In Partnerschaft mit

Vermutlich hast du das – in der einen oder anderen Form – auch schon erlebt: Du bist im Bett (und zwar nicht zum Schlafen), und plötzlich schleichen sich Gedanken ein wie: „Mache ich das jetzt richtig?“, „Was, wenn mein Bauch/Hintern/mein Körper in dieser Position unvorteilhaft aussieht?“, „Wie spreche ich an, dass mich diese konkrete Spielart von Sex nicht wirklich zum Orgasmus bringt?“

Kurz gesagt: Beim Thema Sex schwingen oft Unsicherheiten und Ängste mit. Aber warum eigentlich? Und was können wir tun, um uns sicherer, selbstbewusster und selbstbestimmter zu fühlen? Sexualtherapeut Dr. Aleš Svoboda von der Sexualmedizinischen Praxis Graz erklärt, wie wir Sexual Empowerment leben können – und warum das alles gar nicht so kompliziert sein muss, wie es manchmal scheint.

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Was ist Sexual Empowerment überhaupt?

„Bei Sexual Empowerment geht es um mehr als nur sexuelle Freiheit. Generell haben wir heutzutage mehr sexuelle Freiheit denn je. Wir können, zumindest theoretisch, alles ausleben. Aber das heißt nicht automatisch, dass wir uns auch selbstbestimmt fühlen. Dafür bedarf es mehr. Sexual Empowerment bedeutet: Ich treffe kompetent und selbstbewusst authentische Entscheidungen für meine Sexualität, die mich glücklicher machen und niemandem schaden. Ich habe gelernt, mich und meine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen,“ erklärt Svoboda. In anderen Worten: Sexual Empowerment geht über das hinaus, was im Schlafzimmer passiert. Es betrifft das gesamte Wohlbefinden und die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse zu verstehen und zu äußern.

Die 3 Säulen des Sexual Empowerments

Für ein erfülltes Sexualleben spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Svoboda nennt drei zentrale Punkte:

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1. Körperakzeptanz: Ich bin richtig, so wie ich bin

„Das Gefühl eigener Unzulänglichkeit ist der größte Gegner sexueller Zufriedenheit,“ sagt Svoboda. „Egal, was medial oder im Freundeskreis als ‚schön‘ und ‚passend‘ erachtet wird – all diese Kriterien, die ohnehin sehr fragil sind, dürfen nicht darüber entscheiden, ob ich mich in meiner Haut wohlfühle. Denn selbst, wenn ich meinen Körper optimiere, wie es der Mainstream oder wer auch immer will, heißt das nicht, dass ich danach glücklicher werde.“ Kurz: Du bist einzigartig und genau richtig, so wie du bist. Mach dir diesen Umstand regelmäßig bewusst.

2. Kommunikation: Sprich das Thema an, ohne perfekte Wortwahl

„Ohne Kommunikation könnten wir Menschen nicht existieren,“ sagt Svoboda. „Und das gilt auch für die Sexualität.“ Aber wie gelingt‘s? Wie spricht man Themen an, die einen rot werden lassen oder unsere Verletzlichkeit zeigen? Svoboda empfiehlt: Am ehesten klappt das, wenn die Emotionen die Kommunikation nicht steuern. Versuche, klar und sachlich zu bleiben, ohne in alte Streitmuster und Vorwürfe zu verfallen. „Zwischenmenschliche Kommunikation ist keine Raketenwissenschaft. Man muss sich von dem Gedanken lösen, dass man gleich beim ersten Versuch die perfekten Worte finden muss. Die Wortwahl ist gar nicht so wichtig. Viel wichtiger ist, dass man sich überhaupt traut, Dinge anzusprechen. Das ist der Schlüssel.“

Außerdem hilfreich: Halte dir vor Augen, in welchen Situationen offen geäußerte Wünsche schon positiv aufgenommen wurden. Und überlege, warum du vielleicht Angst hast, etwas anzusprechen. „Oft haben wir in der Kindheit nicht gelernt, unsere Bedürfnisse offen auszudrücken.“ Doch als Erwachsene haben wir andere Werkzeuge und mehr Erfahrung, um für uns selbst einzustehen.

Und wo wir schon beim Thema Kommunikation sind: Ein offenes Ohr zu haben, ist ebenso wichtig. Es geht nicht nur darum, eigene Vorstellungen zu artikulieren, sondern auch darum, die Bedürfnisse des Partners oder der Partnerin zu verstehen.

3. Aufklärung: Lesen, um selbstbewusster zu werden

Wir lernen nie aus. Und manchmal braucht’s für besseren Sex ein Fachbuch. Oder ein bisschen Recherche zum Thema. „Es ist erstaunlich, wie viele Menschen noch immer falsche Vorstellungen von grundlegenden Dingen in der Sexualität haben,“ so Svoboda. „Es kursiert viel Unsicherheit zu Themen wie ‚Wie lange muss eine Erektion halten?‘ oder ‚Bin ich frigide – oder einfach nur lustlos?‘“

Svoboda warnt davor, Freunde oder Bekannte als „Norm“ heranzuziehen. „Ich sage dann gerne: Sofern sie nicht Milliarden von Freunden haben, die die Mehrheit der Welt und ihres Geschlechts repräsentieren, lassen Sie sich nicht davon verrückt machen.“

Sich zu informieren und falsche Vorstellungen abzulegen, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Selbstbewusstsein. „Obendrein gibt es die Sexualtherapie oder Sexualberatung, wenn ich mich doch an eine Fachperson wenden möchte“, so Svoboda.

Die Rolle der Selbstliebe: Masturbation hilft!

Auch Masturbation gilt als wichtiger Bestandteil von Sexual Empowerment. Denn: „Wer seinen eigenen Körper kennt und weiß, was ihm gefällt, kann seine Bedürfnisse auch leichter in einer Partnerschaft mitteilen. Selbstliebe ist der beste Trainingsraum, denn sie prägt unsere Sexualität“,so Svoboda. „Erfahrungen wie ‚Okay, ich bin potent‘ oder ‚Ich kann kommen‘ helfen uns, selbstbewusster zu werden. Und man kann dem Sexualpartner dann klarere Hinweise geben und sagen: Bitte berühre mich so oder so.“

Außerdem ist Selbstbefriedigung sowohl gut für die körperliche, als auch für die psychische Gesundheit. „Männer, die häufiger ejakulieren, erkranken statistisch seltener an Prostatakrebs. Und Frauen, die auf Selbstbefriedigung setzen und damit zufrieden sind, erleben eher auch eine zufriedenstellende Paarsexualität,“ so Aleš Svoboda.

Also, wann nimmst du dir Zeit für eine Menage à moi?

Seitenansicht zwei Personen mit angewinkelten Beinen, deren Füße sich berühren,

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Guter Sex braucht … Ooohm

Tausend Dinge gleichzeitig im Kopf. Und dann beim Sex einfach abschalten? Hm. Wird schwierig. Mitunter hört man den Ratschlag, sich schon tagsüber geistig auf Intimität einzustimmen – durch Kopfkino und heiße Chats. Doch Sexualtherapeut Svoboda hält wenig von solchen Übungen, die oft nur zusätzlichen Stress bedeuten können. „Das kann unnötigen Druck aufbauen. Denn wenn der Mann zum Beispiel Probleme hat, eine Erektion zu halten oder die Frau Vaginismus oder Orgasmushemmungen erlebt hat, wird das nicht durch intensiven Wunsch verschwinden.“

Für den Experten ist etwas anderes wesentlich effektiver: „Eine erfüllende Sexualität wird überhaupt erst möglich, wenn wir wissen, wie wir entspannen und entschleunigen können. Und das lernt man am ehesten durch Praktiken wie Meditation, Achtsamkeitsübungen oder Yoga. Diese helfen uns nicht nur im Alltag, sondern auch in Sachen Intimität.“

Sexual Empowerment: Unterschiede kennen und akzeptieren

Was, wenn der Partner oder die Partnerin Wünsche hat, die für mich fremd oder sogar abschreckend wirken? Eine Übung, die hier helfen kann, ist das „ideale sexuelle Szenario“: Jeder Partner schreibt authentisch und offen seine Fantasien und Wünsche auf – um sie dann mit dem anderen zu teilen. Ohne Angst, dass sich das Gegenüber abwendet oder die Beziehung beendet. „Durch das Aufschreiben lassen sich Gemeinsamkeiten erkennen, aber auch viele Unterschiede. Oft entdeckt man z. B.: ‚Hey, wir stehen beide auf Oralsex. Wir machen das aber sehr selten. Das ändern wir‘“, so der Experte. „Und natürlich wird man auch Unterschiede entdecken und sagen: ‚Das ist nicht so meins, das habe ich noch nie probiert und es macht mir ein bisschen Angst. Aber bitte gib mir Zeit. Vielleicht komme ich irgendwann dorthin.‘“

Wichtig sei, in diese Übung ohne Druck zu gehen – aber mit jeder Menge Neugier. Damit habe man die beste Ausgangsposition für eine erfüllende Sexualität.

Zum Experten:

Dr. Aleš Svoboda ist Sexualtherapeut, Sexualberater und Sexualpädagoge der Sexualmedizinischen Praxis Graz und Lehrperson in diesen Bereichen.