Oh, sorry – über den Umgang mit verletzten Gefühlen
Verletzt zu werden ist die eine Sache. Aber was, wenn man selbst verletzt – und zwar jemanden, den man gerne hat?
Entschuldigung. Wie oft sagt man dieses Wort eigentlich am Tag, ohne es wirklich zu meinen? Wenn man im Gasthaus den Kellner ruft, zum Beispiel. Oder in der U-Bahn zum Ausgang drängen will. Obwohl ich ja glaube, dass diese beiden Situationen etwas typisch Österreichisches sind. Oder etwas typisch Weibliches? Oder gar etwas Passiv-Aggressives?
Meinen Vater hat es jedenfalls immer wahnsinnig gemacht, wenn Mutter und ich uns beim Essen im feinen Restaurant permanent entschuldigt haben, und zwar bei jedem Gang. Im Berufsleben fällt mir die Fehlerkultur schon leichter, und zwar ganz ohne weirdes Verhaltensmuster dahinter.
Ich habe kein Problem damit, die Schuld auf mich zu nehmen, wenn ich wirklich schuld war. Ich teile sie auch mit anderen, wenn ich ihren Anteil daran erkenne. Es ist nichts Schlimmes daran, und es bringt nicht nur mich, sondern das ganze Projekt weiter.
Wenn ein Fehler einfach übergangen wird, stirbt er deswegen nicht in Schönheit.
Er potenziert sich, dort unter dem Teppich, und eines Tages wird er aufs Doppelte und Dreifache aufgebläht zurückkehren und allen Beteiligten ordentlich auf den Kopf hauen.
Und im Privaten? Ich habe wirklich keine Issues mit dem Perfektionismus, aber ich wäre dabei auch wirklich gerne eine gute, verlässliche und verständnisvolle Zeitgenossin. Besonders für meine engsten Freunde möchte ich gerne da sein, sie nicht übergehen, ihre Eigenheiten und Bedürfnisse respektieren und nicht über sie drüber rasseln wie eine Dampflok.
Nur leider Ich bin eine Dampflok.
Ich muss mich aktiv bemühen, ein guter Freund zu sein, denn bei aller Lockerheit, bei aller Lässigkeit und der großen Portion Schmäh und Lebenslust, bin ich es nicht von alleine und nicht immer. Und dann kränke ich Menschen, die ich gernhabe. Meisten unabsichtlich, manchmal sogar ahnend. Und dann kränke ich mich, dass ich sie gekränkt habe. Und dann folgt die ganze deftige Ursuppe aus Scham, Verlustangst und Selbstzerfleischung.
Entschuldigung, Herr Kellner, zum Nachtisch hätte ich gerne noch ein paar tiefe Zweifel, gerne mit einem unguten Bauchgefühl und etwas schlechtem Gewissen dazu.
Eines habe ich aber gelernt – und diese Einsicht möchte ich gerne mit euch teilen: Ihr könnt euch nie wirklich entschuldigen, lediglich um Verzeihung bitten. Derjenige, den euer Fehlverhalten betrifft, muss euer Verhalten entschuldigen und eure Bitte um Verzeihung annehmen. Ich weiß, das klingt nach Wortklauberei, aber es ist so.
Ihr könnt euch nie wirklich entschuldigen, lediglich um Verzeihung bitten.
Was passiert ist, ist passiert. Ganz egal, ob es eine Kleinigkeit war oder ein großer Crash, man kann die Uhr nicht zurückdrehen. Aber man kann hinsehen und schauen, was man da angerichtet hat, auch wenn es unabsichtlich und en passant passiert ist.
Und dann darf man sich auch nicht erwarten, dass alles gleich wieder super bueno ist. Es gibt kein Recht auf die Annahme einer Entschuldigung. Aber es gibt die Zeit, die nicht nur bekanntlich, sondern tatsächlich heilt. Klar, die anderen machen auch Fehler. Aber diese mit den eigenen aufzuwiegen, ist zwar verlockend, aber völlig sinnlos. Zum Trost noch eines:
Manchmal muss es einfach ordentlich scheppern, bevor es wieder aufwärts- oder zumindest weiter geht.
Manchmal verrennt man sich. Manchmal enttäuscht man sich selbst und verletzt seine Mitmenschen. Statt nach einem Sündenbock zu suchen oder sich selbst für seine Fehler zu geißeln und ohnmächtig in dieser Situation zu verharren, kann man sich dem Prozess auch stellen. Ihn annehmen und damit arbeiten. Denn: Jeder von uns macht Fehler.
Es ist egal, woher man kommt, mit welchen Werten man groß geworden ist, welche Bildung man genossen hat, jeder scheitert, egal ob reich oder arm, Mann oder Frau. Manchmal geht das Porzellan zu Bruch. Bei den japanischen Kintsugi-Schalen sind die mit Goldlack reparierten Bruchlinien deutlich zu erkennen. Anstatt die Beschädigung zu verstecken, wird sie in einem künstlerischen Akt betont und die Schale zu wahrer Schönheit erhoben.
Ich habe einiges kaputt gemacht in meinem Leben. Umso schöner, wenn es Gold gibt, um eine Freundschaft nicht nur zu kitten, sondern ihr vielleicht sogar neuen Glanz zu verleihen.