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Es ist wirklich keine Hexerei: Geh in den Wald, atme durch und nimm bewusst wahr, was um dich herum gerade geschieht. Dazu braucht es kein super getunetes Downhill-Bike. Keine "Zurück zur Natur"-Playlist am Handy und schon gar keine Pulsuhr.

"Es geht darum, dass man in der Natur ankommt, dass man nicht auf Zeit, nicht auf Höhenmeter und nicht auf Leistung schaut, sondern wirklich in den Wald geht, um sich mit dem Wald zu verbinden", erklärt die Kärntner Bergwanderführerin Eva Umundum. Das sei eigentlich gar nichts Neues, wirklich nicht, wir hätten es nur ein wenig verlernt…

"In unserer heutigen Gesellschaft ist das leider ganz selten geworden, dass man in die Natur geht und sagt: 'Ich muss eigentlich gar nichts. Ich bin nur da, damit ich meine Umgebung wahrnehmen kann, damit ich die Schwingung, die rund um mich herum ist, auch in mich reinlassen kann.'"

Damit wir genau das wieder für uns (und in uns) entdecken können, laden zwanzig sogenannte "Slow Trails" in Kärnten ein, Zeit zu verbummeln anstatt sie zu optimieren. Slow Trails – das sind entspannte Wanderwege, ohne Stress, mit maximal 300 Höhenmetern und jeder Menge lauschigen Platzerln zum Verweilen.

Braucht es dafür einen trendigen Begriff? Nicht unbedingt.

"Früher ging das auch ohne Etikett. Die Menschen sind ja schon immer in den Wald gegangen, weil sie gespürt haben: Das macht was mit ihnen, das heilt." – Aber schlecht sei das nicht, meint die Wanderführerin, denn das Wort Slow ließe Leistungsdruck erst gar nicht aufkommen. "Das bringt einen selber auf diese Idee: 'Hoppla, ich muss ja heute nicht laufen, ich hab ja eigentlich Zeit.'"

Terpene statt Termine

Nichts gegen Sport im Wald. Natürlich tut es mir auch gut, wenn ich schnellen Schrittes auf einen Berg hinauflaufe, mit roten Wangen und ordentlich angekurbeltem Kreislauf, aber: "Das ist ein anderer Kick. Darauf zielt ein Slow Trail nicht ab", sagt Eva. Hier ginge es vielmehr um das bewusste Entspannen und Loslassen.

"Alles in der Natur kommuniziert miteinander. Und Pflanzen kommunizieren unter anderem durch chemische Stoffe."

Diese Stoffe, Terpene, wirken entzündungshemmend und stärken unser Immunsystem. (Das lässt sich auch messen: Die Killerzellen, die etwa aktiv gegen potentielle Krebszellen vorgehen, werden signifikant aktiver.) Gehen wir langsam durch den Wald, können wir Terpene viel besser aufnehmen. Eva Umundum empfiehlt daher: Bewusst durchatmen. It's not rocket science.

Fünf Finger Achtsamkeit

Damit das besser gelingt, empfiehlt die Wanderführerin eine einfache Achtsamkeitsübung.

So geht's:

  1. Wenn du durch den Wald gehst, lege jeweils die Daumen und Zeigefinger einer Hand aneinander. In dieser Übung steht jeder Finger symbolisch für eine Sinneswahrnehmung. Der Daumen dient als "Lesezeichen", um den Fokus auf den jeweiligen Sinn zu legen. Wir beginnen mit dem Sehsinn: Wie liegt der Nebel über dem See? Wie fällt das Licht durch die Blätter? Welche Farben kann ich erkennen?

  2. Im zweiten Schritt wird der Mittelfinger an den Daumen gelegt (den Zeigefinger also wieder lösen): Wir fokussieren auf das Hören. Rauscht da ein Bach? Oder der Wind? Wie klingt die eigene Atmung? Wie das Rascheln des Laubs und des Reisigs unter deinen Wanderschuhen? Ruft dort vielleicht ein Eichelhäher?

  3. Next step: Lege den Ringfinger an den Daumen. Jetzt geht's ums Spüren, z.B. die Luftfeuchtigkeit nach einem Regen, der Wind in den Haaren und auf deiner Wange, die Wurzel am Weg…

  4. Zum Schluss legst du jeweils die Daumen und die kleinen Finger aneinander: Was kannst du schmecken? "Beim Schmecken denken wir an Kräuter und Pflanzen. Darum geht es natürlich auch, aber da gibt es noch mehr", meint Eva Umundum, "Wie schmeckt die Luft? Wie atme ich? Wie kehre ich bei mir ein?"

Diese Übung hilft dir, bewusster und leichter ins Jetzt zu kommen und den Alltag draußen zu lassen.

"Dafür ist der Slow Trail nämlich auch gedacht: Dass man im Jetzt ist und die Gedanken, die von außen kommen, einfach einmal weiterziehen lässt."

Eva Umundum, Bergwanderführerin in der Region Millstätter See – Bad Kleinkirchheim – Nockberge

Fließende Zeit

Wenn man in der Natur und einfach im Augenblick ist, wird die Zeit fließend. Dann kann man nicht sagen: War das jetzt zehn Minuten lang oder eine halbe Stunde?

Die carpe diem Redaktion durfte das am eigenen Leib erfahren: Der kürzeste Slow Trail der Region Millstätter See, der "Slow Trail Mirnock", misst gerade einmal 2,6 Kilometer. Wir haben dafür 3 Stunden gebraucht – nicht, weil er so anspruchsvoll war, sondern weil die Zeit hier einfach anders fließt: langsamer eben.