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Sollte ich jemals ein Transportunternehmen oder einen Geheimdienst gründen, dann nur mit Fahrern und Agenten aus Vietnam. Nicht wegen der niedrigen Lohnkosten hier, sondern weil die Vietnamesen Nerven aus Stahl haben. Ich kenne kaum ein Volk, das stoischer durchs Straßenchaos fetzt als die Menschen hier (okay, die Inder sind ähnlich drauf, aber das war's dann auch). Männer, Frauen, Kleinkinder und sogar die Hunde in Vietnam navigieren völlig unbeeindruckt durch den suizidalen Hindernisparcours, der sich Rush Hour nennt. Die coolsten unter ihnen schlafen an vielbefahrenen Ecken sogar AUF ihrem Motorrad, ohne jemals die Balance zu verlieren.

Und in Sachen Ausfratschelei sind sie ebenfalls große Klasse. Dabei dachte ich, ich hätte diese Disziplin erfunden. Doch meine mitunter bohrenden Fragen sind nix gegen die der Vietnamesen. Vor allem die Frauen sind in dieser Disziplin brilliant. Auch wenn man nur Wasser kaufen will oder in der Schneiderei eine aufgerissene Naht reparieren lässt, so steckt man binnen 30 Sekunden in einer Art Verhör. Ob man will oder nicht.

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Name, Alter und Herkunftsland und Dauer des Aufenthalts werden als erstes abgecheckt. Es folgt: Wo ich gerade war („Ich bin durch die Altstadt/den Strand/ das Museum flaniert“) und wie lange ich mich dort aufgehalten habe. Dann wird schnurstracks zu meinem Familienstand übergeleitet. Und der bereitet vielen Damen Kopfzerbrechen.

„You have a boyfriend? Husband?“  

„Nein, kein Freund. Kein Ehemann.“
Kopfschütteln. „Du bist doch eigentlich ganz ansehnlich. Und so alt ist 40 auch wieder nicht.“

„Was soll ich sagen? Hat sich halt nicht ergeben.“

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„Es ist noch nicht zu spät. Kinder sind auch noch drin.“ (Meistens liegt ab diesem Zeitpunkt eine Hand mitfühlend auf meinem Unterarm). „Vielleicht nicht gleich eine ganze Fußballmannschaft, aber eines sollte auch in deinem Alter noch klappen.“

„Das mit dem Kindern lasse ich, glaube ich, aus.“

„Warum?“

„Ich war nie ein großer Fan von Kindern.“

Zustimmendes Nicken. „Nachwuchs ist anstrengend. Kluges Mädchen.“
An dieser Stelle lachen wir meistens beide.

„Aber einen Mann solltest du dir schon gönnen. Gibt es keine guten Männer?“

„Doch, durchaus.“

„Worauf wartest du dann?“

So geht’s munter weiter. Ganz nebenbei werden auch mein Berufsstand, meine nächsten Reiseziele und meine Körpergröße abgeklopft. Und ich gebe stets bereitwillig Auskunft. Die privatesten Details sprudeln nur so aus mir raus. Ich schätze, ich bin da hochgradig defensiv. Nachdem man dem Investigativkommando eh nicht entkommen kann, ergebe ich mich lieber gleich. Und außerdem habe ich das Gefühl, die Damen sind ehrlich interessiert – und nicht böse, wenn ich den Spieß umdrehe und sie ebenfalls indiskret löchere.

Khieu gab etwa beim Kassieren der Einkäufe unumwunden zu, dass ihr Holder ein Trunkenbold mit Hang zu warmem Bier ist. Binh zeigte mir auf ihrem Instagram-Account den Typen, den sie aktuell gerade stalkt. Und mit Van, meine allerliebste Schneiderin, die immer, wenn sie mich auf der Straße irgendwo entdeckt, mit dem Motorroller anhält, um zu tratschen (Hoi An ist eine kleine Stadt und nach drei Wochen gehört man quasi zum Inventar), hat mich schon ihren ebenso neugierigen Schwestern und Freundinnen vorgestellt.

Es hat auch was Beruhigendes, wenn Leute wissen wollen, was man gerade macht und wohin man geht.

„Nervt dich die Fragerei nicht?“, hat mich neulich eine Freundin am Telefon gefragt, als ich ihr von den kommunikationswütigen Vietnamesinnen erzählte.

Ich dachte kurz nach. Und antwortete dann aus voller Überzeugung: „Nein, ich finde es genau genommen großartig. Weil mir das Ganze das Gefühl gibt, nicht anonym in der Touristenmasse zu verschwinden. Es hat auch was Beruhigendes, wenn Leute wissen wollen, was man gerade macht und wohin man geht. Zumindest weiß dadurch irgendjemand Bescheid, wo zu suchen ist, sollte ich verloren gehen.“

Jetzt hoffe ich nur, dass sich die Damen untereinander absprechen, sollte eine Findet-Waltraud-Aktion gestartet werden müssen.
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