„Tanz dich frei“ – Tag 4: So weckst du mit Tanz deine Emotionen
Stress weg tanzen. Mehr Sinnlichkeit zulassen. Die eigenen Ecken und Kanten ausleben. Der Wiener Tanztherapeut Alfred Koch verrät, wie Tanzen dir einen besseren Zugang zu deiner Gefühlswelt verschaffen kann.
Aus deinem freien Tanz lässt sich viel ablesen
Du willst mehr Facetten deiner Persönlichkeit wach kitzeln? Dann: Tanze! Aber nicht so, wie du es in einem Tanzkurs gelernt oder dir beim Partymachen von den coolen Leuten abgeschaut hast. Tanze frei, ganz ohne Plan oder einstudierte Schritte. Folge nur den Bewegungen, die intuitiv kommen und sich gut anfühlen. „Mit freiem, improvisierten Tanz – so wie es in der Tanztherapie passiert – kehren wir das Innere nach außen. Wir bringen zum Ausdruck, was uns sprichwörtlich bewegt, denn Tanzen ist non-verbale Sprache. Noch bevor die Menschheit sprechen konnte, hat sie sich über Gestiken und Bewegungen verständigt“, so der Wiener Tanztherapeut Alfred Koch.
Der Experte weiß auch: Jeder Mensch hat ein ganz individuelles Bewegungsverhalten. „Aus dem freien Tanz lässt sich viel ablesen: Wie viel Platz nehme ich ein? Halte ich mich klein oder erlaube ich mir große, ausladende Bewegungen? Wo gehen meine Bewegungen hin? Sieht das zart, dynamisch oder starr aus? Auch die eigene Wahrnehmung ist wichtig: Spüre ich das, was ich mit den Händen und Beinen mache? Auf welcher Linie bewege ich mich?
All diese Muster können Aufschluss darüber geben: Ist diese Person eher ein kreativer Typ? Oder geht sie lieber auf Nummer sicher, weil sie lieber auf einstudierte, gelernte Bewegungen fokussiert? Liegt ein starker Leistungsanspruch vor und sollte man den zum Thema machen?“ Kurz: Wenn du mehr über dich selbst erfahren willst, filme dich beim freien Tanzen – und schau mit wohlwollendem, nicht urteilendem Blick auf deinen Tanz.
Deine Challenge:
Tanze sinnlich zu Musik
Such dir einen Song aus, der für dich sehr sinnlich klingt und bewege dich entsprechend dazu. Wichtig: Es geht nicht darum, jemand anderem gefallen zu müssen oder „erotisch“ für die Außenwelt zu sein. Es geht um dich. Spüre in deine Hüften hinein, lass die Bewegungen fließen.
Bonus-Aufgabe: Wähle bis zum Sonntag – also die nächsten vier Tage – täglich ein neues Motto aus, zum Beispiel: „Stärke“, „Wut“, „Glücklichsein“ und beweg dich zu Liedern, die dazu passen.
Sinnliche Bewegungen klappen dann, wenn ich mit damit, wie mein Körper gerade ist, wohl fühle.
Alfred Koch, Tanztherapeut in Wien
Aussöhnung mit dem eigenen Körper als Basis
Na, wie war’s? Falls es nicht gleich geflutscht ist oder dir Hemmungen im Weg standen – das geht vielen so, wie auch Alfred Koch aus seiner Praxis weiß. Zu ihm kommen Menschen aus allen Lebensbereichen. Manche setzen auf Tanztherapie, um ihr Körperbewusstsein zu schulen und sich wieder besser spüren zu lernen. Andere wollen damit die eigene Kreativität fördern. Aber auch in Sachen Gefühlsregulation, Bindungsfähigkeit, Grenzen setzen und dem Aufarbeiten von Traumata kann Tanztherapie helfen.
„Meine Erfahrung ist: Tut man sich schwer mit sinnlichen Bewegungen, hat man vielleicht falsche Glaubenssätzen verinnerlicht, von wegen: ‚Sich so zu bewegen, das gehört sich nicht.’ Aber auch, ob man mit dem eigenen Körperbild ausgesöhnt ist, spielt eine große Rolle. Fühle ich mich damit, wie mein Körper gerade ist, wohl? Falls das nicht der Fall ist, kann man mit Eigenberührungen oder dem Betrachten des Körpers im Spiegel beginnen. Und: Die Hüfte ist in Sachen Sinnlichkeit elementar. Ich würde raten, zu Beginn nur der Hüfte die Bewegungen vorgeben lassen. Der restliche Körper folgt ihr nach. Man kann in sich hinein spüren: Wo limitiert mich mein Körper? Wo limitiere ich mich?"
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Und ja, jeder kann tanzen. Auch wenn vielleicht die Bandscheiben oder der Rücken nicht so mitmachen, wie man will. Tanztherapeut Alfred Koch sagt: „Hat man irgendwo im Körper Schmerzen, dann wird das schnell zum Fokus und man redet sich ein: ‚Ich kann nicht tanzen‘. Aber vielmehr geht es darum, zu schauen: Okay, welche Bewegungen kann ich denn weiterhin machen? Ist mein Kopf betroffen? Sind meine Hände betroffen? Welche Ressourcen, um zu tanzen, stehen mir zur Verfügung? Unser Körper mag uns begrenzen. Aber es gilt, diese Grenzen kennenzulernen – und zu respektieren.“
Hier drei einfachen Übungen, die du zu Hause machen kannst, um besseren Zugang zu deinen Emotionen zu finden.
Tanz-Übung 1: Sich selbst wieder spüren lernen
Im Yoga heißt es: Die Gefühle sitzen in der Hüfte. „Diese fixe Zuordnung gibt es in der Tanztherapie nicht“, so Koch. „Man redet eher von einem Körpergedächtnis – also dass Erlebnisse überall gespeichert sein können. Insofern braucht es Achtsamkeit.“ Der Experte weiter: „Sollte man sich so ein bisschen verloren haben, dann würde ich dazu raten, erstmal nur durch Berührung die eigenen Körpergrenzen bewusst wahrzunehmen. Man streicht etwa über die Arme, den Bauch, die Hüfte und belässt die Bewegungen am Körper. Diese Übung kann man auch gut vor einem Spiegel machen. Sie hilft, zu manifestieren: Ich bin jemand. Mich gibt es.“
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Tanz-Übung 2: Stress wegtanzen
Dir ist gerade alles zu viel? Kläre zuerst: Woher kommt meine Überforderung? Welche Art von Stress belastet mich gerade? Liegt’s vielleicht an zu viel Arbeit oder einem anstrengendes Meeting? „In diesem Fall kann ein dynamisches Ausschütteln hilfreich sein,“ so Alfred Koch. Lege energiegeladene Musik auf und schüttle alle Gliedmaßen einmal richtig durch.
Kommt dein Stress, weil dich etwas aus der Vergangenheit emotional aufwühlt und immer wieder triggert? „Dann braucht es beruhigendere Bewegungen. Man kann sich z.B. selbst sanft einwiegen, oder mit dem Körper schaukelnde Bewegungen machen.“ Auch hilfreich: Mach einen Body-Scan. Wo spürst du den Stress am stärksten? In den Schultern? Im Bauch? In den einen Beinen? Und: Atmen nicht vergessen. „Wenn es darum geht, etwas loszuwerden, sollte die Ausatmung länger dauern als die Einatmung.“
Tanz-Übung 3: Wo sind deine Kanten?
„Bei vielen Tänzen, die wir kennen, geht es um runde, harmonische, fließende und gleitende Bewegungen“, so Tanztherapeut Alfred Koch. „Aber wo sind die Kanten? Wut zum Beispiel äußert sich im Körper durch Spannung. Und diese kann ich durch eher eckige, abrupte Bewegungen zeigen. In der Kante wird etwas anderes spürbar als in der Harmonie und man kann sich dabei selbst fragen: Traue ich mich, all meine Kanten einzusetzen?“
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Prinzipiell gilt: Wenn du durch Tanz mehr mit deiner Gefühlswelt in Kontakt kommen will, nimm dir mindestens 20 Minuten Zeit – auf regelmäßiger Basis. „Es braucht immer ein paar Minuten, um den Alltag hinter sich zu lassen und die Rolle zu ändern. Der erste Tanz ist meist eine Aufwärmphase, erst danach beginnt der eigentliche Prozess.“
Unser Experte: Alfred Koch ist Tanztherapeut in Wien und Ibiza und fokussiert sich auf den Tanz als Mittel zur körperorientierten Selbsterfahrung. Mehr Infos: alfred-koch.at
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