In Wim Hofs Jungbrunnen
Veit-Ander Aichbichler hat die Wim-Hof-Methode ausprobiert – und fühlt sich jetzt wie Superman.
Gesundheit ist für mich ein Thema. Nicht nur für mich, für viele Menschen. Ich achte darauf, was ich esse, verzichte auf Ungesundes – oder versuche es zumindest. Ich habe die beste Matratze gekauft, damit ich gut schlafen kann und meinen Rücken schone. Ich mache Sport, um meinen Körper zu trainieren, und meditiere, um meinen Geist fit zu halten. Und ich weiß, dass dieses tägliche Tun großen Einfluss auf mein Wohlbefinden hat.
Bei 25.000 Mal atmen am Tag können kleine Veränderungen Großes bewirken.
An Selbstverständlichkeiten wie das Atmen habe ich dabei allerdings nie gedacht. Immerhin: Ich atme 25.000 Mal am Tag, und mir ist klar geworden, dass hier kleine Veränderungen Großes bewirken können.
Im Zuge unserer SKI&BERG Initiative, mit der wir Menschen wieder mehr in und auf die Berge bringen wollen, sind wir auf die Wim-Hof-Methode gestoßen. Wim Hof, 60, ist Holländer und vermutlich wahnsinnig. Der Mann hat mit Sandalen und Shorts den Mount Everest bestiegen und ist fast nackt einen Halbmarathon in Lappland gelaufen – bei minus 20 Grad. Er hält 26 Weltrekorde im Guinness Buch. Normal ist das nicht, beeindruckend schon.
Wim Hof, 60, hält 26 Weltrekorde im Guinness Buch. Normal ist das nicht, beeindruckend schon.
In Österreich ist Scott McDonald Wim Hofs Vertreter. Immerhin trägt er im Winter Kleidung. Das ist ja schon mal was. „Atmen, mentale Stärke und Kälte“ sind die Tools, mit denen gearbeitet werden soll – jedenfalls hat das die Website so angepriesen. Und so fuhren wir, mein Geschäftspartner und ich, kurz entschlossen und mit leichtem Gepäck nach Graz auf den Schlossberg, um einem seiner Seminare beizuwohnen.
Die Wim-Hof-Tools Atmen, mentale Stärke und Kälte.
Die erste große Überraschung waren die Teilnehmer: Der sportliche Leiter eines österreichischen Profifußballclubs, ein Akupunkteur, ein Lungenfacharzt, ein Sportmediziner und einige andere Teilnehmer richteten sich auf den Yogamatten im Seminarraum des Schlossberghotels ein. Wir hingegen: Bürohengste, jedenfalls im Vergleich.
Im Gegensatz zu den anderen Teilnehmern waren wir Bürohengste.
Scott ist ein jugendlich wirkender Typ, freundlich und sportlich, der uns zu Beginn seine Geschichte erzählte. 19 Jahre auf einer Erdölplattform? 7 Jahre Wim-Hof-Trainer? Wie kann der Mann nur aussehen, als wäre er knapp 30, obwohl er 47 ist?
Wie kann der Mann nur aussehen, als wäre er knapp 30, obwohl er 47 ist?
Anyway, da ging es auch schon los: atmen, den Atem spüren, Kontakt aufnehmen mit der eigenen Atmung. So weit, so gut. Dann auf den Rücken legen und die Atemtechnik anwenden. 30 Mal aktiv einatmen, passiv ausatmen, Atem anhalten, tief einatmen.
DIE ATEMTECHNIK: 30 Mal aktiv einatmen, passiv ausatmen, Atem anhalten, tief einatmen.
Ich dachte mir schon, das kann doch nicht so einfach sein – denn es klingt nach nicht viel. Doch nach drei Durchgängen war mir schlagartig alles klar: Mein Körper fing an, Endorphine auszuschütten, ein wohliges Kribbeln breitete sich bis in die Fingerspitzen aus, meine Beine wurden leicht und warm.
Mein Körper fing an, Endorphine auszuschütten, ein wohliges Kribbeln breitete sich aus.
Am Ende der 30-minütigen Übung fühlte ich mich high – und wie neugeboren. Das ist es also: Wim Hof ist ein Atem-Junkie! Und Scott sein bester Dealer.
Am Ende der 30-minütigen Übung fühlte ich mich high – und wie neugeboren.
Immer noch euphorisch stiegen wir – Scotts berühmte Blechbadewanne geschultert – hinauf aufs Dach und richteten mit kaltem Wasser und einer ganzen Menge Eiswürfel das Eisbad her. „Niemand muss hinein, aber es würde mich wundern, wenn einer von euch es nicht macht“, hatte Scott kurz vorher noch verkündet. „Aber keine Sorge! Nach der Atemübung wird euch die Kälte viel weniger anhaben können. Bevor ihr hineinsteigt, trefft die Entscheidung: Das mache ich! Es gibt kein Zögern. Mach es oder mach es nicht!“
Scott sagte ‚Keine Sorge! Nach der Atemübung wird euch die Kälte viel weniger anhaben können.‘
Die Teilnehmer sahen sich an und signalisierten äußerste Bereitschaft. „Zuerst wird der Körper mit Panik reagieren, der Atem wird euch stocken. Dann wird der Puls nach oben schnellen, der Kopf wird euch sagen: Raus hier! Denkt an euren Atem und versucht, euch zu beruhigen“, so Scott weiter. „Denn genau dort wollen wir hin. Wir wollen, dass der Körper versteht: Es ist nur kalt, es ist nicht lebensbedrohlich. Und ihr werdet sehen, das nächste Mal, wenn ihr Kälte spürt, wird euer Körper keine Panikreaktion mehr bekommen.“
Schon wieder high.
Als Dritter in der Runde war ich dran. Ich traf die Entscheidung und legte mich bis zum Hals in das Eiswasser gelegt. Es war kalt, sehr kalt – aber weitaus weniger schlimm als erwartet. Drei Minuten dauerte es, und mein Atem war ruhig, ich war entspannt.
Wieder aus der Wanne draußen, machte sich sofort ein wohliges Gefühl breit, die Herbstluft erschien mir tropisch. Und mein Körper schüttete weitere Endorphine aus. Schon wieder high. Nur vom Atmen, der Kälte und dem Gefühl, mich überwunden zu haben.
Ich fühlte mich wie Superman.
In einem Nachmittag habe ich also nur durchs Atmen und ein wenig Kälte zwei veritable Highs erlebt. Ich fühlte mich wie Superman, ich war euphorisch und wach wie schon seit Langem nicht mehr. Ich übe die Hoff’sche Atemtechnik nun täglich, ich bin produktiver und fühle mich fitter. Und mir scheint es so, als würde ich die 25.000 Mal am Tag etwas besser machen als vorher.
Veit-Ander Aichbichler ist Gründer der Initiative SKI&BERG CARD.