In Partnerschaft mit

„Huch, die Mama kommt!“ – Mit diesem Satz hat alles begonnen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur gepafft, nicht inhaliert. Rauch in den Mund saugen, ausblasen und sich gut vorkommen. Am Schulhof somit bei den coolen Kids. Wir hatten sogar ein „Raucherkammerl“, in dem Lehrer und Schüler in den Pausen friedlich vereint pofelten. Hat mir sehr gefallen. Mit den Lässigen auf Augenhöhe.

„Huch, die Mama kommt.“ Mit diesem Satz brachte mir Günther aus der 6B das Inhalieren bei. „Du paffst ja nur“, bekrittelte er. Beim „Huch“ aber zieht man die Luft tief in die Lunge. Einen Flash später war ich süchtig.

Keine Heldenstory

Eigentlich sollte ich stolz davon erzählen, wie ich den Kampf gegen das Gift (vielleicht sogar lässig) gemeistert habe – „from zero to hero!“

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Jedoch: Ein Heldenepos wird diese Geschichte nicht. Ich möchte ehrlich sein, denn das hat jeder, der sich auf den Irrsinn eines Entzuges einlässt, verdient: Ich denke immer wieder an Zigaretten und an die Entspannung, die sie versprechen. Die Sicherheit, die sie mir geben. Es ist eine toxische Beziehung. Immerhin will mein Partner mich umbringen.

Wir alle wissen, dass Rauchen kaputt macht, vor allem in rauen Mengen. Jeder Raucher kennt sie, die Bilder von deformierten Lungen und Zungen auf den Zigarettenpackungen.

Allein: Sie erzielen keinen Effekt! Auch nicht die Statistiken, die nachvollziehbar warnen … Das Geld, das man ins Verderben investiert? Verdrängt man. Die Falten? Löst man bei der Hautärztin, soweit es eben geht. Die vorwurfsvollen Blicke der Nichtraucher? Erzürnen sogar! Blöde Spießer. Alle so rosig und gesund. Angepasst, gleichgeschaltet. Was wurde bloß aus „Sex, Drugs and Rock ’n’Roll“?

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Rebellin oder Opfer?

Was ich da so blumig beschreibe, kann man getrost als die wahrscheinlich dümmste aller Rebellionen bezeichnen. Denn ist dem Rebellen nicht die Freiheit das höchste Gut? Nun, man ist nicht wahnsinnig frei, wenn man frühmorgens erst einmal Tschick kaufen gehen muss, bevor man nur einen Satz in die Tastatur hackt.

Es ist im höchsten Grad unfrei, auf der Party nicht weiterfeiern zu wollen, wenn keine Zigaretten mehr da sind. Es ist eine harte Sucht. Man lässt den Rauch tief in sich hinein, nicht nur in die Lungen. Er erfüllt dich, er erhält dich, er täuscht dich, er verführt dich. Wie eine tropische Würgefeige, die sich um einen Baumstamm räkelt. Fester und fester. Irgendwann erdrückt sie dann ihren Wirt – übrig bleibt ihr eigenes riesiges, hohles Gerüst.

Illustration, rauchende Gruppe, rauchen, Rauchentwöhnung
Ist rauchen überhaupt noch „in”?

Pauline Wernig

Der erste Schritt

Um mit dem Rauchen aufzuhören, muss es pressieren. Man braucht einen gewissen Leidensdruck. Der Süchtige muss von der Sucht in die Enge getrieben werden, damit er sich stellen kann. Bei mir war es die Menge.

Zum besseren Verständnis: Ich arbeite zu Hause – ich kann qualmen, bis die Schwarte kracht, niemanden stört es. Aber für gewisse Freiheiten ist der Mensch eben nicht gemacht. Mein Konsum hat sich seit „Huch, die Mama kommt“ kontinuierlich gesteigert. Die letzte Steigerung kam mit der Pandemie.

Ich habe begonnen, untertags heftig zu rauchen. Als die Ängste schwanden, blieb das (gesteigerte) Laster. In meinem Kopf war nun das Rauchen mit Leistung verknüpft. Ein Telefonat? Klappt besser mit Tschick. Texten? Funktioniert besser mit Tschick, mit vielen, vielen Tschick. Kreativ-Sessions? Her mit den Tschick! Es ging so weit, dass ich nicht in den Arbeitspausen geraucht, sondern Pausen vom Rauchen gemacht habe.

Denn in den Momenten, in denen ich die Wohnung putzte, kochte, einkaufte oder sportelte – da ging es ohne Zigarette. Mir ist klar, dass ich auf meinem Weg Hilfe und Begleitung brauchen werde. Und dabei erinnere ich mich an Birgit. Birgit, die nur mehr selten eine raucht. Birgit hat sich hypnotisieren lassen. Hm. Ich beschließe, der Sache eine Chance zu geben.

Ist dem Rebellen nicht die Freiheit das höchste Gut? Nun, man ist nicht gerade frei, wenn man frühmorgens erst einmal Tschick kaufen gehen muss.

Tag 1

Ich will keine von diesen verkniffenen Zeigefinger-Nichtraucherinnen werden. Ich will einfach so sein wie jetzt, nur halt ohne Zigaretten. Oder zumindest mit deutlich weniger Zigaretten. Dieses Briefing schleudere ich der Wiener Hypnose- und Psychotherapeutin Claudia Schwinghammer entgegen, nachdem sie mir erzählt hat, dass ich ab unserer heutigen Sitzung nicht mehr rauchen werde.

Dieser Satz macht mir Angst, er klingt endgültig.

Will ich das? Doch, doch – immerhin wurde bei meinem Kater gerade Kieferkrebs diagnostiziert, und ich werte das als Zeichen. Dementsprechend aufgewühlt bin ich während der Session, es fließen Tränen. Ich öffne mich völlig und vertrauensvoll, erzähle von meinen manifestierten Glaubenssätzen, von meiner Jugend, von großen und kleinen Krisen und welche Rolle der Nikotinkonsum dabei spielte.

Dann versetzt mich Claudia in einen tranceartigen Zustand und vermittelt meinem Unterbewusstsein Werte wie Stärke, Freiheit, Souveränität und Lebendigkeit. Am Schluss der Sitzung erstellt sie noch ein persönliches Audio-File mit ebendiesen Inhalten. 21 Tage werde ich es täglich hören, um die neuen Muster zu manifestieren. Trotzdem kaufe ich zur Sicherheit Nikotinpflaster.

In mir ist ein Loch, das schreit. Anders kann ich meinen Zustand nicht beschreiben.

Tag 3

Die letzten 72 Stunden waren der absolute Horror. Wirklich. Ich mag das nicht schönen. Nachts plagen mich Alpträume. Tagsüber schwitze und zittere ich abwechselnd, ich bin fahrig, unkonzentriert und extrem gereizt. Extrem gereizt. Autofahren ist eine besondere Challenge. Im Auto habe ich gerne geraucht. Jetzt würde ich gerne ausnahmslos allen Verkehrsteilnehmern eine auflegen.

Als mich ein Kerl schneidet, bin ich kurz davor, auszusteigen und ihm die Windschutzscheibe zu zertrümmern. Wenn dieser Zustand länger anhält, so schwöre ich mir, fange ich wieder an zu rauchen. Ich klebe ein neues Nikotinpflaster auf.

Tag 5

Claudias zehnminütiges Audio hilft mir sehr. Besonders einprägsam: die „Gartenszene“. Ich stehe in einem grünen Paradies, kann meine Zehen im Gras sehen, Vögel zwitschern, Tiere und Kinder spielen unter kräftigen Bäumen. Und dann stelle ich mir vor, wie es wäre, wenn jeder Teil der Natur rauchen würde. Alles wird grau. Ich stehe knietief in Tschick-Stummeln. Claudia beschreibt mit sanfter Stimme gnadenlos den Verfall – so lange, bis es wehtut.

Und dann lässt sie mich die Zigaretten wegschleudern. Das Bild löst sich auf, ihm folgen positive Affirmationen, die tatsächlich Wirkung zeigen. Die Arbeit geht gut von der Hand. Dazu muss man offenbar nicht rauchen. Crazy! Aber die restlichen Minuten des Tages sind keine Fahrt ins Grüne – eher eine durch die Hölle.

Tag 6

In mir ist ein Loch, das schreit. Anders kann ich meinen Zustand nicht beschreiben. Auch wenn ich keine Lust verspüre zu rauchen, etwas fehlt, etwas ist amputiert worden, und mich plagen Phantomschmerzen. Wenn ich nicht mein Leid via WhatsApp bei meiner Therapeutin abladen könnte, dann hätte ich längst hingeschmissen.

Tag 8

Ich würde gerne einen CBD-Joint rauchen – quasi kiffen, aber legal. Mit medizinischem Segen. Das tue ich manchmal abends zum Entspannen. Klar, CBD gibt es auch als Öl, aber als Raucher raucht man eben gerne.

Nur: Womit mischen? Im Internet bestelle ich Tabakersatz, aber ehrlich: Sind ja auch bloß Kräuter … Ich schlitze also ein Sackerl Pfefferminztee auf. Sehr erfrischend. Allerdings hat es einen ähnlichen Effekt, wenn man sehr bewusst ein- und ausatmet. Luft einsaugen mit gespitzten Lippen. Hilft wirklich.

Eines ist stärker als jedes Verlangen: die Neugier auf das, was nun noch kommen kann.

Tag 9

„Rauchen macht süchtig – fangen Sie gar nicht erst an“, heißt es. Das stimmt. Ich hätte mir viel erspart. Und meinem Freundeskreis auch. Ungeniert und ungefiltert lasse ich auf einmal alles raus, was ich fühle und denke. Ich bin zum verbalen Maschinengewehr mutiert. Das muss für mein Umfeld sehr irritierend sein.

Eigentlich gelte ich als verträglicher Typ, ich habe ein Golden-Retriever-Gemüt. Jetzt beginne ich, Warnungen vor mir selbst auszusprechen – auch, weil ich nicht garantieren kann, dass alter Zorn, der einst im Rauch verborgen war, wieder hochkommt. Bin nicht mehr vernebelt. Und ich zweifle alles an. Alles.

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Kann man auch nur ein bisschen rauchen?

Pauline Wernig

Tag 10

Ich kann das Audio-File schon auswendig nachsprechen. RTT – diese drei magischen Buchstaben stehen für „Rapid Transformational Therapy“. Die kombiniert Hypnotherapie, Psychotherapie, NLP und Neurowissenschaften miteinander. Nicht jeden Menschen kann man hypnotisieren, mich aber offenbar schon. Heute gehe ich also wieder die Stufen hinab, tiefer und tiefer, bis ich im flauschig-fluffigen rauchfreien LaLa-Land bin. In Sicherheit.

Tag 13

Oh, ich habe seit einiger Zeit vergessen, das Nikotinpflaster aufzukleben.

Tag 15

Ein Grund, warum ich nicht mit dem Rauchen aufhören wollte, ist die Sache mit dem Gewicht. Lieber krank, dafür schlank. Ich möchte gar nicht zu sehr darüber nachdenken, was für Giftmüll da in manchen Frauenköpfen festsitzt. Dazu aber eine Entwarnung: Ich leide weder unter Verdauungsproblemen noch an gesteigertem Appetit – was daran liegen kann, dass während der Hypnose auch meine oft eskalierende Snackerei thematisiert wurde. Darum habe ich ausdrücklich gebeten. Es klappt. Allerdings schmecke und rieche ich nicht besser – so wie es mir prophezeit wurde.

Tag 17

Ich habe auf einem Geburtstagsfest viel Wein getrunken und Zigaretten geraucht. Und auch wenn der Akt nicht von schlechtem Gewissen begleitet war, habe ich doch Angst vor dem nächsten Tag.

Tag 18

Entgegen meinen Befürchtungen verspüre ich nach dem Party-Rückfall keine Lust, wieder zu rauchen. Halleluja.

Tag 19

Das Loch in mir schreit leiser. Oder ich habe mich einfach an die Entzugserscheinungen gewöhnt.

Tag 21

Den Fehler gemacht, über Rauchentwöhnung auf Facebook zu posten. 40.863 Ratschläge bekommen, die mich eher verunsichern als empowern. Bin sehr froh, mir den Luxus einer prozessbegleitenden Therapeutin geleistet zu haben. Ich hätt’s nie allein geschafft. Denn Rauchen macht nicht nur unsere Körper, sondern auch unsere Köpfe höchst individuell kaputt. Und es gibt kaum Allgemeingültigkeiten.

Fazit (drei Monate später)

Ich rauche untertags nach wie vor keine Zigaretten. Ich rauche, wenn ich Alkohol trinke, was glücklicherweise nicht allzu oft passiert. Existieren „Genussraucher“ wirklich? Gibt es diese seltsamen Fabelwesen? Und sollte ich das Glück haben, zu ihnen zu gehören? Eine vielleicht trügerische Sicherheit. Weniger zu rauchen, anstatt komplett aufzuhören, das bringt nicht so viel, wie man sich erhofft – dadurch verändert sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten und Lungenkrebs nicht entscheidend.

Dennoch ist Reduktion immer noch besser als volle Pulle. Ich habe einen wichtigen Schritt geschafft. Aber noch traue ich dem Frieden nicht. Da ist noch ein kleiner Spalt, aus dem blauer Dunst strömt – und ich will nicht, dass er zum Fenster wird, zum Tor.

Wie gesagt: kein klassisches Heldenepos. Dass ich es allerdings überhaupt so weit geschafft habe – unglaublich! Ich bin dankbar. Die Entwöhnung hat in mir ein ganzes Feuerwerk an positiven Veränderungen gezündet. Sie hat mich freier, mutiger und unabhängiger gemacht. Als wäre ich aus einem langen Schlaf aufgewacht – verwirrt, aber mit frischer Energie. Eines ist nun stärker als jedes Verlangen: die Neugier darauf, was nun noch kommen kann – und auf weitere Begegnungen mit mir selbst.

Wir sagen Danke: Für diese Geschichte war Janina bei mental-health.wien in Behandlung.