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Heute geht es nicht um Selbstoptimierung, sondern um Fremdoptimierung.
Es besteht da ein Zusammenhang. Er hat ein bisschen was von Afrika, der katholi­schen Kirche und dem 18. Jahrhundert: Wir Biohacker sehen uns im Besitz der endgül­tigen Wahrheiten und den Rest der Welt als zentralafrikanischen Stamm, dessen Mit­glieder aus dem verhängnisvollen Irrglauben zu befreien sind, dass es ihnen gut geht.

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Wenn man mit dem Biohacken beginnt, ist das – und zwar schon relativ bald – ein rauschhaftes Erleuchtungsereignis, eine Art inneres Pfingsten. Man wacht in der Früh erfrischter auf, man nimmt wie von selbst ein paar Kilo ab, der Darm wird klüger und das Hirn freier, man bewegt sich elastischer durch den Tag, man hat plötzlich wieder Lust auf Sport und Sex und den Job.

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Es ist eine Art inneres Pfingsten. Man nimmt wie von selbst ein paar Kilo ab, der Darm wird klüger und das Hirn freier.

Blühender Baum

Bild: Meric Dagli/Unsplash

Der in seinen Besitzer frisch verliebte Organismus schüttet, so meine Theorie, einen Hormoncocktail aus. Dieser besteht wohl aus:

  • Oxytocin (das uns zu liebevoll fürsorg­lichen Wesen macht),
  • Testosteron (das neben Körperbehaarung und Muskelwachstum diverse Dränge för­dert, etwa jenen der Territorialbehauptung und der Übernahme der Weltherrschaft),
  • DHEA (das man in den USA in jedem Supermarkt als Anti­Aging­Mittel kriegt),
  • Dopamin (das ja mehr Rausch­ als Glückshormon ist, genauer betrachtet)
  • und wahrscheinlich noch irgendeinem Botenstoff, der unsere Empfindlichkeit für kritisches soziales Feedback hemmt.
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Das Bad in diesem Cocktail fühlt sich so gut an, dass man nicht nur sich selbst, sondern auch den Rest der Welt umarmen möchte.
Und hier beginnt das Problem.
Denn man umarmt aus der Schnittmenge von göttlicher Auserwähltheit, Sendungs­bewusstsein, Allmachtsfantasie, missionari­schem Eifer und Energiegeladenheit heraus.
Das mögen außer einem selbst nicht viele.
Man kann etwas verkürzt sagen: Fremd­optimierung ist super, aber der Fremde er­kennt das Supere nur schwer.

Wir erteilen dann inbrünstig Ratschläge im Kompetenzrang von Selbsterfahrung, Hörensagen und Geheimrezept. Und wir warten mit dem Erteilen nicht, bis man uns ausdrücklich fragt. Auch ist uns nicht wich­tig, ob die Situation gerade nach lebens­verändernden Anweisungen verlangt.
Erfahrungsgemäß weniger gut kommt an:

  • Beim Weihnachtsessen der Familie über Magnesiummangel reden zu wollen, zu­mal wenn eh schon alle gesagt haben, dass das kein Weihnachtsthema ist. Obwohl es ja aus mehreren Gründen doch eines wäre, weil alle beieinandersitzen und Zeit haben, statistisch gesehen drei von vier unter einem deftigen Magnesiummangel leiden und ich der Vierte bin. Es besteht also objektiv Handlungsbedarf (ich sage nur: dreihundert enzymatische Prozesse!), und die Analyse von Vor- und Nachteilen der verschiedenen Verbindungen wäre außerdem ein echt spannendes Thema, aber was soll man machen, wenn die Leute lieber singen und Puppenhaus bauen.
  • Bei der Geburtstagsparty eines Kunden die Forderung zu erheben, die LED-Beleuchtungsmittel (Melatoninkiller!) und die Energiesparlampen augenblicklich als Sondermüll zu entsorgen. Der Hinweis ist objektiv wertvoll – der Nachtschlaf der Gäste wird ja komplett ruiniert –, man sollte dennoch nicht zu viel Dankbarkeit erwarten.
  • Im Schwimmbad der Familie auf dem Nebenhandtuch die fatale Wirkung der Transfette (man denke nur daran, was das Zeugs mit den Zellmembranen anstellt!) am Beispiel der frisch angelieferten Pommes frites zu erläutern. Man kann sogar versuchen, die Dringlichkeit des Anliegens den Leuten ganz niederschwellig näherzubringen („Transfette sind böser als Neonazis und Fußpilz gemeinsam!“, sagt man, was die Sache echt gut erklärt).
Gedeckter Tisch

Bild: Sven Brandsma/Unsplash

Aber man blickt in leere Elternaugen und mampfende Kindergesichter, und wäre man wirklich Missionar in irgendeinem zentralafrikanischen Kral des 18. Jahrhunderts, die Situation gewänne wohl sogar etwas Bedrohliches.
Dabei hat man nicht einmal was übers Ketchup gesagt.