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Merke: Du kannst noch so viele Kilometer reisen, um dich neu zu erfinden, den Eltern machst du nichts vor. Die durchschauen dich mit Röntgenblick. Entsprechend nervös war ich, als ich meinen Vater und meine Mutter am Flughafen in Kapstadt in Empfang nahm. Wobei, ein bisschen Nervosität war auch der Tatsache geschuldet, dass meine Mutter gerne mit hausgemachten Würsten im Gepäck reist, mein Vater ist Metzger.

Du kannst noch so viele Kilometer reisen, um dich neu zu erfinden, den Eltern machst du nichts vor.

Mama, Fleischeinfuhr ist in Afrika verboten, außerdem lebe ich aktuell vegetarisch, ich will das Zeug gar nicht“, warnte ich vorab am Telefon. „Würste sind immer gut“, gab sie zurück. „Wenn du sie nicht isst, andere Menschen freuen sich sicher.“ – „Sollte dich der Zoll erwischen: Ich hol dich nicht aus dem südafrikanischen Knast raus, nur damit du es weißt.“ – „No risk, no fun“, antwortete meine Mutter.

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Ich hol dich nicht aus dem südafrikanischen Knast raus, nur damit du es weißt.

Am Ende ließ sie das heimatliche Care-Paket dann doch daheim. Und erteilte mir beim Wiedersehen – wir hatten uns seit Mai nur per WhatsApp gehört – die Absolution, auf die ich inständig gehofft hatte, auch wenn ich das nie zugeben würde, immerhin bin ich mit 41 Lebensjahren erwachsen und eine selbstbestimmte Frau. „Du siehst großartig aus, braun gebrannt und happy“, sagte meine Mutter. „Kapstadt tut dir gut. Die ganze Reise scheint dir gutzutun.“ Mein Vater, ein Mann, der wenig spricht, nickte nur zustimmend. Und ich war erleichtert, Test bestanden, Reality-Check auch.

Meine Mutter erteilte mir beim Wiedersehen die Absolution, auf die ich inständig gehofft hatte, auch wenn ich das nie zugeben würde.

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Doch die größte Hürde stand uns noch bevor. Urlaub miteinander – das hatten wir zuletzt gemacht, als ich in der Pubertät war. Schnell kristallisierte sich heraus: Der gemeinsame Trip durch Südafrika würde an der gewohnten Familienstruktur rütteln. Denn ob du willst oder nicht, plötzlich werden deine Eltern zu deinen Kindern und du musst die erwachsene Allwissende spielen.

Kapstadt

Bild: Waltraud Hable

Die größte Hürde stand uns noch bevor. Urlaub miteinander.

Der Vater, sonst eigentlich für seine Contenance bekannt, schob Panik ob des Linksverkehrs und zog ernsthaft in Erwägung, das Mietauto zu canceln und sich einer geführten Reisegruppe anzuschließen. „Du schaffst das mit dem Linksverkehr, du bist erst 65 Jahre alt, nicht 100 und blind“, redete ich mit Engelszungen auf ihn ein. „Ich helfe dir beim Navigieren und schaue auf den Verkehr, vier Augen sehen mehr als zwei.“ – „Wenn ich das Handy einschalte, zahle ich dann schon Roaming?“, fragte die Mutter. „Wie geht das mit dem Internet?“ – „Wir besorgen dir eine südafrikanische SIM-Karte, dann hast du immer Internet, falls du es brauchst“, sagte ich. „Kapier ich nicht“, sagte die Mutter. „Musst du auch nicht, Mama, ich mach das.“ Am Ende versicherte ich, dass ich alles lösen würde, auch jene Dinge, von denen ich nichts verstand.

Der Vater, sonst eigentlich für seine Contenance bekannt, schob Panik.

Und was soll ich sagen? Die zehn Tage waren ein soziales Experiment, das ich jedem ans Herzen legen kann, der noch Oldies hat. Meine Eltern wurden entgegen ihrer schlimmsten Befürchtungen weder ausgeraubt, noch haben sie das Auto im Linksverkehr geschrottet, sie haben artig alles gemacht, was ich ihnen sagte. Ich brachte meinem Vater bei, wie der Fahrdienst „uber“ funktioniert, für ihn ein großes Mysterium, doch mit etwas Übung klappte die Autobestellung beim dritten Mal. Ich ließ beide mit den Kellnern Englisch parlieren und sprang bei verbalen Engpässen als Simultanübersetzerin ein. Und als sie, tapsig wie Hundewelpen, ihre Komfortzone verließen, begann ich sie plötzlich in einem neuen Licht zu sehen.

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Die zehn Tage waren ein soziales Experiment.

Ich sah die beiden zum ersten Mal „jung“ und als Team, ich erkannte die Dynamiken, die sie seit 43 Jahren zusammenhalten und erfuhr Dinge über ihre Vergangenheit, die man sonst nicht fragt, die aber prinzipiell vieles erklären, das vielleicht mal für Groll und Zwist gesorgt hat. Dinge über ihre Kindheit. Ihre Gedanken. Wünsche. Ängste. „Früher haben wir dir alles beigebracht, jetzt bringst du uns neue Dinge bei. Das ist der Kreislauf des Lebens. Und das ist schön“, sagten sie mehrmals während der Reise. Und fast hätte ich Elton Johns „Can You Feel the Love Tonight“ aus „König der Löwen“ angestimmt, weil es so gut zu Afrika und zu der ganzen Situation passte.

Früher haben wir dir alles beigebracht, jetzt bringst du uns neue Dinge bei. Das ist der Kreislauf des Lebens.

Nur bei einer Sache gehorchten sie mir nicht: Ich durfte nie im Restaurant bezahlen. In dieser Angelegenheit kehrten sie sofort in ihre Elternrolle zurück. Wenn meine Mutter schon keine Würste nach Südafrika schmuggeln durfte, dann wollte sie zumindest sicherstellen, dass das Kind wenigstens mit vollem Bauch und geschontem Bankkonto weiterreist. WEITER: Busch-Notizen: Dunkle Natur-Geheimnisse und wieso Weglaufen nie eine gute Idee ist

Eltern zu Besuch in Südafrika

Bild: Waltraud Hable