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Überall hört man Empowerment. Aber was bedeutet der Begriff eigentlich?

„Empowerment bedeutet Selbstermächtigung. Der Begriff kommt ursprünglich aus der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre in den USA, wo es u.a. um Gleichberechtigung von ethnischen Minderheiten und Frauen ging. Er wurde dann in 1980ern vom amerikanischen Sozialwissenschaftler Julian Rappaport weiterentwickelt. Heute steht Empowerment vor allem für die Frage: Wie kann ich Entscheidungen treffen, die mein Leben positiv beeinflussen? Wie kann ich selbstbestimmt leben? Mittlerweile ist das Konzept des Empowerments in vielen anderen Bereichen angekommen – Finanzen, Unternehmensführung, Bildung, Gesundheit…“

Das klingt groß. Was bedeutet Empowerment für mich konkret – in meinem Alltag? Oft fühlt man sich da fremdbestimmt und hilflos, also genau das Gegenteil von „empowered“.

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„Im Alltag bedeutet Empowerment, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben. Es beginnt bei kleinen Dingen: Sich bewusst zu machen, was man jeden Tag gut gemacht hat. Oft übersehen wir unsere kleinen Erfolge und fühlen uns deshalb hilflos. In meiner Praxis erlebe ich oft Menschen, die denken, sie hätten den ganzen Tag nichts geschafft. Dabei ist das nicht wahr. Aufstehen, duschen, Frühstück und die Kinder fertig für die Schule machen – und schaut man auf die Uhr, ist es gerade mal 8 Uhr früh. Diese Anerkennung, auch für die kleinen, scheinbar unbedeutenden Dinge, ist ein erster Schritt zu mehr Selbstbestimmung.“

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Also braucht Empowerment eine gute Dosis Achtsamkeit?

„Ja, Empowerment passiert im Hier und Jetzt. Unser Problem ist nur: Unsere Gedanken kreisen gerne um die Vergangenheit, wo wir z.B. Dinge bereuen. Oder wir sorgen uns um die Zukunft und erleben Angst, weil die Zukunft etwas Unkontrollierbares ist. Für Empowerment ist wichtig, sich auf den Moment zu konzentrieren und zu fragen: Was kann ich JETZT tun? Welche Möglichkeiten und Ressourcen habe ich in diesem Moment? Ich kann vielleicht nicht alles tun, was ich möchte, aber was ist machbar und passt für mich? Auch gut ist, sich jeden Tag ein Ziel zu setzen, das nur für einen selbst wichtig ist. Etwas, das nichts mit den Erwartungen von außen zu tun hat.“

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Aber gerade sich von äußeren Erwartungen zu lösen, ist oft leichter gesagt als getan.

„Stimmt, denn wir wachsen mit vielen Erwartungen auf, sei es durch Familie oder Gesellschaft. Viele Menschen fühlen sich schuldig, wenn sie Grenzen setzen. Sie fragen sich: „Darf ich das? Bin ich egoistisch?“ Aber genau hier liegt der Schlüssel zum Empowerment: Grenzen zu setzen und bewusst zu überlegen, was wirklich in meinem Einflussbereich liegt.“

Wie beginnt man den Prozess?

„Indem man sich z. B. fragt: Warum fällt es mir so schwer, eine Grenze zu setzen? Welche Angst oder Schuld steckt dahinter? Wer etwa mit dem tiefen Glaubenssatz aufwächst: „Ich bin nichts wert“, wird es sehr schwer haben, Selbstbestimmung zu leben. Da wird es auch nicht helfen, wenn jemand sagt: „Setz Grenzen! Komm, sei stark!“

Es geht darum, die Muster dahinter zu verstehen. Das der erste Schritt zur Veränderung. Welche Überzeugungen habe ich über mich selbst? Und welche davon sind wirklich wahr? Das ist Arbeit, das geht nicht von Heute auf Morgen. Je enger die Rollen-Schubladen sind, in denen ich stecke, desto anstrengender ist es auch, sich da wieder frei zu boxen.“

Haben Sie eine konkrete Übung, die dabei helfen kann?

„Man kann sich z.B. mal mit einer Tasse Tee hinsetzen – und diesen Tee in aller Ruhe trinken, egal was um einen herum passiert. Und dann beobachtet man sich selbst. Was bewegt denn das in mir? Fühle ich mich nutzlos und nicht gebraucht? Habe ich das Gefühl, für das Nichtstun Ärger zu bekommen? Aha, das ist ja interessant … Viele von uns definieren sich über ihr Tun. Von wegen: Wer viel schafft, ist viel wert. Vor allem Frauen rutschen durch Job, Haushalt und Kinder schnell ins Multitasking. Die Übung kann helfen, aufzuzeigen: Oft übernehmen wir Verantwortung für Dinge, die eigentlich nicht in unserem Bereich liegen. Und wenn wir uns immer wieder fragen, was wirklich in unserer Verantwortung liegt und was nicht, dann können wir uns viel Stress ersparen und uns auf das Wesentliche konzentrieren.“

Was braucht Empowerment noch? Welche Voraussetzungen sollten gegeben sein, um in eine selbstbestimmtere Zukunft zu gehen?

„Die Grundbedürfnisse müssen erfüllt sein: Wir brauchen Sicherheit, ein Dach über dem Kopf, Nahrung … Menschen in schwierigen Lebenssituationen – z. B. in Kriegsgebieten oder bei Obdachlosigkeit – haben es viel schwerer, Empowerment zu leben. Sie müssen wesentlich mehr Kraft dafür aufbringen.

Zu den Grundbedürfnissen zählt aber genauso auch das Gefühl, geliebt zu werden. Wenn wir in einer Beziehung leben und beim Ansprechen der eigenen Bedürfnisse immer wieder zu hören bekommen: „Na geh, was redest du schon wieder?“, dann wird es ebenfalls schwer – aber nicht unmöglich – selbstbestimmt zu werden. Empowerment braucht Zeit, Geduld und manchmal Unterstützung von außen, etwa durch Therapie.“

Wie könnte der Fahrplan in Richtung selbstbestimmtes Leben aussehen? Welche drei Punkte sind Ihrer Meinung nach wichtig?

„Ein sehr praktischer Schritt ist es, eine Liste mit den eigenen Werten zu erstellen. Was ist mir wirklich wichtig? Was hat Bedeutung in meinem Leben? Was sind die drei Dinge, für die ich aufstehen und „kämpfen“ würde? Und dann kann man daraus ableiten: Wo kann ich diese Werte schon leben, und wo fehlt mir noch die Kompetenz? Das schafft Klarheit und hilft, die nächsten Schritte zu planen.“

Punkt Nummer 2?

„Empowerment wird gerne damit verwechselt, dass man alles alleine schaffen muss. Man sieht es wie eine Art Pseudo-Unabhängigkeit, von wegen: starker Mann, starke Frau. Aber das ist nicht Empowerment. Wir Menschen sind Rudelwesen. Wir brauchen einander. Wahre Stärke zeigt sich oft im Miteinander. Es geht darum, sich Hilfe zu holen, wenn man sie braucht. Wer kann mir jetzt helfen? Und wenn es nur die Freundin ist, der man sich einfach mal anvertraut.“

Und der dritte Faktor, der für Empowerment wichtig ist?

„Es gilt, sich vom Perfektionsgedanken zu lösen. Viele denken, dass Empowerment mit Perfektion einhergehen muss. Aber wer definiert Perfektion eigentlich? Man merkt schnell: Perfektion liegt in meinem eigenen Ermessen – und hängt nicht von äußeren Umständen ab. Obwohl man gerne denkt: Wenn ich diesen Meilenstein erreiche oder die 1-Million-Marke knacke, dann bin ich empowered, dann fühle ich mich sicher, geliebt, unabhängig. Aber Empowerment hat nichts mit materieller Anhäufung oder Erfolg im Beruf zu tun.“

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Welche Rolle spielen Affirmationen und positive Selbstmotivation im Empowerment?

„Affirmationen können eine sehr hilfreiche Technik sein, um den inneren Dialog zu verändern. Oft haben wir sehr negative Gedanken über uns selbst, wie: „Ich schaffe das nicht. Ich bin nicht gut genug.“ Diese Gedanken beeinflussen unsere Entscheidungen und unser Handeln. Wenn wir anfangen, positive Fragen zu stellen – etwa: „Was habe ich heute gut gemacht?“ oder „Worin bin ich stark?“ – verändert das unsere Denkmuster.“

Also eine Art hilfreiche Flunkerei?

„Es ist wichtig, dass die Affirmationen realistisch sind. Wenn jemand mit tiefen Selbstzweifeln zu kämpfen hat, kann es kontraproduktiv sein, sich selbst vorzusagen: „Ich bin liebenswert, ich kann alles schaffen“. Weil das dieser Person eben in diesem Moment nicht glaubhaft erscheint. Besser wäre eine Affirmation, die näher an der Realität liegt, wie: „Ich gehe jeden meiner Schritte mit Mut und das tut mir gut.“ Das Ziel ist, Affirmationen zu wählen, die man wirklich glauben kann.“

Zum Abschluss: Was sollte ich über Empowerment unbedingt wissen?

„Der vielleicht wichtigste Punkt ist, dass Empowerment von innen kommt. Es hängt nicht von äußeren Umständen ab. Widerstände löse ich auf, indem ich meine Erwartungen an mich mal etwas realistischer mache. Und: Wir müssen verstehen, warum wir Dinge tun oder eben nicht tun. Wieso wir bestimmte Entscheidungen treffen oder auch nicht. Auch wenn die Welt chaotisch ist, können wir innere Stärke finden, indem wir uns darauf konzentrieren, was wir selbst beeinflussen können. Jeder von uns hat Ressourcen in sich, die es zu entdecken gilt – und diese Ressourcen geben uns die Kraft, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.“

Zur Expertin:

Katharina Pommer ist angewandte Psychologin, Paar- und Bindungstherapeutin, Podcasterin und u.a. Autorin des Buchs „Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen – Wie du lernst, dich nicht mehr für alles verantwortlich zu fühlen“ (Goldegg Verlag). Sie weiß, wie man eine zu große Mental Load abwirft und sich nicht in die Rolle des People Pleasers drängen lässt. Mehr Infos: mindshift-leadership.com