In Partnerschaft mit

Liebe Sonne, wir müssen reden. Wir vertragen uns nicht mehr so gut. Es liegt nicht an dir. (Oder doch?) Jedenfalls brauchen wir mal mehr Abstand. Und mehr Nähe. Aber Sicherheit. Verstehst du? Ich auch nicht!

Dein Mensch

Lieber Mensch, wir müssen reden. In einer Beziehung sollten sich beide Partner an gewisse Regeln halten. Meinen Teil trage ich bei. Jetzt bist du dran!

Deine Sonne
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Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

Irgendwann ist es passiert. Aus Sehnsucht wurde Skepsis, aus Wollen wurde Meiden. Da stehen wir nun, gestrandete Sonnenkinder, und fragen: „Where did the love go?“ Zeit, unsere elementarste Beziehung aufzuarbeiten.

Liege an Liege, Strandtuch an Strandtuch – und nirgends ein Sonnenschirm zu sehen, geschweige denn ein Baum. Wenn uns frühe Urlaubsfotos der Eltern in die Hände fallen, staunen wir nicht schlecht: Erstens natürlich, weil die Altvorderen darauf so wahnsinnig jung aussehen. Zweitens, weil sie so gigantisch braun sind. Und drittens, weil alle um sie herum einfach nur daliegen, von Kopf bis Fuß in der prallen Sonne. Unvorstellbar.

Seit Jahrtausenden haben Menschen ein sehr spezielles und sehr enges Verhältnis zur Sonne. In sämtlichen Kulturkreisen hat sie eine besondere Bedeutung, rund um die Welt wurde sie vormals als Gottheit verehrt, und auch viele der Menschen auf den frühen Urlaubsfotos der Eltern hätten sich noch als Sonnenanbeter bezeichnet. Ewige Zeiten war zumindest in unseren Breiten klar: Die Sonne tut uns gut. Sie bringt die Erlösung nach harten, kalten Wintern. Ihre Wärme und ihr Licht steigern unsere Lebenslust, hellen unsere Stimmung auf. Im Urlaub streckten wir uns daher auf dem Handtuch aus und suhlten uns in der Hitze. Innig und unbeschwert, so war unsere Beziehung zur Sonne.

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Vor ein paar Jahrzehnten allerdings entdeckten wir, dass diese Beziehung auch ihre Schattenseiten hat. In der ersten Verliebtheit übersieht man ja gern, dass der Partner oder die Partnerin auch Eigenschaften hat, die vielleicht nicht ganz so großartig sind. So ähnlich war es auch bei uns und der Sonne. Erkannt wurde die Gefahr, die von der Sonne ausgeht, schon in den 1960er-Jahren, es dauerte aber, bis dieses Risiko der breiten Masse bewusst wurde. Die UV-Strahlung, ein unsichtbarer Teil des Sonnenlichts, wurde als wichtigste Ursache von Hautkrebs ausgemacht. Seither halten wir uns von der Sonne lieber fern. Wir cremen uns ein, sobald wir im Sommer das Haus verlassen, wir meiden die Mittagssonne, und die teuersten Plätze am Strand sind jene mit dem größten Schirm.

Die Sonne, die uns über Jahrtausende gutgetan hatte, war zur Quelle der Gefahr geworden, unsere Beziehung zu ihr plötzlich von Vorsicht geprägt. Wir ließen uns nicht mehr ganz auf sie ein oder gingen ihr gleich völlig aus dem Weg, wie dem pubertären Exfreund, der uns peinlich geworden ist. Innig und unbeschwert verhielten sich zur Sonne nur noch ein paar Unverbesserliche, die sich unverwundbar wähnten. Man erkennt sie immer noch an der viel zu braunen Haut, die selbst im Winter nicht verblasst.

Doch seit ein paar Jahren findet erneut eine Art Trendwende statt. Immer öfter melden sich Experten zu Wort, die sagen: Lasst die Sonne rein! Rund um die Welt verlautbaren Gesundheitsämter wieder: Geht raus! Ungeschützt! Auch zu Mittag! Aber halt nur kurz: Die Sonne tut euch gut, sie hebt eure Stimmung und stärkt sogar eure Gesundheit, wenn ihr ein paar Dinge beachtet. Seither ist unsere Beziehung zur Sonne, die zuerst unbeschwert und innig war und danach vorsichtig und distanziert, nun ja ... kompliziert. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig soll es sein. Und das Schlimmste: „Was das bedeutet, muss jeder Mensch für sich beantworten, weil wir je nach Hauttyp und genetischer Erfahrung unterschiedlich gut mit der Sonne umgehen können“, sagt der deutsche Arzt Alexander Wunsch, der sich auf Fragen der Lichtbiologie und Lichttherapie spezialisiert hat.

Also was jetzt?

Wie komplex unsere Beziehung zur Sonne mittlerweile tatsächlich ist, zeigen zum Beispiel Studien, die sich mit der längerfristigen Gesundheitsentwicklung und dem Sonnenverhalten beschäftigen. Vor wenigen Jahren hat eine Langzeitstudie des schwedischen Karolinska-Instituts ergeben, dass ein Vermeiden der Sonne das Sterberisiko erhöht, und zwar „im gleichen Maße wie das Rauchen“, schrieben die Forscher. Sie zeigten auf, dass von den 30.000 beobachteten Schwedinnen im Alter von 25 bis 64 Jahren jene, die die Sonne mieden, ein doppelt so hohes Sterberisiko hatten wie jene, die am häufigsten an der Sonne waren.

Andere Studien zeigen, dass Menschen, die draußen arbeiten, weniger oft an Hautkrebs erkranken als jene Bürohocker, die es nur einmal im Jahr zwei Wochen am Stück an die Sonne schaffen.

Nicht mit ihr und nicht ohne sie

Die Nachweise und Indizien dafür häufen sich, dass eine gute Beziehung zur Sonne den Blutdruck niedrig hält, dass sie Herzerkrankungen und auch Autoimmunerkrankungen verringern kann. Auch Depressionen sind dort, wo Men­schen regelmäßig an der Sonne sind, sel­tener. Gleichzeitig ändert das allerdings nichts daran, dass zu viel Sonne der größte Risikofaktor ist, um an Hautkrebs zu erkranken, der häufigsten aller Krebs­arten. Wir können nicht wirklich mit der Sonne – aber auch nicht ohne sie.

„Es gilt, eine gute Balance zu finden“, sagt Alexander Wunsch. Das geht, wie in allen Beziehungen, indem man einander zuhört, aber eben auch versteht, was man selbst braucht. Bis man dort hinkommt, ist es wie bei einer Beziehungstherapie ein Prozess des Lernens und Ausprobierens, und der ist eben manchmal – erraten! – kompliziert. Aber die kommenden zwölf Seiten helfen schon mal ein gutes Stück weiter ...

Luftballone

Bild: Getty Images

Was macht die Sonne mit uns?

Gesundheit existiert nicht ohne Sonne. Das ist nicht bloß etwas, das Eltern behaupten, wenn sie ihre Kinder vom Bildschirm weg­lotsen wollen. Vielmehr tritt jede Körperzelle den Beweis an. Tag für Tag.

Immunsystem, Stoffwechsel, Knochen: Ohne D geht’s nicht!

Bei fast jeder Beziehung, die auseinander­geht, gibt es diese eine Sache, diesen einen schmerzhaften Nebeneffekt: Auf einmal fehlt etwas, von dem man zuvor gar nicht bemerkt hat, wie wichtig es ist. Oder dass es überhaupt da ist. Man staunt dann, ist vielleicht traurig und sucht Ersatz, sofern das möglich ist. Als sich unsere Beziehung zur Sonne auseinanderentwickelte, war das auch nicht anders. Und das, was uns plötzlich fehlte, ist sicher ein Schlüsselfaktor, der viele Experten zum Umdenken gebracht hat: Dieser Faktor heißt Vitamin D. In den vergangenen Jahren ist es zum Super­star geworden, auch wenn es nach klassi­scher Definition gar kein Vitamin, sondern eine Vorstufe zu einem Hormon ist.

Schon seit über hundert Jahren ist bekannt, dass Vitamin D dabei hilft, im Darm Kalzium zu binden, das dann un­sere Knochen, Zähne und Muskeln stärkt. Es spielt also bei unserem Stoffwechsel mit, regelt den Mineralhaushalt und trägt auch dazu bei, dass unser Immunsystem gut funktioniert. Zudem hat man zuletzt bei Herzerkrankungen, Darmkrebs, De­menz, Diabetes und multipler Sklerose beobachtet, dass gleichzeitig oft auch ein Vitamin ­D­ Mangel vorliegt.

Kurz gesagt: Vitamin D ist immens wichtig für unsere Gesundheit. Der Haken daran: Nur zehn Prozent dessen, was wir an Vitamin D brauchen, können wir durch die Nahrung zu uns nehmen. Streng betrachtet gilt das auch nur für die Variante D2, die sich etwa in fettem Fisch wie Lachs und Makrele, in Butter und getrockneten Pilzen findet. Die restlichen neunzig Prozent muss unser Körper selbst bilden – und dafür braucht er das Sonnenlicht. Ungefiltert, direkt auf die Haut.

Böse Strahlen, gute Strahlen

Es sind ausgerechnet die UV­B­Strahlen, vor denen uns jede Sonnencreme schützt, die den Fettstoff Cholesterol in unserer Haut in Vitamin D umwandeln. Durch die Weiterverarbeitung in Leber und Niere wird daraus dann jene Hormon­vorstufe, die wir für all die Aufgaben in unserem Körper benötigen. Ausgerechnet die UV­B­Strahlen also! Sie machen nur rund zehn Prozent des UV­Lichts aus, das wiederum allein in der Mittagszeit in ausreichender Inten­sität und im richtigen Winkel auf uns einstrahlt.

„Und dann muss man ungeschützt in die Sonne, um möglichst effizient dafür zu sorgen, dass wir ausreichend Vitamin D produzieren“, sagt Alexander Wunsch. Was der deutsche Arzt und Lichtbiologe da gelassen ausspricht, hört sich in den Ohren vieler beziehungsgestörter ehe­maliger Sonnenjünger völlig falsch an. Ungeschützt in die Sonne? Ausgerechnet zu Mittag? Ja. Meist wird empfohlen, dass bereits fünf bis fünfzehn Minuten zwei­ bis dreimal die Woche reichen und Gesicht, Arme und Hände ausreichend Fläche bieten, um in den Sonnenmona­ten genügend Vitamin D zu produzieren. Wunsch sieht das differenzierter: „Ich halte es nicht für richtig, ausgerechnet jene ‚Terrassen‘ zu empfehlen, die wir ohnehin genug der Sonne aussetzen und die oft erster Entstehungsort von Hautkrebserkrankungen sind“, sagt er. Besser wäre es, andere Körperpartien zu sonnen; übrigens auch effizienter, weil die weniger gebräunte Haut durchlässiger ist und der Effekt schneller eintritt.

Patentrezept? Fehlanzeige!

Hier fängt es dann wieder an, differen­zierter zu werden: Hellhäutige Menschen können UV­B­Strahlen schneller auf­nehmen als dunkelhäutige. Fünfzehn Minuten sind für einen hellen Hauttyp im Sommer ein guter Mittelwert, aber individuelle Unterschiede sind natürlich möglich. Wer im Sommer mittags nicht rauskann, muss mitbedenken, dass sich die Sonnenstrahlen abends und morgens in einem anderen Winkel viel länger durch die Atmosphäre arbeiten müssen und deshalb weniger intensiv sind. Der Körper braucht dann länger, um seine Tagesportion Vitamin D zu produzieren. Ganz schwierig wird’s bei uns im Winter.

Brauchen wir Vitamin-D- Präparate?

Bei tatsächlichen Mangelerscheinungen können Vitamin­ D­-Präparate durchaus helfen, gerade im Winter und bei älteren Menschen. Doch über viele Jahre – und bei richtiger Sonnenexponierung – regelt unser Körper das meiste sehr gut selbst. Er stellt die Vitamin ­D-­Produktion ein, sobald er davon genügend Vorrat gebil­det hat. Und dann gilt: Gemeinsam mit der Sonne schaffen wir das schon.

Wie die Sonne uns wachküsst und bei Laune hält

Der Wecker läutet, es ist Zeit, aufzuste­hen, aber die Lider liegen schwer auf den Augen, und das lange Gähnen lässt kei­nen anderen Schluss zu als: Der Wecker irrt sich, es ist einfach noch zu früh. Vielen Menschen geht es so, vor allem in der dunklen Jahreszeit, wenn uns oft nur Straßenlaternen den frühmorgend­lichen Weg zur Arbeit erleuchten.

Aber auch im Sommer merken vie­le Menschen, dass sie einen ganz ande­ren Rhythmus hätten als jenen, den der Wecker vorgibt, eine „innere Uhr“: Viele Prozesse unseres Lebens folgen dem Rhythmus von Licht und Dunkelheit. Die Sonne ist dabei ein Taktgeber. Auch, wenn wir es gar nicht merken (wollen), müssen wir einsehen: In unserer Bezie­hung zur Sonne haben wir den Kürzeren gezogen. Sie hat mehr Macht über uns als wir über sie. Man könnte sogar sagen: Sie bestimmt alles, und es schadet uns, wenn wir uns dagegen wehren wollen. „Nur wenn wir genug Tageslicht bekommen, können sich die Abläufe im Kör­per synchronisieren. Das gilt bis in die einzelne Zelle hinein“, sagt Birgit Högl, Professorin für Neurologie an der Medi­zinischen Universität Innsbruck.

Hormonhaushalt, Körpertemperatur, Schlaf, das alles ist auf einen bestimm­ten Rhythmus abgestimmt. „Er dauert 24 Stunden und ein paar Minuten, und er folgt dem Tageslicht“, so Birgit Högl.

Die Schaluhr hinter der Nase

Das Werk unserer inneren Uhr sitzt im Gehirn, im sogenannten suprachiasmati­schen Nucleus, der sich ganz knapp hin­ter unserem Nasenrücken befindet. „Hier werden die körperlichen Abläufe und die Gehirnaktivität gesteuert“, sagt Birgit Högl. Und das funktioniert so: Trifft Licht auf die Netzhaut unserer Augen, senden die Nervenbahnen dieses Signal weiter ins Gehirn. Dort werden dann die nötigen Entscheidungen getroffen: Bekommt das Gehirn genug Licht, wird die Ausschüt­tung des Hormons Melatonin gehemmt, das unseren Stoffwechsel bremst und uns müde werden lässt. Mit Licht werden wir also wach, und mit dem Licht schütten wir das Gute-­Laune­-Hormon Serotonin aus. „Umgekehrt gilt natürlich auch, dass zu viel Licht am Abend, wenn es eigentlich dunkel werden sollte, unserer inneren Uhr schadet“, sagt Birgit Högl. Haben wir es nachts sehr hell, stören wir den natür­lichen Rhythmus, der für ausreichend guten Schlaf und Regeneration sorgt.

„Es stellt sich immer öfter heraus, dass eine Störung des zirkadianen Systems dauerhaft zu Herz­-Kreislauf-­Erkrankun­gen führen kann“, sagt Birgit Högl. Gene­rell können die negativen Auswirkungen von zu wenig Tageslicht von Konzentra­tionsproblemen und gesunkener Leistungsfähigkeit bis hin zu Depressionen reichen und zu einer Schwächung des Immunsystems führen.

„Eine Stunde täglich mit einer Sonnen­einstrahlung von über 1.000 Lux ist das Minimum, das wir brauchen. Aber das schaffen viele Menschen nicht“, sagt Bir­git Högl. Oft verbringen wir tagsüber zu viel Zeit in Räumen, die durchschnittlich unter 500 Lux aufweisen, haben es abends aber viel zu hell – und wundern uns, wenn der Wecker uns viel zu früh wieder stört.

Wie Sonnenwärme uns dabei hilft, uns selbst zu helfen

Kaum ein Wellness-Hotel ohne Infrarotkabine, kaum eine Omawohnung ohne Infrarotlampe – selbst wer in Physik nicht aufgepasst hat, weiß, Infrarotstrahlen sind unter allen Strahlen offenbar die eindeutig guten. Wir lieben sie, wir brauchen sie, sie sorgen für Wärme, und Wärme hilft uns zu entspannen. Tatsächlich bemerkten die Menschen schon in der Antike, dass die Wärme der Sonne ihre Schmerzen lindert. Das Prinzip dahinter ist gar nicht so kompliziert: Die Infrarotstrahlung der Sonne, die für das menschliche Auge übrigens genauso wenig sichtbar ist wie die UV-Strahlung, dringt in die Haut ein und setzt dabei Moleküle in Schwingung. Die in der Haut liegenden Gefäße weiten sich. Weil die regionale Wärme durch kälteres Blut ausgeglichen werden muss, kommt die Durchblutung in Gang, und wo diese funktioniert, kann sie Sauerstoff und heilende Substrate besser anliefern – und wenn sie schon einmal da ist, nimmt sie den Körperabfall auch gleich wieder mit. So hilft die Infrarotstrahlung der Sonne dabei, Schäden an den Zellen schneller zu reparieren, und beugt – Müllabfuhr! – neuerlichen Schäden vor. Das hilft bei der Wundheilung, senkt den Blutdruck und stärkt so unser Immunsystem. „Der Blutdruck wird bei jemandem, der eigentlich unter zu hohen Werten leidet, sinken, sobald er sich für eine gewisse Zeit der Sonnenwärme aussetzt, einfach aufgrund der Aktivierung der Prozesse in der Haut“, sagt der deutsche Arzt und Lichtbiologe Alexander Wunsch. Wer immer wieder an die Sonne geht, kann damit auch Herz und Kreislauf stärken.

Fluch und Segen

Die richtige Dosis spielt allerdings auch bei der Infrarotstrahlung eine große Rolle. Bekommen wir zu viel vom kurzwelligen Infrarot-A-Licht ab, das bis zu sechs Millimeter in die Haut eindringt, kann auch das die Hautalterung beschleunigen und bis zu Hautkrebs führen. Die Infrarot-A-Strahlen aktivieren die Mitochondrien, die Kraftwerke unserer Zellen. Das ist gut und erwünscht – nur mit dem dummen Nebeneffekt, dass dabei auch die berühmt-berüchtigten freien Radikale entstehen – in der Folge wird das Bindegewebe angegriffen, die Haut wird trocken und faltig. Zudem trübt zu viel und zu starkes Infrarotlicht auch die Augenlinse.

Wie lange ist zu lange?

Seit einigen Jahren sind Sonnencremes zwecks Unterbindung der Hautalterung daher auch mit einem Schutz vor Infrarotstrahlen ausgestattet. Allerdings verhindert auch der Hitzeschutz die positiven Wirkungen der Sonnenbestrahlung, weshalb wir – vernünftig dosiert – auch unter diesem Aspekt immer wieder ungeschützt in die Sonne gehen sollten.

Wie lange uns das guttut, verrät uns einmal mehr das eigene Empfinden. Weil mit dem Sonnenlicht auch Infrarot-B- und -C-Strahlen auf die Haut treffen und dabei nur bis in die obere Schicht, die Hornhaut, eindringen (wo ihre Energie in Wärme umgewandelt wird), gilt generell: Wird es uns an der Sonne plötzlich zu heiß, ist das ein gutes Anzeichen dafür, dass wir uns nun in den Schatten begeben sollten.

Sonnenstrahlen fallen durchs Blätterdach in einem Wald

Glücksbringer Licht

Weil wir mittlerweile wissen, wie stark unsere Stimmung von Sonnenstrahlen abhängig ist, können wir es auch gezielt dafür einsetzen. Univ.-Prof. Dr. Siegfried Kasper gilt als einer der Vorreiter der sogenannten Phototherapie.

Warum macht uns Sonnenstrahlen glücklich, Herr Kasper?
„Allein schon deshalb, weil das Tageslicht Beta-Endorphin freisetzt, das uns entspannt, ausgeglichener macht und sogar Schmerzen lindern kann. Wir wissen seit hundert Jahren, dass Licht auch unserer körperlichen Gesundheit guttut, bemerkt haben wir Menschen die positiven Effekte aber schon sehr viel früher. Wir verbringen erst seit dem Industriezeitalter sehr viel Zeit drinnen, lange Zeit hat sich der Mensch vor allem im Freien aufgehalten und dementsprechend entwickelt. Wir sind also auf Sonnenlicht eingestellt, wir brauchen es, und das merken wir auch.“

Lieben wir die Sonne nicht auch, weil wir angenehme Dinge wie Urlaub damit verbinden?
„Mit Sicherheit spielen auch solche kulturellen Faktoren eine Rolle. Allerdings passt sich die Kultur dabei auch der Natur an, wir würden den Urlaub mit viel Sonnenstrahlen nicht genießen können, wenn wir nicht darauf eingestellt wären und nicht den entsprechenden inneren Antrieb dafür hätten.“

Wenn wir als Menschen also darauf eingestellt sind – sind dann jene Menschen, die an Orten mit mehr Licht leben, automatisch glücklicher?
„Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, weil dabei neben dem Sonnenlicht noch so viele andere Faktoren mitspielen. Man kann einen Schweden insgesamt ja nur schwer mit einem Italiener vergleichen. In den USA, wo die Bevölkerung relativ homogen ist, habe ich das allerdings untersucht. Ich habe dabei Menschen aus New Hampshire / Boston (selber Breitengrad wie Marseille) mit Menschen aus der Hauptstadt Washington (liegt etwa auf der Höhe von Neapel) und aus Florida (grob betrachtet auf der Höhe von Kairo) verglichen. Dabei zeigte es sich, dass es umso mehr Winterdepressionen gibt, je weiter man in den Norden kommt. Das gleiche Bild zeigte sich auch in Japan.“

Nicht viele Mediziner beschäftigen sich mit dem Thema Sonnenlicht. Was hat Sie daran interessiert?
„Mein Einstieg waren die zirkadianen Rhythmen. Bei depressiven Patienten ist dieser Rhythmus gestört. Als ich vor vierzig Jahren am National Institute for Health in Washington, D. C., arbeitete, schaute ich mir deshalb den Einfluss der Sonnenstrahlen auf die seelische Gesundheit sehr genau an. Es gilt nicht umsonst als Foltermethode, jemanden in Dunkelhaft zu nehmen. Wir brauchen das Licht.“

Und deshalb funktioniert – im Umkehrschluss – Licht auch als Therapie?
„Es gibt dabei mehrere Varianten. Die Phototherapie etwa nutzt ultraviolettes Licht, um spezifische Haut­erkrankungen wie etwa Neurodermitis zu behandeln. In der Psychiatrie wiederum verwenden wir das helle, weiße Licht, sparen aber den ultravioletten Anteil aus, um das Auge nicht zu gefährden. Und wir haben herausgefunden, dass eine Helligkeit von 3.000 bis 10.000 Lux eine günstige Wirkungskur­ve bei Patienten hat, die an Winterdepressionen leiden. Vor allem, wenn sie morgens oder mittags erfolgt, wenn unsere Systeme das Licht besser annehmen können.“

Was passiert dann?
„Sobald die Lichtsignale im Gehirn in der Zirbeldrüse, dem Hypothalamus, ankommen, kann es zu Antriebs­veränderungen kommen. Sie geben den Anstoß, dass der Nervenbotenstoff Serotonin hergestellt und verteilt wird, der für eine ausgeglichene Stimmungslage sorgt. Und sie sind es auch, die Serotonin in das müde ma­chende Melatonin umwandeln, sobald es dunkel wird. Solange unser Rhythmus intakt ist, passiert all das automatisch. Wenn nicht, kann die Lichttherapie diese Umschaltungen im Sinn von Antriebsveränderungen bewirken.“

Wie schnell tritt dieser Effekt ein?

„Spätestens zwei, drei Tage nach der ersten Bestrahlung ist er bemerkbar, während Medikamente zwischen zehn und vierzehn Tage brauchen, damit jemand aus der Depression ausbrechen kann. Es kommt tatsächlich zu Veränderungen des Hirnstoffwechsels, wenn man Patienten mit weißem Licht bestrahlt.“

Haben Sie den Eindruck, dass Menschen sich dessen bewusster werden und den natürlichen Rhythmus besser akzeptieren müssen?
„Das glaube ich nicht. Wir sind alle so vom Fortschritt begeistert, wir jetten um den Erdball herum, das küm­mert uns alles überhaupt nicht – auch wenn wir derzeit ein wenig ausgebremst wurden. Es würde uns aller­dings schon helfen, einfach anzuerkennen, dass wir von den Jahreszeiten, vom Sonnenlicht in einem sehr hohen Ausmaß abhängig sind. Dann können wir vorbeugende Maßnahmen setzen.“

Und rausgehen?

„Ja. Wenn ich weiß, dass ich im Dezember einen Ein­bruch bekomme, kann ich durch bewusste Tage mit mehr Sonnenstrahlen Brücken bauen, bis es wieder mehr Licht gibt.“

Das klingt so banal.

„Und deshalb wird es mitunter nicht ernst genommen. Wir hatten eine Patientin, die ein Problem mit der Familie ihres Mannes vermutete, weil sie jedes Mal einen Stimmungsabfall erlitt, wenn sie sich in dem Häuschen aufhielt, das er geerbt hatte. Auf die Idee, dass es an der Dunkelheit dieses Hauses gelegen haben könnte – es stand am Nordhang und hatte winzig klei­ne Fenster –, war sie nicht gekommen. Das ist aber nur eines von vielen Beispielen. Wer rausgeht, hat übrigens noch einen positiven Nebeneffekt: Er ist in Bewegung.“

Siegfried Kasper, 69, war bis vor einem Jahr Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinuniversität Wien. Dort arbeitet er nun am „Forschungscluster Neurowissenschaft“ mit.

Wilde Möhre (Daucus carota), Blütendolde im Gegenlicht, Abendlicht

Zehn Regeln für ein glückliches Miteinander

. Kenne dich selbst

Nur wer seinen Hauttyp kennt, aber auch die Geschichte seiner Familie, kann abschätzen, wie gut er Sonnenstrahlen verträgt. „Die meisten Menschen schätzen ihren Hauttyp falsch ein, sie halten sich für weniger empfindlich, als sie sind“, sagt der deutsche Arzt und Lichtbiologe Alexander Wunsch.

. Ehrlichkeit

Mit der Sonne ist es wie mit anderen Fernbeziehungen: An einem Wochenende oder in zwei Wochen Urlaub lässt sich nicht nachholen, was einem an Alltag entgeht, wenn man einander regelmäßig sieht. In zwei Wochen Sonnenbraten erzielt man weder den Selbstschutz, noch produziert der Körper genug Vitamin D für den Winter.

. Selbstschutz

Die Haut kann sich bis zu einem gewissen Grad selbst vor den negativen Seiten der Sonnenstrahlen schützen. Weil die Winterhaut allerdings besonders dünn ist, muss sie diesen Schutz nach und nach aufbauen. Mit jeweils ein paar Minuten draußen, ungeschützt, gewöhnen wir uns an die Sonne. Oft wissen wir erst drei, vier Stunden nach der Sonnenexposition tatsächlich, ob unsere Haut sie gut vertragen hat, weil erst dann Spannungen auftreten.

. Die dunklen Seiten anerkennen

Es ist so: Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da, aber mehrheit­lich schon. Sobald es draußen dunkel ist, sollten wir auch das Licht in der Wohnung dimmen. Und möglichst vor Mitternacht einschlafen, wenn unser Körper sowieso alles runterfährt.

. Einlassen

Eine Stunde Tageslicht ist das Minimum, damit unser zirkadianes System wirklich gut funktio­niert. Eine Stunde Beziehungs­arbeit also, im Idealfall ohne ein filterndes Fenster dazwischen.

. Höret die Signale

Im Grunde ist es wie bei den meisten Beziehungen: An und für sich wissen wir ganz genau, wie viel uns guttut, aber wir halten uns auch an gewisse Konventionen oder haben uns irgendwann an Dinge gewöhnt, die wir so eigent­lich nie wollten. Damit die Bezie­hung zur Sonne dauerhaft funk­tioniert, ist es jedenfalls gescheit, selbst zu wissen, wann man es gut sein lässt. Unsere Haut zeigt es uns an. Sobald sie genug hat, ist es auch genug. Und sobald uns heiß wird, gilt das ebenso. Dann sagt uns unser Körper, dass wir den Grenzwert an kurzwelliger Infrarotstrahlung erreicht haben.

. Mit der Zeit gehen

Der Jetlag wirkt sich auf alle unsere Systeme aus, auch auf die Haut. Wenn wir uns also im Urlaub sofort in die pralle Sonne legen, müssen wir wissen, dass unsere Hautzellen vielleicht noch im Tiefschlaf sind und bei weitem nicht so gut funktionieren wie sonst. Der Sonnenbrand droht in diesem Fall noch viel schneller.

. Uncool sein ist cool

Lichtsignale kommen über das Auge in unser Gehirn. Eine Sonnenbrille kann das bremsen, vor allem am Morgen, wenn unsere Systeme eigentlich in Schwung kommen sollten. Die Sonnenbrille brauchen wir dort, wo wir sonst geblendet wären, im Schnee oder am Strand. Sonst ist die bessere Alternative: der Schatten. Denn zu viel UV­Licht kann unsere Augen schädigen.

. Loslassen

Sonnencremes und andere Pro­dukte mit UV­Schutz verhindern, dass Sonnenstrahlen uns dabei helfen, Vitamin D zu produzieren. Wer Vitamin D produzieren will, muss daher schutzlos hinaus. Aber mit Maß und Ziel: Dreimal die Woche für fünf bis fünfzehn Minuten, wenn die Sonne im Sommer am höchsten steht (das ist übrigens um 13 Uhr), genügen für einen hellen Hauttyp. Menschen mit dunklerer Haut brauchen länger. Allerdings: lieber einmal Rücken, Bauch und Beine frei machen, da­für einen Hut aufsetzen, um die Sonnenterrassen im Gesicht und an den Schultern zu schützen.

Gerstenähren im Gegenlicht

5 Fakten zur Sonne

  1. Die Sonne: Der Ursprung allen Lebens
    Vor rund 4,6 Milliarden Jahren entstand das Sonnensystem, die Erde folgte vor rund vier Milliarden Jahren. Wie genau erstes Leben entstand, hat die Forschung bis heute nicht vollständig klären können. Man geht aber davon aus, dass wir es der Sonne verdanken.

  2. Die Geburt der Pflanzen
    Vor 2,5 Milliarden Jahren begannen Cyanobakterien – einfachste Organismen in den riesigen Wasserflächen unseres Planeten –, das Sonnenlicht für Photosynthese zu nutzen. Es war, wenn man so will, die Geburtsstunde der Algen und Pflanzen.

  3. Luft zum Atmen
    Bei der oxygenen Photosynthese nutzen Pflanzen die Energie des Sonnenlichts, um Kohlen­dioxid (CO2) und Wasser (H2O) in molekularen Sauerstoff (O2) umzuwandeln. Dieser Sauer­stoff war es, der vor 2,5 Milliarden Jahren unseren Planeten umhüllte – mit Luft zum Atmen, ohne die es kein höheres Leben auf der Erde geben würde.

  4. Wärme zum Leben
    Die Sonne erwärmt den Boden, die Meere und, weil der Erdboden ihre Strahlen reflektiert, die ganze Atmosphäre. Ohne Sonnenstrahlen wäre es viel zu kalt für Leben auf der Erde. Sie sorgt zudem dafür, dass Wasser verdampft und Regen entsteht, damit weiteres Leben möglich ist.

  5. Unser Leitstern
    Sonnenmetaphern sind ein fester Bestandteil unseres Vokabulars: Wir haben „Sonne im Herzen“ und ein „sonniges Gemüt“, wenn es uns gutgeht, und sehnen uns danach, „auf der Sonnenseite des Lebens“ anzukommen.