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Warum Yoga? Was fasziniert dich daran?
„Ich glaube, in der Essenz geht es darum, zu sich, dem eigenen Körper, zu seinem Denken und Fühlen und vielleicht sogar darüber hinaus zu etwas Größerem eine Verbindung zu bekommen. Ein gesunder, kräftiger, flexibler Körper ist natürlich willkommen. Aber die eigentliche Stabilität, die wir im Yoga suchen, ist in unserem Denken und Fühlen. Dass wir nicht ständig wie ein Pendel hin und her schwanken – von wegen: ‚Alles ist gut‘ und dann wieder ‚Alles ist scheiße‘“.

Viele sehen in Yoga ein Allheilmittel. Du praktizierst es seit 25 Jahren. Was kann Yoga deiner Erfahrung nach? Und was kann es nicht?
„Allheilmittel ist es sicher nicht, das sehe ich an mir selbst: Ich habe einen genetischen Defekt, der mir alle paar Jahre eine Art Leukämie beschert. So was kriegst du mit Yoga nicht weg, aber Yoga kann mich dabei unterstützen, wie ich mit schwierigen Situationen umgehe. Wie belastend erlebe ich das? Oder wie gelassen? Man hört zwar oft: Yogaübungen gegen Migräne, gegen Hangover, für besseren Schlaf … Aber Yoga funktioniert nicht wie eine Kopfschmerztablette, die man nimmt und alles ist gut. Was eine regelmäßiges Praktik aber durchaus schafft: Man kann damit zum Beispiel langsam das Nervensystem runterfahren, und natürlich schläft man dann auch besser.“

Aber die eigentliche Stabilität, die wir im Yoga suchen, ist in unserem Denken und Fühlen.

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Studien zeigen, dass Yoga etwa bei chronischem Asthma oder Bluthochdruck Verbesserungen bringen kann.
„Ja. Vieles passiert da vor allem über den Atem. Es ist wissenschaftlich belegt, dass wir durch Yoga eine ruhigere, tiefere Atmung bekommen, und dies wiederum kann eine unglaublich positive Wirkung auf die autonom gesteuerten Prozesse in unserem Körper haben. Yoga kann also durchaus heilen – aber eben nicht alles.“

Du bist seit 2005 auch Yogalehrer der Deutschen Fußballnationalmannschaft. Yoga und Fußball sind eine ungewöhnliche Mischung. Wie kam’s dazu?
„Ein Entscheider, Oliver Bierhoff, war lange bei mir in der Klasse und meinte irgendwann: ‚Schade, dass ich das nicht schon während meiner Karriere kannte. Dann hätte ich vielleicht noch länger spielen können.‘ Ihm war wichtig, dass die jungen Spieler jetzt möglichst früh mit Yoga in Kontakt kommen, um schneller zu regenerieren bzw. das Nervensystem nach einem großen Spiel runterzufahren.“

Stimmt es, dass es die Angst gab, Yoga mache „weich“ und man würde den nötigen Biss zum Siegen verlieren?
„Dieses Denken gab es mitunter bei manchen vor zehn Jahren, ja. Aber das ist zum Glück aus den Köpfen der Leute raus. Mittlerweile weiß man: Höchstleistungen kann nur bringen, wer auch Regenerationsphasen schafft. Und dafür ist Yoga ein wichtiges und anerkanntes Tool. Was dabei nicht vergessen werden darf: Yoga bringt auch eine große mentale Stärke, Drive und Konzentration. Die ganz alten Yogis in der Geschichte zum Beispiel, das waren richtig wilde Kerle. Wenn die einem entgegenkamen, dann wechselte man die Straßenseite. Das waren keine heiligen Om-Shanti-Schluffis, das waren Krieger. Auf sie gehen die ersten Hatha-Yoga-Praktiken zurück.“

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Du betreibst im Raum München drei Yoga-Studios. Wer taucht noch wenig in den Klassen auf, könnte aber viel von Yoga proftieren?
„Wem Yoga sicherlich guttun würde, das sind meiner Erfahrung nach die Entscheidungsträger und Manager bzw. Managerinnen. Diese Gruppe sehen wir bisher nur sehr selten. Diese Leute pushen sich oft bis zum Limit und machen dann in der Freizeit dasselbe, indem sie für den nächsten Marathon oder Triathlon trainieren. Wobei gerade der Gegenpol der Erholung wichtig wäre – das sieht man ja auch an dem großen Zulauf der Burnout-Kliniken, -Coaches und -Therapeuten. Die haben richtig viel zu tun.“

Manche lehnen Yoga wegen der spirituellen Komponente ab. Was entgegnest du denen?
„Ob man an eine höhere Kraft glaubt, die in uns allen wirkt, muss jeder für sich selbst entscheiden, das ist etwas sehr Persönliches. Ich bin schon glücklich, wenn die Leute zumindest anerkennen, dass mit Yoga das Denken und Fühlen beruhigt werden kann. Mehr Überzeugungsarbeit möchte ich eigentlich gar nicht leisten.“

Oft hört man, dass Yoga auch emotionale Blockaden löst. Kannst du das bestätigen? Du bist ja nicht nur Yogalehrer, sondern auch promovierter Psychologe.
„Yoga kann dich Blockaden spüren lassen – so viel ist klar. Die meisten Emotionen sitzen in der Hüfte, im unteren Rücken und im Brustkorb. Und bei der Körperarbeit bricht manchmal was los, manchmal löst sich was. Denn wir speichern alle Informationen aus der Vergangenheit – jedes Trauma, jede emotionale Verletzung oder Zurückweisung steckt auch in unseren Gelenken, Knochen, Muskeln. Aber um etwas wirklich aufzulösen, reicht Yoga meiner Meinung nach nicht. Da braucht es dann schon auch Psychotherapie oder Ähnliches. Das Gute aber ist: Durch die Körperarbeit im Yoga muss man in der Terapie dann oft gar nicht mehr so viel in der Vergangenheit wühlen.“

In deinem Buch „Yoga für dich“ rätst du Anfängern, mit Einheiten von fünfzehn Minuten zu beginnen. Das reicht?
„Es reicht, um reinzukommen, aber sicher nicht, um in die Tiefe zu gehen. Fünfzehn Minuten Yoga täglich sind definitiv besser, als es gar nicht zu machen. Man kann auch mit ganz simplen Atemübungen beginnen und wird sehen: Da geht was. Und dann tun sich ganz neue Impulse auf.“

Was waren denn deine eigenen Stolpersteine?
„Anfangs habe ich es mit zu komplexem Yoga versucht. Mein Körper war einfach noch nicht beweglich und kräftig genug.“

Wie findet man als Anfänger eigentlich den Yoga-Stil, der zu einem passt?
„Da hilft nur ausprobieren. Indem man sich drei, vier, fünf verschiedene Stile, aber auch einige Lehrer und Lehrerinnen anschaut. Und sich dann fragt: Wo habe ich mich am wohlsten gefühlt? Verkehrt wäre jedenfalls, bloß eine Sache auszuprobieren und danach aufzuhören.“

Yoga ist für viele ein Startschuss, die Reise zu sich selbst zu beginnen. Manche kippen dabei in den Prozess der Selbstoptimierung hinein. Beweglichkeit, Ernährung – das ganze Leben soll plötzlich optimiert werden.
„Ja, schnell ist man bei ‚höher, schneller, weiter‘. Ich denke, was es braucht, ist eine bewusste Entscheidung dagegen. Aber wenn man in diesem Wettbewerbs-Mindset, das in unserer Gesellschaft fest verankert ist, mal drin ist, ist es ein längerer Prozess, da wieder rauszukommen. Ich sehe immer mehr Menschen mit diesen Uhren am Handgelenk, die während der Yogastunde den Kalorienverbrauch und sonstiges messen. Und ich finde das schade, denn darum geht es nicht im Yoga. Man wird mit Yoga auch nicht ‚transformiert‘ werden, auch wenn es oft heißt: ‚Werde mit xy-Yoga zur besseren Version von dir selbst‘. Yoga soll uns vielmehr helfen, uns, so wie wir jetzt sind, wieder zu lieben und zu akzeptieren. Mit all unseren Besonderheiten und Dingen, die vielleicht nicht so angenehm, aber trotzdem ein Teil von uns sind.“

Yoga soll uns vielmehr helfen, uns, so wie wir jetzt sind, wieder zu lieben und zu akzeptieren.

Wie versuchst du, diesen Gedanken deinen Yoga-Schülern zu vermitteln?
„In meinem Unterricht sage ich immer: Es geht nicht darum, sich heute weiter zu dehnen als gestern oder stärker als der Matten-Nachbar oder die -Nachbarin zu sein. Das Ziel ist, in sich hineinzuspüren. Sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Als ich in New York war, ist oft die Hälfte der Klasse vor der letzten Entspannungsübung gegangen, weil jeder schon zum nächsten Termin wollte. Das hat mir wahnsinnig leid für die Leute getan, weil sie den Körper auf Entspannung vorbereiten, sich diese Entspannung dann aber nicht gönnen. Aber ich denke, je regelmäßiger man Yoga macht, desto bewusster wird man automatisch in vielen Dingen des Lebens. Man merkt, wann man sich unnötigerweise stresst, aufregt, selbst schadet. Und wenn dann jemand vielleicht diese Fitness-Tracking-Uhr im Schrank lässt – dann ist das meiner Meinung nach schon ein großer Erfolg.”

Patrick Broome, geboren in Deutschland, aufgewachsen in Kalifornien, ist Doktor der Psychologie, seit zwanzig Jahren Yogalehrer und Betreiber von drei Yoga-Studios in München. Er hat mehrere Bücher zum Thema geschrieben – z. B. „Yoga für dich“, „Mit Yoga leben“ oder „Spirituelle Krieger – Wie Yoga Männern Kraft gibt“. patrickbroome.de

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