Es gibt ja dieses reizende Bonmot, das entgegen anderslautender Behauptungen definitiv nicht von Karl Kraus stammt, sondern irgendwann nach 1945 einfach da war: Was die Österreicher und die Deutschen trennt, ist die gemeinsame Sprache.
Und das stimmt in so vielerlei Hinsicht, wenn man zum Beispiel daran denkt, dass man in der Alpenrepublik den Anschnitt eines Brotlaibes Scherzerl, im Niedersächsischen hingegen Knust nennt. Das ist der Unterschied zwischen sprachlich streicheln und mit Buchstaben piesacken.
Aber es gibt auch bei dieser Regel Ausnahmen, und eine davon ist die Pudelhaube, die nördlich des Weißwurstäquators Bommelmütze heißt. Das klingt zwar immer noch recht preußisch, aber zumindest auf eine flauschige Art. Was auch nur recht und billig ist, denn zu so etwas Liebem muss man auch mit der Bezeichnung freundlich sein.
Trotz erwiesener Kuscheligkeit des Objekts muss jetzt aber erst mal Hartes auf den Tisch.
Nämlich die Fakten:
Erfunden wurde die Haube mit dem Wollbommel obendrauf keineswegs als modisches Accessoire, sondern, man muss es in der Deutlichkeit sagen, weil sich Männer seit jeher mit dem Schätzen schwertun. Es waren die Seeleute, die sich ein ums andere Mal an den niedrigen Decken auf den Schiffen den Kopf anstießen, und so baute man bei ihren Hauben diese niedlichen Stoßdämpfer obendrauf. Wenn sie sich schon nichts merken konnten, sollte das wenigstens nicht ganz so wehtun.
Das zweite Faktum ist, dass der Autor dieser Zeilen grundsätzlich jeder Art von Kopfbedeckung eher ablehnend gegenübersteht, seit er einmal als Kind eine Pelzmütze unter dem Weihnachtsbaum vorfand, wie sie der nur noch älteren Semestern vertraute Sänger Ivan Rebroff mit Vorliebe getragen hatte. Seit damals war Frieren eine echte Alternative. Nur die Pudelhaube vermochte diesen massiven Wall der Ablehnung zu durchbrechen.
Die Superkraft der Pudelhaube liegt aber in ihrer Fähigkeit zur Verwandlung derer, die sie tragen.
Denn einerseits hatte das wiederholte sanfte Drücken des Wollballes auf die Schädeldecke fast schon den Charakter einer wohligen Kopfmassage, viel mehr noch aber faszinierte der haptische Genuss. Nie wieder war es in harten Momenten so einfach, Unangenehmes mit einem Griff in die weiche Quaste auf dem Haupt kurzerhand wegzustreicheln.
Die Superkraft der Pudelhaube liegt aber in ihrer Fähigkeit zur Verwandlung derer, die sie tragen. Da kann jemand noch so grantig dreinschaun – mit diesem Wollknäuel auf dem Kopf kriegt selbst die größte Zwiderwurzn oder (wie unsere deutschen Freunde sagen) der größte Griesgram eine fröhliche Note.
Damit wärmt diese wunderbare Erfindung in kalten Momenten nicht nur den eigenen Kopf, sondern auch die Herzen der Betrachter.
Wolfgang Maria Gran ist freier Autor und Singer/Songwriter. Er trägt seine Pudelhauben meistens in St. Pölten.
Winterwonne – 4 Gründe, an kalten Wintertagen rauszugehen
Jede Schneeflocke ist ein Unikat, jeder Wintertag ein Geschenk: vier gute Gründe, an kalten Tagen rauszugehen. Weiterlesen...
Lust noch mehr aus der Reihe „Ode an ...“ zu lesen: