhärchen in deiner Nase sowie deine Nasenmuscheln – das sind stark durchblutete Schleimhäute in den Nasenhöhlen – filtern wie wild. Gleichzeitig wird die Luft in der Nase befeuchtet und erwärmt, und sie hilft dir dabei, von deiner Ausatemluft Feuchtigkeit zurückzubehalten, damit du vor möglichem Flüssigkeitsverlust geschützt bist.

Das alles tut der Rachen nicht. Bei Mundatmung kommen sämtliche Partikel ungefiltert in der Lunge an, das reizt sie; Atemwegserkrankungen haben so leichteres Spiel.

Atem braucht Sauerstoff und Sauberkeit

Und wo wir schon beim Thema Luft sind, auch gleich Punkt zwei: Dass es klügere Dinge gibt, als zu rauchen, weißt du. Durch die Qualmerei leiden nicht nur deine Flimmerhärchen, und Teer kann sich in deinen Lungen ablagern. Auch die Bakterien, die deine Zähne gesund halten, werden in Mitleidenschaft gezogen, und du hast ein höheres Risiko für Bronchitis, Lungenentzündung, Tuberkulose, irreversiblen Husten und Atemnot (COPD) sowie Lungenkrebs.

Kurz: Das Ganze hat nur Nachteile, keine Vorteile. Zumal du ohnehin schon in einer Welt lebst, in der die Atemluft nicht immer die sauberste ist.

Durch Fabriksanlagen, Öfen und Motoren ist sie mit Feinstaub angereichert. Dieser wiederum kann deinen Lungenbläschen zusetzen und ihre Zellen schädigen. Wenn ich dich also um etwas bitten darf: Lass das Rauchen sein, und geh so oft wie möglich in den Wald spazieren, oder mach einen Ausflug ans Meer. Die Luft im Wald ist schadstoffarm und sauerstoffreich. Außerdem ist sie angereichert mit Phytonziden – das sind Stoffe, die Pflanzen bilden, um sich vor Bakterien und Insekten zu schützten.

Laut japanischen Studien fördern diese Phytonzide sowohl die Entstehung dreier Anti-Krebs-Proteine als auch die natürlicher Killerzellen (NK-Zellen), die selbst Krebszellen aufspüren und attackieren können.

Und am Meer wiederum profitieren du und ich von den maritimen Aerosolen. Wenn du direkt an der Brandung stehst, ist die Salzkonzentration in der Luft am höchsten – und die winzigen Tröpfchen, die in den Nasen-Rachen-Raum und bis in die Lungenbläschen vordringen, helfen, Schleim aus deinen Atemwegen zu lösen. Außerdem ist am Meer die Pollenbelastung gering, Heuschnupfen hat weniger eine Chance.

Haltung, bitte!

Punkt drei, mit dem ich mich an dich wende: Brust raus! Halt deinen Rücken gerade. Denn je krummer deine Körperhaltung ist, desto schwieriger wird mein Job. Einerseits kann ich nicht so tief gehen, wie ich für deine Gesundheit sollte (dazu gleich mehr). Andererseits machst du meinem Kollegen, dem Zwerchfell, das Leben schwer. Das Zwerchfell ist dein Haupt-Atemmuskel. Er liegt quer (= „zwerch “) in der Körpermitte, ähnelt einem Fallschirm, der sich zwischen dem Brustraum und dem Bauchraum befindet und dessen Kuppel sich in Richtung der Lunge und des Herzes öffnet.

Das Zwerchfell ist deshalb so wichtig, weil es hilft, deine Lunge zu bewegen, die kann das nämlich nicht von allein: Wenn du einatmest, zieht sich das Zwerchfell zusammen, und die Lunge geht mit. So entsteht ein Unterdruck, der dafür sorgt, dass die Lunge sich mit Luft vollsaugt. Atmest du aus, geht das Zwerchfell wieder in seine Ursprungsform und drückt die Luft aus den Lungen hinaus. Hockst du nun ständig zusammengesunken vor deinem Computer oder auf der Couch, benutzt du vor allem die Muskeln an den Rippen zum Atmen. Das funktioniert zwar auch, aber es ist anstrengender für deinen Körper, und du bekommst weniger Sauerstoff, weil der untere Bereich des Brustkorbs nun einmal deutlich dehnungsfähiger ist als der obere.

Außerdem verspielst du Vorteile, die die Zwerchfellatmung bringt. Zum einen senkt sie den Blutdruck – das Herz ist mit seiner Spitze am Zwerchfell befestigt und wird beim Einatmen nach unten gezogen. Zum anderen werden durch die ständigen Bewegungen des Zwerchfells deine Bauchorgane sanft massiert, das freut vor allem deine Verdauung. Darum: Streck dich regelmäßig, und halte dich gerade, du wirst dich energiegeladener und zufriedener fühlen. Das war’s auch schon fürs Erste.

Ich verspreche, ich werde für dich da sein. Bis zum Schluss. Wenn du deinen letzten Atemzug machst – im Durchschnitt nimmst du sechzehn Atemzüge pro Minute und lässt in diesem Zeitraum bis zu sechs Liter Luft ein- und ausströmen –, wird das auch mein Ende sein. Aber bis es so weit ist, wünsche ich uns beiden, dass wir eine gute Zeit miteinander haben. Und nach den vielen Fakten lass mich dir noch etwas für deine Seele mitgeben.

Ich habe als Atmung auch eine spirituelle Dimension. Das ist eine Eigenschaft, die viele Völker seit Jahrtausenden an mir schätzen. Mit mir kannst du auf Reisen gehen – ich bin die Brücke in dein Unterbewusstsein und die einzige autonome Grundfunktion des Körpers, die du, zumindest in Teilen, willentlich kontrollieren kannst (im Gegensatz etwa zu deiner Verdauung). Mit meiner Hilfe kannst du dich in meditative Zustände versetzen, um die Verbindung von Geist und Seele verstehen zu lernen.

Und: Du bist durch mich auch untrennbar mit anderen Menschen und der Natur verbunden. Der Sauerstoff, der dich am Leben hält, wird von Pflanzen und Bäumen produziert. Und die Luft, die du einatmest, hat jemand anderer bereits ein- und ausgeatmet. Genauso wie die Luft, die du weitergibst, wieder jemand anderer aufnehmen wird. Eigentlich schön, oder?

richtig atmen Methoden
Illustration einer Frau von hinten

Foto: Lara Hies

Kann ich richtig atmen lernen?

Stress wegatmen – geht das? Das professionelle Durchatmen als Lifehack ist absolut zu empfehlen. Carpe diem-Redakteurin Waltraud Hable hat es ausprobiert.

Es gibt Zeiten, da geht alles drunter und drüber. Bei mir ist gerade so eine Zeit. In der Arbeit und privat tut sich mehr, als mir lieb ist. Und obwohl ich eigentlich eine recht organisierte Person bin, hinke ich mit allem zeitlich hinterher. Ich fühle mich wie ein hyperventilierender Hamster, den abends nicht einmal eine heiße Dusche oder Om-Shanti-Versuche zur Ruhe bringen können.

Was mich aber am meisten irritiert: Immer, wenn ich versuche, bewusst und tief einzuatmen – wie man das zur Entspannung eben machen soll –, wandert die Luft maximal bis zum Brustbein. Tiefer geht’s nicht. Ich habe das Gefühl, mein Atem steckt fest.

Kurz: Das Ganze ist ein Fall für Norbert Faller. Norbert Faller ist akademischer Atempädagoge, Körperpsycho- und Traumatherapeut in Wien. Aber vor allem ist er jemand, der sich mit dem Atem und dessen Auswirkung auf Körper und Seele bereits seit über 30 Jahren auseinandersetzt – und nicht erst, seit es chic ist, sich „Breathwork“-Trainer zu nennen.

Faller gilt als Koryphäe, wenn es darum geht, wieder zu seiner Mitte zu finden. Das geschieht entweder, indem man sich in seiner Praxis auf eine Behandlungsliege legt und mithilfe von gezielter Berührung den natürlichen Rhythmus seines Atems wiederzuentdecken lernt. Oder aber man vereinbart eine Onlinesitzung. Alles, was dafür nötig ist, sind bequeme Kleidung, ein Sessel ohne Armlehnen und eine vernünftige Internetverbindung. Als der Zoom-Talk startet, begrüßt mich ein freundlicher Mann mit dichtem grauen Haar und einem Gesicht, das Ruhe ausstrahlt.

Doch hier darf mein Atem machen, was er will. Es gibt keine Versuche, ihn zu kontrollieren oder zu dressieren.

Waltraud Hable, carpe diem-Redakteurin

Norbert Faller fragt, was mich zu ihm führt und ob ich Vorerfahrung mit Atemarbeit habe. „Ich habe einmal ein zehntägiges Vipassana-Meditationsseminar gemacht“, gebe ich zu Protokoll, „aber ich schaffe es viel zu selten, diese Form des entspannten Atmens in meinen Alltag einzubauen.“ Faller nickt: „Ruhe zu finden, wenn das System so hochgefahren ist, funktioniert nicht, das ist für viele eine Überforderung“, meint er und dass er nach der Middendorf-Methode unterrichte, begründet von der deutschen Atemtherapeutin Ilse Middendorf.

Diese Methode beziehe nicht nur Bewegung, sondern auch die Stimme mit ein. „Wir beginnen dynamischer und nähern uns langsam einer Ruhe an.“ – „Ah ja“, sage ich. Mit Theorie kann ich immer wenig anfangen. Aber in diesem Moment beginnen wir auch schon.

Erkennen, nicht dressieren

Ich werde gebeten, mich in aufrechter Position hinzusetzen, sodass meine Beine im rechten Winkel zu meinem Oberkörper stehen. „Schließen Sie die Augen.“ Einen Moment lang kommt es mir komisch vor, „blind“ vor dem Laptop und meinem virtuellen Gegenüber zu sitzen, aber in den Praxisräumlichkeiten wär’s auch nicht anders, also sei’s drum.

Faller fragt mit sonorer Stimme Areale meines Körpers ab, ohne eine Antwort zu erwarten: „Sind Ihre Füße gut geerdet? Wie nehmen Sie Ihre Sprunggelenke, Ihre Knie, Ihre Hüften wahr? Belasten Sie beide Pobacken gleich – oder vielleicht eine mehr? Können Sie die Schultern niederlassen?“ Vom Lenken des Atems sagt er nix. Und ich bin erleichtert. Ich hatte erwartet, in einem vorgegebenen Rhythmus atmen zu müssen.

Lautes, bewegungskoordiniertes Schnaufen – so, wie man es vom Yoga kennt, wo ich immer grandios versage, weil ich schon damit überfordert bin, sämtlich Gliedmaßen halbwegs korrekt nach Anleitung des Lehrers zu bewegen. Doch hier darf mein Atem machen, was er will. Es gibt keine Versuche, ihn zu kontrollieren oder zu dressieren. In Fallers „Ganzheitliches Atemerleben“-Stunde soll ich bloß am Ende jeder Aktion nachspüren. „Wo ist der Atem jetzt? Wie tief geht er? Wo bzw.wie war er, während die Bewegung ausgeführt wurde?“

Oft tut nicht mehr die Verletzung weh. Sondern die Erinnerung daran.

Norbert Faller, Traumatherapeut

So halten wir es etwa fünfzehn Übungen lang. Ich strecke meine Arme seitlich von mir weg, räkle mich, erst die linke Körperhälfte, dann die rechte, um einen Vergleich zu spüren. Ich rolle meine Füße hin und her, ohne den Bodenkontakt zu verlieren. Ich bewege meinen Vorfuß auf und ab und gebe beim Ausatmen erst ein lautes „L“ und dann ein „U“ von mir. „Lllluuuuuuuuuu“, tönt es aus meiner Kehle. Meine Stimme klingt animalisch fremd, das Ganze kostet mich Überwindung. Aber wenigstens der Unterkiefer lockert sich. Bei Übung neun spüre ich Widerstand. Der Fokus liegt auf meinem Becken. Ich soll mein Gewicht im Sitzen abwechselnd auf die eine, dann auf die andere Hinterbacke verlagern, während mein Oberkörper in die Gegenbewegung geht.

Norbert Faller zeigt die Übung mit geschmeidigen Bewegungen vor, ich kämpfe beim Nachmachen mit Ganzkörpersteifheit – aber vor allem mit meinem inneren Kontrollfreak. Mein Unterleib ist seit jeher mein Stresszentrum, ich bin ein Bauchmensch, war als Kind Bettnässerin und habe mir obendrein vor Jahren bei einem Reitunfall das Steißbein abgeknickt. „Links und rechts“, gibt Faller einen Takt vor. Alles in mir sträubt sich, gleichzeitig bricht es etwas in mir auf.

Als ich meinem Atemtrainer beichte, dass ich eine Art Vermeidungshaltung einnehme, um nur ja mein Steißbein nicht weiter zu beleidigen, sagt er: „Das ist die Befürchtung.“ Er formuliert es nicht als Frage. Sondern als Feststellung. Und ich weiß, was er meint. Oft tut nicht mehr die Verletzung weh. Sondern die Erinnerung daran – und zu überprüfen, wie es schmerztechnisch um meinen Wirbelsäulenfortsatz wirklich steht, kann nicht schaden.

Und plötzlich ... Freiheit

Wenige Übungen später – ich fokussiere auf meinen Oberkörper und beziehe meine Stimme mit ein, diesmal mit einem Öööuuuuuu – geht plötzlich ein sanfter Zisch durch meinen Körper. So, als würde sich ein Ventil öffnen. Mein Zwerchfell scheint offenbar endlich frei schwingen zu können, denn mein Atem fließt wieder in Richtung Bauchraum. Faller lächelt wissend. Manchmal kommt der Atem erst in die Tiefe, wenn sich in anderen Körperbereichen etwas löst, lerne ich.

Und ich bekomme erklärt, dass der Atem nicht nur durch Bewegung beeinflusst wird, sondern selbst Bewegung ist. Erreicht diese Atembewegung gewisse Körpergegenden nicht von selbst, kann man sie durch gezielte Stimulationen – z.B. Berührung, Bewegung oder Einsatz der Stimme – dorthin locken. Bei einer optimal funktionierenden Atmung sei die Atembewegung am deutlichsten knapp unterhalb des Nabels spürbar, dem sogenannten Atempulspunkt. Von hier breitet sich die Atembewegung im ganzen Körper aus. Die Middendorf-Methode basiere weiters darauf, das Atmen nicht vom Denken her zu steuern.

Ich lasse meinen Atem kommen, ich lasse ihn gehen und warte, bis er von selber wiederkommt.

Ilse Middendorf, Atemtherapeutin

Ilse Middendorf selbst sprach von „erfahrbarem Atem“. „Ich lasse meinen Atem kommen, ich lasse ihn gehen und warte, bis er von selber wiederkommt“, lautete ihr Leitsatz. Was sie meint, ist mir klar. „Ob ich das im Alltag schaffe, weiss ich nicht“, sage ich. Faller erzählt mir von einem Topmanager, den er gerade betreut. Die Atemarbeit erziele gute Erfolge bei ihm. Allerdings habe der Manager Angst, im „neuen“, entspannten Atemmodus sein enormes Arbeitspensum nicht mehr zu schaffen.

Leben ohne Schnaufen

Hege ich diese Angst auch?, frage ich in mich hinein. Kann ich nur leisten, wenn ich schnaufe, schnaufe, schnaufe? Nach der Verabschiedung setze ich mich wieder an den Computer. Ein Absatz einer Story, der mich gestern fast den Computer aus dem Fenster werfen ließ, geht mir nun wesentlich leichter von der Hand. Ich will nicht schnaufen, gebe ich mir schließlich selbst die Antwort. Ein Atemzug nach dem anderen. Alles wird sich finden. Und an der Übung, die mich rebellieren ließ, bleibe ich dran. Gleich morgen werde ich mein Becken von einer Seite auf die andere wiegen.

Wie schickt mich mein Atmen auf Reisen?

Durch die Nase zu dir selbst. Holotropes Atmen? Vollatmung? Rebirthing? Atmen ist zum Selbsterfahrungs-Trend geworden. Was irgendwie auch logisch ist: Jeder beherrscht es (und obendrein ist es für jeden absolut kostenlos). Fünf Techniken für vielversprechende innere Reisen.

  • Was ist ... Nasenwechselatmung? Vereinfacht gesagt, atmet man langsam durch ein Nasenloch ein und durch das andere aus. Ein Finger hält dabei sanft das „inaktive“ Nasenloch zu. Mit jedem Atemzug wird abgewechselt. Diese Technik, die im Yoga als Nadi Shodhana Pranayama bekannt ist, soll helfen, beide Gehirnhälften auszugleichen und das innere Gleichgewicht zu stärken. Klingt wie Eso-Schmeso? Mitnichten, sogar Hillary Clinton erklärt im Buch über ihre Wahlniederlage, dass ihr genau diese Atemmethode aus dem Tief geholfen hat.

  • ... Vollatmung? Hier spielen alle drei Atemräume – Bauchatmung, Flankenatmung und Brustatmung – perfekt zusammen. Man spricht auch von yogischer Vollatmung oder Drei-Phasen-Atmung. Konkret wölbt sich beim Einatmen nicht nur der Bauch nach oben, auch Brustkorb und Flanken dehnen sich aus. Beim Ausatmen senken sich zunächst die Schlüsselbeine, dann der Brustkorb und zuletzt die Bauchdecke. Die Vorteile der Vollatmung: Sie versorgt alle Zellen optimal mit Sauerstoff und massiert obendrein unsere Organe, denn beim Einatmen bewegt sich das Zwerchfell nach unten und komprimiert die Bauchorgane, beim Ausatmen lässt es wieder los.

  • ... Holotropes Atmen? Diese Atemtechnik, die auf schnelles und tiefes Atmen – also bewusst herbeigeführte Hyperventilation –, auf spezielle Trommelmusik und auf Druckmassagen setzt, wird als drogenfreie Alternative zu LSD gehandelt. Kurz: Sie soll bewusstseinserweiternde Zustände ermöglichen, in denen sich etwa einschneidende Erlebnisse aufarbeiten lassen. Begründet wurde die Technik vom tschechischen Psychiater Stanislav Grof. Rein biologisch kommt es bei Hyperventilation zu einem veränderten pH-Wert des Blutes und zu einer geringeren Durchblutung des Hirns, was das Tor zum Unterbewusstsein öffnen soll. Eine holotrope Atemsitzung dauert mehrere Stunden.

  • ... Rebirthing? Wiedergeburt durch Atmen? Rebirthing-Urvater Leonard Orr befand: Ja, das geht. Er war ein Anhänger des zirkulären Atems, also des Ein- und Ausatmens ohne Pause, was eine Tiefenentspannung und Selbsterfahrungsreise verspricht. Rebirthing basiert auf der Theorie, dass die eigene Geburt ein traumatisches Ereignis gewesen sei. Durch die Kreisatmung könne man – unter Anleitung eines Therapeuten – verschüttete Erinnerungen und Gefühle ins Bewusstsein zurückholen und auflösen.

  • ... Herzkohärenz? Diese Technik ist auch als 3-6-5-Atmung bekannt und erlebte in den 1990er-Jahren einen Hype. Sie zielt darauf ab, durch Atmen in einer bestimmten Frequenz den Herzrhythmus zu regulieren und die Aktivitäten des sympathischen und des parasympathischen Nervensystems zu synchronisieren, sprich: psychisch und physisch ausgeglichener zu werden. Die gängigste 3-6-5-Übung lautet: 3-mal am Tag, 6 Atemzüge pro Minute (ein Atemzug alle 10 Sekunden, wobei Einatmung und Ausatmung gleich lang dauern sollen), 5 Minuten lang. Als Vorteile werden Reduktion des Stresshormons Cortisol und ein niedrigerer Blutdruck genannt.

Sich des Atems bewusst zu werden ist eine Möglichkeit, im gegenwärtigen Augenblick anzukommen.

Thích Nhất H.anh, buddhistischer Mönch

Kann richtig atmen wirklich heilen?

Atme sanfter und lebe gesünder. ... sagt die Buteyko-Methode, eine Atempraktik, die von einem ukrainischen Arzt entwickelt wurde und nicht nur bei Asthma oder Schnarchen zum Einsatz kommt. Wie das Ganze funktioniert und warum ein Klebeband über dem Mund unser Wohlbefinden steigern kann, erklärt der Münchner Buteyko-Trainer Ralph Skuban.

Wer war Buteyko? Der ukrainische Arzt Konstantin P. Buteiko (1923–2003) erforschte in den 1950er-Jahren Atemmuster und kam zum Schluss: Schweres Atmen ist nicht nur eine Begleiterscheinung vieler Krankheiten. Eine dauerhaft verstärkte Atmung – sei es durch Stress, Mundatmung, falsche Körperhaltung – kann dazu führen, dass man überhaupt erst krank wird. Er selbst litt unter lebensgefährlichem Bluthochdruck und bekam diesen erst durch eine reduzierte Atmung wieder in den Griff. In Großbritannien, Australien und Russland ist Buteyko als Asthma-Therapie anerkannt, bei uns nur als komplementäre Methode.

Für die Buteyko-Methode, so heißt es, soll ich mir anschauen, wie ein Baby atmet. Warum?
Weil ein Neugeborenes instinktiv richtig atmet: sanft und langsam durch die Nase. Babys können noch nicht durch den Mund atmen. Dabei hebt und senkt sich die Bauchdecke, der Atem geht in die Tiefe. Man nennt das Zwerchfellatmung. Langsam, sanft, durch die Nase und in den Bauch hinein.

Klingt ja nicht so schwer. Wie atmet man als Erwachsener?
Ein Großteil der Menschen hat diese natürliche Art zu atmen leider verloren, etwa durch Stress, Bewegungsmangel oder überheizte Räume. Viele befinden sich in der Überatmung, nehmen also mehr Luft zu sich als nötig. Ihr Atem ist geräuschvoll und geht in die Brust. Diese Atemgewohnheiten machen uns auf Dauer krank: Bluthochdruck, Asthma, Panikattacken, Schlafprobleme, chronische Erschöpfung und vieles mehr sind die Folgen.

Wir atmen also mehr, als wir sollten? Aber was ist so schlecht an viel Luft?
Hie und da ein großer Atemzug ist okay, vor allem beim Sport. Generell aber bedeutet gesundes Atmen, dass die Atemmenge jederzeit der Stoffwechselsituation unseres Körpers entsprechen soll. Im Ruhezustand braucht ein Erwachsener etwa vier bis sechs Liter Luft in der Minute. Asthmatiker zum Beispiel oder Menschen mit viel Stress atmen eine viel größere Menge und haben am Ende dennoch das Gefühl, aus der Puste zu sein. Das hängt mit dem Kohlendioxid im Blut zusammen.

Was macht dieses Kohlendioxid mit uns?
Viele sehen CO2 nur als Abfallprodukt unserer Atmung, aber es ist weitaus mehr als das. CO2 ist lebensnotwendig. Es löst den Atemantrieb aus und sorgt dafür, dass der Sauerstoff im Blut in die Zellen abgegeben wird. CO2 wirkt zudem entspannend auf die Muskulatur in den Atemwegen und Blutgefäßen. Wenn wir mehr atmen als notwendig, entsteht durch das verstärkte Ausatmen ein Mangel an CO2, und die empfindliche Balance von CO2 und Sauerstoff geht verloren. Das reduziert die Durchblutung und auch die Sauerstoffabgabe an die Zellen.

Wie bringt man sich selbst bei, „weniger“ zu atmen? Mit Luftanhalten?
Nein, ganz und gar nicht. In einem ersten Schritt wartet man nur entspannt darauf, wann der Impuls kommt: „Ah, jetzt würde ich gerne wieder einatmen.“ Bei der Buteyko-Methode sprechen wir hier vom Ermitteln der Kontrollpause, der sogenannten CP. Sie ist ein wichtiges Messinstrument. Man kommt ein paar Minuten zur Ruhe, atmet normal aus, hält sich die Nase zu und wartet, bis der erste Atemimpuls kommt. Kranke Menschen haben eine kurze Kontrollpause, Asthmatiker oft unter zehn Sekunden. Atemgesunde haben eine CP von 25 Sekunden, 40 sind optimal. Die CP spiegelt unsere CO2-Toleranz wider. Haben wir uns eine Überatmung angewöhnt, ist sie niedriger.

Ich setze mich also hin und fühle, wie lange ich es ohne Einatmen gut aushalte?
Genau. Bis man hier zu aussagekräftigen Werten kommt, ist aber etwas Übung notwendig. Die eigentlichen Atemübungen bei Buteyko drehen sich dann darum, die Menge Luft, die man gewohnheitsmäßig atmet, systematisch zu reduzieren. Wir trainieren die Bereitschaft unseres Gehirns, eine normale Menge CO2 zu tolerieren. So können auch Asthmatiker frei werden von Symptomen und Medikamenten.

Welche Risiken birgt das Verlängern der Atempausen?
Für Schwangere oder Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen empfiehlt sich ein willentliches Verlängern der Atempausen nicht. Aber an dieser Stelle möchte ich noch einmal betonen: Die Luft anzuhalten, das ist nicht Buteyko. Vielmehr steht ein entspannt tolerierbarer „Lufthunger“ im Mittelpunkt. Viele Menschen bekommen dieses Gefühl schon dann, wenn sie physiologisch richtig atmen, also durch die Nase, in den Bauch, sanft, langsam und leise. Das bringt sie an die Grenze ihrer CO2-Toleranz. Dort gezielt immer wieder ein paar Minuten zu bleiben ist der eigentliche Kern der Methode. Man baut das systematisch auf.

Sie sagen, dass viele Menschen mit dysfunktionaler Atmung durch den Mund atmen. Was ist falsch daran?Mundatmung hat schlimme Folgen für die Gesundheit. Wir verlieren die vitalen Funktionen der Nase: Die Atemluft wird nicht gereinigt, befeuchtet und erwärmt. Wir sind mit einer Milliarde Partikel pro Tag konfrontiert, die bei Mundatmung in die Lunge gelangen. In unseren Nebenhöhlen wird zudem Stickstoffmonoxid gebildet, das nachweislich gegen Bakterien und Viren wirksam ist, ein Umstand, der gerade in Zeiten von Corona wichtiger ist denn je. Auch mit Maske sollte man immer durch die Nase atmen, um davon zu profitieren. Mundatmung birgt zudem Risiken für Infektionen und Atemwegserkrankungen. Außerdem zerstört sie die Mundflora und die Zahngesundheit.

Wie lerne ich, wieder mehr durch die Nase zu atmen? Soll ich mir, salopp gesagt, einfach den Mund zukleben?
Für nachts ist es auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, wenn man es richtig macht.

Ernsthaft?
Ja. Das Taping ist eine lange erprobte Praxis bei Buteyko, die in den USA mittlerweile auch in einer großen Studie erforscht wird. Für Kleinkinder verbietet sich die Methode aber, da gibt es andere Lösungen. Ich selbst wende das Taping nachts an. Meine Nasenscheidewand ist schief, als Kind hatte ich lebensbedrohliche Bronchitis. Diese Faktoren haben dazu geführt, dass ich nachts in die Mundatmung übergegangen bin. Seit ich tape, schlafe ich wieder ruhig durch und fühle mich morgens ausgeruht. Meine Frau und viele meiner Klienten praktizieren das ebenso, es ist eine seriöse Methode.

Ist das Tapen nicht beklemmend?
Richtig angewandt, kann nichts passieren. Ich rate Anfängern, es erst einmal tagsüber zu versuchen. So wird einem bewusst, wie oft man dazu neigt, in die Mundatmung zu gehen. Für gesundes Atmen achtet man aber auch noch auf andere Dinge: Ernährung, Sport, Stress und Lifestyle. Man kann nicht jedes Problem mal schnell „wegatmen“ – aber der Atem gehört auf jeden Fall zu den mächtigsten Werkzeugen für ein gesundes Leben.

Dr. Ralph Skuban ist Atemtrainer, Yogalehrer-Ausbildner und Autor des Buchs „Die Buteyko-Methode“ (Crotona Verlag). Er leitet die skuban-akademie.de in Bichl bei München und bietet Buteyko-Atemkurse an.

Die Verdauung in Schwung bringen

Der „Holzhacken“- oder „Bauchdrücken“-Methode. Die Münchner Atemtherapeutin Helga Segatz stellt in ihrem Buch „Einfach atmen – Der leichte Weg zur inneren Ruhe“ (Rowohlt Verlag) zwei Atemmethoden vor, die einer Darmträgheit entgegenwirken und die Durchblutung im Bauchraum anregen. Mehr Infos: atemmassage.de

Atemübung: Holzhacken
Illustration einer Frau, die einen Baum fällt

Foto: Lara Hies

. Holzhacken

  1. Mit leicht gegrätschten Beinen aufrecht hinstellen.

  2. Die Handinnenflächen aneinanderlegen und die Arme über den Kopf heben.

  3. Lass mit einem lauten „Ha“ die Arme nach unten sinken – so, als wolltest du einen Holzkeil spalten.

  4. Mit dem Einatmen die Arme wieder heben. Sag dir dabei: „Mein Darm nimmt Lebenskraft aus der Erde auf und wird damit gut arbeiten.“ Alternativ kannst du auch sagen: „Ich bin gesund, und mein Darm ist es auch.“

  5. Wiederhole die Übung täglich drei- bis fünfmal.

. Bauchdrücken

  1. Lege dich bequem mit dem Rücken auf eine weiche Decke, und schiebe dir ein Kissen unter den Kopf.

  2. Unter den Knien wird eine Knierolle oder eine zusammengerollte Decke platziert. So sorgst du dafür, dass deine Bauchdecke entspannt bleibt.

  3. Lege nun die Hände unterhalb des Nabels auf den Bauch, und beobachte deinen Atem.

  4. Fühle, wie die Hände beim Einatmen angehoben werden und sich beim Ausatmen wieder senken. Wenn du bereit bist, lass das nächste Ausatmen mit einem langen „Huuu“ durch den Mund ausströmen, und verstärke mit den Händen die Abwärtsbewegung des Bauches.

  5. Lass den darauffolgenden Einatem gegen den Widerstand deiner Hände einströmen, und drücke ungefähr fünf Sekunden lang nach. Du solltest dabei keine Schmerzen verspüren.

  6. Löse den Druck der Hände, und atme entspannt ein paar Züge in deinem Atemrhythmus.

  7. Wiederhole die Übung ungefähr zehnmal. Du stärkst dadurch den Dünndarm und förderst die Durchblutung im Bauchraum.

Atemübung: Bauchdrücken
Illustration einer Frau, die am Boden liegt, atmet und ihre Hände auf dem Bauch liegen hat.

Foto: Lara Hies

Im Alltagsstress gelassen bleiben

Der „Türöffner“- und der „Wortwiederholungs“-Methode. Nervosität vor einer Prüfung. Bauchflattern vor einer Gehaltsverhandlung. Stressgeplagte Gesichter rundherum. Dr.Thomas Rampp, Oberarzt an der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin im deutschen Essen, verrät in seinem Buch „Immunbooster Atmen – Mit praktischen Übungen die Heilkraft des Atems entdecken“ (Verlag Knaur MensSana) Miniübungen, die den Atem mit der Aufmerksamkeit verbinden und uns gelassener machen.

Nachdenkliche Frau, die sich auf ihren Atem konzentriert
Illustration einer atmenden Frau

Foto: Lara Hies

. Atmung mit Wortwiederholung

  1. Atme durch die Nase ein und dann langsam und konzentriert aus, ebenfalls durch die Nase.

  2. Sprich beim Ausatmen in Gedanken langsam ein zweisilbiges Wort, zum Beispiel „Ruhe“.

  3. Wiederhole das, sooft du willst.

. Bewusstes Öffnen einer Türe

Wann immer du eine Türklinke berührst, um die Türe zu öffnen (und niemand von hinten drängelt), nimm ganz bewusst drei tiefe Atemzüge, bevor du die Türe öffnest und den Raum betrittst. Ganz besonders hilfreich ist diese Übung vor einem wichtigen Meeting oder Gespräch.

Öffnen einer Tür
Illustration einer offenen Tür

Foto: Lara Hies

Wut und Ärger abschütteln

Die Druck-Methode. Bei Wut und Ärger neigen wir dazu, bestimmte Körperpartien anzuspannen und den Atem anzuhalten. „Diese Emotionen kommen aus dem Gefühl der Gefährdung heraus, und das macht sich körperlich bemerkbar. Vor allem in den Armen und Beinen sind wir oft sehr geladen. Man will aufstampfen, die Fäuste ballen“, erklärt der Atempädagoge Johannes Zemanek. „Deshalb kann es helfen, die entsprechenden Gliedmaßen sanft auszustreichen und dann mit gezielter An- und Entspannung den aufgestauten Druck zu lösen.“ Eine Dauerlösung ist das aber nicht: Nach einer ersten Beruhigung wär’s wichtig, sich mit der wahren Ursache des Ärgers auseinanderzusetzen...

Beinmassage
Illustration eines Unterschenkels

Foto: Lara Hies

. Druck mit dem Fuß abgeben

  1. Mit beiden Händen langsam ein Bein hinunterstreichen – und wieder zurück. Die Bewegung nur so weit ausführen, wie sie angenehm ist, und das Ganze fünf- bis zehnmal wiederholen.

  2. In aufrechter Position nachspüren: Fallen mir Unterschiede auf? Fühlt sich das massierte Bein anders an als das nichtaktivierte?

  3. Nun mit dem Bein, das massiert wurde, beim Ausatmen sanft Druck in den Boden abgeben, beim Einatmen Druck wieder lösen. Den Atem stimmlos durch den Mund entlassen, und die Übung fünf- bis zehnmal wiederholen.

  4. Wie stehen die Füße nun am Boden? Spürst du Unterschiede?

  5. Das Ganze noch einmal mit dem zweiten Bein machen und ausgiebig nachspüren.

Druck mit den Händen abgeben

  1. Mit der linken Hand von der Schulter aus mehrmals den rechten Arm hinunterstreichen. Dabei Hände und Finger langmachen und leicht dehnen.

  2. Nachspüren: Gibt es Unterschiede zwischen beiden Armen?

  3. Nun den anderen Arm ausstreichen.

  4. Beide Handflächen auf Höhe des Brustbeins aneinanderlegen (die Hände wirken dabei wie in Gebetsposition). Beim Einatmen Handflächen sanft aneinanderdrücken, beim Ausatmen Druck lösen.

  5. Nachspüren: Wie fühlt sich der Oberkörper an? Wie fließt der Atem? Haben sich Atmung und Stimmung beruhigt?

Richtig atmen: Hände gegeneinander pressen
Illustration einer Frau, die die Hände vor dem Brustkorb gegeneinanderpresst.

Foto: Lara Hies

carpe diem-Tipp: Wer einen Atemtrainer in seiner Nähe sucht, kann auf atemaustria.at beim Berufsverband der AtempädagogInnen Österreich nach Bundesländern sortiert suchen.

Zahlen und Fakten, um unsere Atmung besser zu verstehen

  • 1 Leben = rund 630 Millionen Atemzüge – 16 Atemzüge pro Minute, 960 Atemzüge pro Stunde, 23.040 Atemzüge pro Tag, 8.409.600 Atemzüge pro Jahr macht ein erwachsener Mensch im Durchschnitt. Nimmt man eine Alterserwartung von 75 Jahren an, sind das über 630 Millionen Atemzüge pro Leben, genauer 630.720.000. Oder anders gesagt: 630 Millionen Möglichkeiten, um achtsamer zu sein.

  • 40-mal Oooh – Während wir normalerweise rund 16 Atemzüge pro Minute machen, atmen wir bei einem Orgasmus rund 40-mal ein und aus (und der dauert selten länger als 60 Sekunden).

  • Linkes oder rechtes Nasenloch? – Im Laufe eines Tages ist einmal das rechte Nasenloch aktiver, dann das linke (einfach den Test mit einem angefeuchteten Finger machen – wo ist der Luftzug gerade stärker zu spüren?). Diesen Effekt nennt die Forschung „Nasenzyklus“, die Nasenlöcher schwellen rund alle zwanzig Minuten an und ab. Dominiert auf Dauer nur ein Nasenloch, ist Vorsicht angesagt, für die Gesundheit ist ein ausgewogenes Verhältnis nötig.

  • Rechtes Nasenloch = Aktivität – Dominiert das rechte Nasenloch, aktiviert das den Sympathikus, sprich: jenen Teil des vegetativen Nervensystems, der für schnelleren Herzschlag und mehr Schweißabsonderung steht. Der Sympathikus bereitet uns darauf vor, zu fliehen.

  • Linkes Nasenloch = Entspannung – Ist das linke Nasenloch inpuncto Aktivität vorherrschend, steigt die Aktivität des Parasympathikus an, der die Verdauung anregt und für Entspannung sorgt. Atmen ist die einzige Körperfunktion, in die wir bewusst eingreifen können, obwohl sie unbewusst und vollautomatisch abläuft.

  • Die Lunge schwimmt – Die Lunge ist das einzige menschliche Organ, das auf Wasser nicht untergeht. Grund: In einigen Teilen des Lungengewebes (z. B. in den Bronchien) ist Luft enthalten und dadurch die Gewebedichte verringert.

  • Der Kerzen-Test – Wie gut ist es um das eigene Lungenvolumen bestellt? Schafft man es, aus einem Meter Distanz eine Kerze auszublasen, ist das Lungenvolumen top. Im Normbereich liegt, wer das Ausblasen der Kerze noch bei voll ausgestrecktem Arm hinkriegt. Alles darunter weist auf geringes Lungenvolumen bzw. verengte Atemwege hin. In diesem Fall empfiehlt sich, das Testergebnis mit einem Arzt abzuklären.

  • So viele Liter Luft brauchen wir pro Stunde beim...
    Schlafen: 280 Liter
    Stehen: 450 Liter
    Gehen: 1.000 Liter
    Radfahren: 1.400 Liter
    Schwimmen: 2.600 Liter
    Bergsteigen: 3.100 Liter
    Merke: Je anstrengender eine Sache, desto mehr Sauerstoff ist erforderlich, damit die Muskelzellen arbeiten können.

  • Der Schluckreflex schaltet die Atmung aus – Während des Schluckens setzt unsere Atmung aus. Versagt dieser Mechanismus, tritt das typische „Verschlucken“ ein. Nahrungspartikel gelangen in den Kehlkopf– und können nur durch starkes Husten wieder herausbefördert werden.

  • 16 km/h – Beim Niesen wirken starke Kräfte auf den Körper. Die Luft aus dem Nasenkanal ist dabei mit bis zu 16km/h Geschwindigkeit unterwegs.

  • Lachen = intensivere Atmung – Beim Lachen öffnen wir den Mund, die Atemfrequenz vervielfacht sich. Wir atmen tiefer und länger ein, während die Ausatmung in kurzen Stößen erfolgt.

  • 250-mal versus 6-mal – Kolibris atmen 250-mal pro Minute, während ein Elefant in dieser Zeit nur 6 Atemzüge macht. Grund: Kleine Tiere benötigen mehr Sauerstoff als große, denn sie haben eine höhere Herzfrequenz.

  • 1 Laubbaum = 370 Liter Sauerstoff pro Stunde – Ein großer Laubbaum produziert durchschnittlich 370 Liter Sauerstoff pro Stunde – so viel, wie ein Mensch im Ruhezustand pro Stunde aufnimmt.