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„Wir treffen eine Freundin, führen mit ihr ein gutes Gespräch, gehen völlig darin auf, und plötzlich sind zwei Stunden vergangen. Oder beim Skifahren: Wir stehen oben am Berg, sehen die schwarze Piste, haben großen Respekt – aber noch größere Lust, sie zu bezwingen. Unten angekommen wartet dann das große Wow-Gefühl als Belohnung!“

Was Jill Reinhard, Psychologin und Mitbegründerin von Let’s Flow (das Berliner Unternehmen bietet Fortbildungen an, die Positive Psychologie mit u.a. Outdoor-Aktivitäten verbinden) hier schildert, haben wir alle so oder ähnlich schon einmal erlebt. Wir sind völlig in eine Tätigkeit vertieft, verschmelzen sprichwörtlich mit ihr und vergessen dabei die Zeit und alles andere rund um uns.

Die Tolle daran: Jede aktive (!) Tätigkeit, egal ob Sport, Spiel, Kunst, Sex, Tanz oder sogar Essen, kann zum Flow führen. Während der kleine Bruder, der microflow, im sich wiederholenden Rhythmus einer einfachen Handlung (etwa dem Skifahren) entsteht, braucht es für den macroflow schon komplexere Tätigkeiten. Und zwar solche, die unsere gesamten geistigen, seelischen oder körperlichen Fähigkeiten beanspruchen, ohne uns dabei zu überfordern. Und genau in diesem Spannungsfeld zwischen Über- und Unterforderung liegt das Flow-Geheimnis begründet. Sind unsere Fähigkeiten nämlich hoch, die Herausforderungen dagegen gering, langweilen wir uns. Übersteigen die Herausforderungen aber unsere Fähigkeiten, geraten wir unter Druck.

Was ist der Flow und wie erreiche ich ihn?

8 Merkmale des Flow-Erlebens

Treffen folgende Komponenten auf dich zu, hast du laut Flow-Prinzip-Gründer Mihály Csíkszentmihályi jenen Bewusstseinszustand erreicht, in dem deine beste Version am Werk ist. Weiterlesen...

Dynamisches Konstrukt

Jill vergleicht dieses „dynamische Konstrukt, das sich weder vorhersagen noch erzwingen lässt, immer wieder neu kalibriert werden muss und von vielen Faktoren abhängig ist“ mit einem Schiff, das vom Kapitän täglich in den sicheren Hafen gebracht wird. „Da sind Winde und Wellengang, der Kapitän ist vielleicht unausgeschlafen oder unvorsichtig – die Umstände ändern sich also ständig. Trotzdem wird das Manöver immer wieder aufs Neue geübt.“

Gut, wie kann es nun also gelingen, so viele Flow-Momente wie möglich zu „sammeln“?

Indem wir da ansetzen, wo alles beginnt: beim Stress. Als „Würze des Lebens“ (so bezeichnete ihn einst der Vater der Stressforschung, Dr. Hans Seyle) sorgt er wohldosiert für guten Geschmack, im Überfluss vergällt er hingegen jeden Genuss. Die Dosis macht das Glück – und das gilt für jeden Bereich unseres Alltags: „Da ist auf der einen Seite der sogenannte Eustress, also die positive Variante“, weiß Jills Kollegin Clarissa Hoffarth. „Sie hilft uns etwa dabei, sportliche Anstrengungen oder Arbeitsschritte zu bewältigen, den Haushalt in Ordnung zu bringen usw.“

Gemeint ist also jener Anspannungszustand, der uns Herausforderung überhaupt erst attraktiv finden und für bewältigbar halten lässt. Dadurch steigen unsere Motivation und unser Engagement. So weit, so gut, wäre das nicht sein Gegenspieler, der Distress. Er wird von Situationen ausgelöst, die wir als negativ empfinden. Das kann etwas Zeitmangel sein, aber auch Geldsorgen oder ständige Ablenkung im Arbeitsfluss.

„Distress hemmt, blockiert, macht ängstlich, gereizt und auf Dauer krank. Das wollen wir nicht!“, so Clarissa.

Clarissa Hoffarth & Jill Reinhard von Let’s Flow
Clarissa Hoffarth & Jill Reinhard von Let’s Flow

Foto: Julia Freytag

Klingt logisch, aber was nun?

Im ersten Schritt reichen wir dem Stress die Hand, akzeptieren ihn als unseren Freund, denn er macht uns wach und reaktionsbereit – ein Instinkt, der uns einst, als der Säbelzahntiger um die Ecke gebogen ist, das Leben retten konnte! Diese archaischen Reaktionsmuster stecken immer noch in uns, auch, wenn uns heute eher die übellaunige Chefin, der nicht enden wollende Wäscheberg oder die vielen Termine zusetzen.

Im zweiten Schritt zapfen wir unsere persönliche Kraftquelle an, um kleine und große Stressmomente oder Krisen besser zu meistern.

„Das ist vergleichbar mit einem Werkzeugkästchen. In jedem einzelnen der vielen kleiner Fächer befindet sich eine wunderbare Ressource. Man greift immer genau nach der, die gerade gebraucht wird.“

Jill Reinhard, Let's Flow-Coach

Folgende Ressourcen stehen uns zur Verfügung

  • Stärken und Fähigkeiten (Eigenschaften wie Optimismus, ein gewisses Wissen zu Themen, Hobbys, Glaube, Tagesstruktur, Überzeugungen oder Erinnerungen an Geschafftes aus der Vergangenheit)

  • Materielles (etwa eine Wohnung als Rückzugsort oder eine entspannende Massage)

  • Mitmenschen (jede Art der sozialen Interaktion, aus der wir gestärkt hervorgehen, Qualität vor Quantität).

  • Die Natur

„Wenn wir in der Natur sind, hören wir auf, zu bewerten. Wir gehen nicht zu einer Tanne und sagen ihr, dass sie als Fichte schöner wäre. Und auch eine Tanne nimmt uns, wie wir sind.“

Jill Reinhard, Let's Flow-Coach
  • Gesunder Schlaf (gelingt, indem wir etwa ein schlafförderndes Umfeld schaffen und bei nächtlichem Aufwachen Ruhe bewahren, die Dunkelheit beibehalten und Entspannungstechniken anwenden)

  • Achtsamkeit

„Achtsamkeit ist die Absicht, die Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu richten, ohne ihn zu bewerten.“

Mihaly Csikszentmihalyi, ungarischer Psychologe und Gründer des Flow-Prinzips

Achtsamkeit lässt sich nicht nur durch gezielte Übungen (z.B. Meditation) trainieren, sondern auch ganz bewusst in den Alltag integrieren. Wie das gelingen kann, duften die Redaktion Rahmen unserer carpe diem-Auszeit bei einer gemeinsamen E-Mountainbike-Tour rund um den herbstlichen Millstätter See herausfinden. Und ja, diese Erleben war tatsächlich ein ganz bewusstes: die Stille, das Knirschen der Reifen, die bunten Blätterhaufen auf dem Boden, der nach Pilzen und ätherischen Ölen duftende Wald, das spiegelglatte Wasser, die Wahrnehmung der eigenen Gedanken und Gefühle. Flow ist eine Lebenskunst, die jeder lernen kann.

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