Alternativmedizin richtig kombinieren: 3 Welten, ein Weg
Provozieren, um zu heilen. Welche wohldosierten Reize braucht der Organismus dafür? Und wie kann Alternativmedizin uns auf dem Weg zu mehr Wohlbefinden begleiten? Heilpraktiker Hans Kothbauer über den ganzheitlichen Blick auf den Menschen.
Praktiken aus der Alternativmedizin, wie die Traditionelle Chinesische Medizin, die Lehren des Pfarrers Kneipp und Ayurveda sind scheinbar konträre Konzepte der Naturheilkunde mit einem gemeinsamen Ansatz: den Körper zu heilen.
Die Medizintraditionen aus Europa, China und Indien haben auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun. Wie findet dann doch zusammen, was scheinbar nicht zusammengehört?
Hans Kothbauer: „Alle drei sehen den Menschen als Individuum mit wechselnden Bedürfnissen.
Wenn wir diesen Grundgedanken losgelöst von den drei großen Medizintraditionen verfolgen, lässt sich daraus eine Therapie zusammenstellen, bei der man typentsprechend punktgenau herauspickt, was der jeweilige Mensch gerade braucht. Denn Natur kann heilen – egal welche Schatzkiste sie dafür öffnet.“
Denn Natur kann heilen – egal welche Schatzkiste sie dafür öffnet.
Wie kann man sich das vorstellen? Ein Cocktail der Alternativmedizin? Morgens ein klassischer Kneippguss, mittags die Akupunkturmassage und zum Abendessen eine ayurvedische Suppe? „Nicht ganz. Die Kombination der Anwendungen ist eine hochkomplexe Sache. Behandelt wird nämlich nicht nur nach dem Beschwerdebild, sondern auch typbezogen unter Rücksichtnahme auf die Lebensumstände. Das bedeutet etwa zu wissen, dass sich im Alltag eine Akupunkturmassage zu Mittag kaum umsetzen lässt. Empfehlungen müssen praktikabel sein. Auch hat nicht jeder immer Zeit, frisch zu kochen. Im Rahmen einer Kur ist all das natürlich leichter.“
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Es geht also nicht nur um den Einklang von Körper und Seele, sondern auch um die realistische Integration ins Leben. „Ja. Ziel ist es, mit den verschiedenen therapeutischen Werkzeugen aus der Alternativmedizin, die innere Harmonie wiederherzustellen, begleitet von der integrativen Schulmedizin. Wichtig ist auch: Nicht alles, was uns guttun würde, mögen wir. Und nicht alles, was wir gerne hätten, ist uns zuträglich. Wenn jemand, der oft friert und sehr schlank ist, im Winter heilfasten will, rate ich ab. Es gibt aber Alternativen, wie Suppenfasten oder eine ayurvedische Reinigungskur.“
Ziel ist es, mit den verschiedenen therapeutischen Werkzeugen die innere Harmonie wiederherzustellen.
Bei welchen Beschwerden empfehlen Sie eine solche Kombination der therapeutischen Werkzeuge? „Die Symptome können von Schlaflosigkeit bis Kreuzweh reichen. Das Grundproblem ist aber meistens dasselbe: Überbeanspruchung durch künstliche Reize. Der Druck in unserer digitalisierten Welt, beruflich erfolgreich und permanent verfügbar zu sein, und obendrein in der Partnerschaft performen zu müssen. Bei Menschen, die da Symptome entwickeln, handelt es sich ja nicht um pathologische Fälle, sondern einfach um jemanden, der gemerkt hat, dass etwas nicht mehr funktioniert. Irgendwann macht der Körper nicht mehr mit. Sie wollen es reparieren – schaffen es allein oder nur mithilfe der Schulmedizin aber nicht mehr.“
... und das komplementäre Medizin-Trio kriegt das wieder hin?
„Ja. Das Beste aus den drei Welten der Alternativmedizin lehrt uns, achtsamer mit uns selbst zu sein, Intuition und Bauchgefühl walten zu lassen, eigene Grenzen und Reserven zu erkennen.“
Das Beste aus den drei Welten lehrt uns, achtsamer mit uns selbst zu sein.
Klingt, als wäre das so einfach ... „Ist es auch. Die Lösung liegt im Einfachen. Es geht nicht darum, etwas zu konstruieren. In den Behandlungen wird schlicht die Natur nachgeahmt, die uns evolutionär geprägt hat: Kälte, Hitze, Hunger.“
Nicht unbedingt verlockend! „Diesen Reizen waren wir früher ganz selbstverständlich ausgesetzt. Unser Körper verfügt über Mechanismen, ihnen zu trotzen, sonst wären wir längst ausgestorben. Heute finden diese natürlichen Reize nicht mehr statt. Wir halten uns in wohltemperierten Räumen auf, haben jederzeit zu essen und zu trinken. Die Therapie ist nichts anderes als eine bewusste Provokation des Organismus. Heilsame Reize, die auf den Menschen einwirken, um funktionelle Störungen wie Schlaflosigkeit oder hohen Blutdruck zu beseitigen.“
Und wie genau geht das? „In der Kneipp-Therapie etwa mit kalten Wickeln für Leber, Niere und Magen. Unser Körper ist auf 37 Grad Eigentemperatur eingependelt und reagiert extrem thermosensibel. Spürt er die Kälte, schlägt er Alarm, um seine Temperatur zu halten. Er ergreift Gegenmaßnahmen und fährt den Stoffwechsel zu hundert Prozent hoch.“
Welche Vorteile bringt das? „Sie trainieren dadurch systemisch Ihre Körperfunktionen und stärken Ihre Anpassungsfähigkeit. Das bedeutet Stabilität, und Sie bekommen nicht sofort eine Erkältung, wenn es draußen kalt und windig ist. Und das Beste: Die Anwendungen wirken auch effektiv gegen Stress.“
Die Anwendungen wirken auch effektiv gegen Stress.
Nehmen wir also an, ich leide an unspezifischen Rückenschmerzen, kriege sie nicht in den Griff und erhoffe Hilfe vom Methodenmix aus der Alternativmedizin. Was passiert dann? „Bei Rückenschmerzen ist es aus Sicht der TCM sinnvoll, die Leber zu stärken. Sie ist der Sitz der Emotionen und beeinflusst von energetischer Seite her Muskeln, Sehnen und Gelenke. Wenn Sie das Gefühl haben, alles zwickt und zwackt, kann sie die Ursache sein. Es braucht schnelle Entspannung, zum Beispiel mithilfe einer Akupunktur- oder ayurvedischen Massage. Das kann man etwa mit Basenfasten kombinieren. Sie haben ja keine Ahnung, wie viele Leute übersäuert sind und es nicht wissen. Übersäuerte Menschen sind im wahrsten Sinne des Wortes sauer. Aber schon nach vier Tagen basischer Ernährung geht’s ihnen deutlich besser.“
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Der Blick über den Tellerrand lohnt sich also kulinarisch?
„Auf jeden Fall. Mit vernünftiger Ernährung aus der regionalen, mediterranen und ayurvedischen Küche werden die Organe entlastet. Da passiert viel mehr als Gewichtsverlust: Das Hautbild wird besser, Agilität und Konzentrationsfähigkeit steigen. Der Körper entgiftet. Die größte Stärke des Körpers ist ja, wegzulassen, was ihn belastet. Mit einem Zuwenig können wir gut leben, schaden tut nur das Zuviel. Trennen Sie sich von dem, was belastet, und behalten Sie das Beste.
Mit vernünftiger Ernährung aus der regionalen, mediterranen und ayurvedischen Küche werden die Organe entlastet.
Aber Fasten kann man auch für sich allein.
„Natürlich. Fasten von der Stange hilft aber nicht jedem. Im Mittelpunkt sollte das Individuelle stehen.“
Wie viele Tage sollte so eine Kur dauern, um langfristig zu helfen? „Mindestens acht Tage, tendenziell eher mehr. Hier geht’s ja um Tiefgang, nicht um einen Wellness-Kurztrip. Es braucht seine Zeit, bis der Mensch die Regulationsfähigkeit wiedererlangt und beginnt, seinen Körper wirklich zu spüren.“
Nachgefragt bei: HANS KOTHBAUER, Leiter der Therapien im Kurhaus der Barmherzigen Brüder in Schärding am Inn, einem Zentrum für angewandte Naturheilkunde.