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Im Mutterleib

Willkommen im ersten Klassenzimmer deines Lebens! Deine Zellen nehmen von Beginn an wahr, sie reagieren auf die Umwelt und üben auch schon Funktionen aus. Durch die Außenwelt und vor allem durch die Verbindung mit deiner Mutter wirken die unterschiedlichsten Reize auf dich ein. Diese Flut an Lernerfahrungen beeinflusst die Struktur- und Funktionsentwicklung deines Gehirns, was wiederum deine weitere Entwicklung prägt. So verinnerlichst du etwa die Stimme und Sprache deiner Eltern, und diese sogenannte angeborene Spracherkennung hilft dir später beim Erlernen deiner Muttersprache.

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Was beim Lernen im Gehirn passiert?

Informationen, die wir aufnehmen, rauschen als elektrische Impulse über unsere Nervenzellen. Da, wo diese Kettenreaktion häufig stattfindet, verankert sich Wissen. Wir begleiten einen Reiz auf seiner Reise ins Langzeitgedächtnis. Weiterlesen...

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Als Neugeborenes

Kaum auf der Welt, nutzt du bereits den Grundschatz an Erfahrungen, den du in dir trägst, um neue Erfahrungen daran anzuknüpfen. Du hast zu diesem Zeitpunkt gleich viele Nervenzellen wie deine Eltern (ca. 100 Milliarden), allerdings sind sie noch kaum vernetzt. Höchste Zeit, deine Festplatte im großen Stil zu bespielen!

Bis 3 Jahre

Du saugst deine Umwelt auf wie ein Schwamm. Bedingt durch die unzähligen Eindrücke explodiert die Zahl der Synapsen in deinem Gehirn geradezu, bald sind es 200 Billionen (doppelt so viele wie bei Erwachsenen). Nie wieder wirst du so lern- und anpassungsfähig sein, so offen für verschiedenartige Verhaltensweisen, Sprachen und Lebensstile wie jetzt. Deine Nervenzellen warten nur darauf, gemeinsam feuern und sich verbinden zu dürfen – und das passiert, wenn der entsprechende Input kommt. Weil die Synapsen-Überproduktion in den unterschiedlichen Hirnregionen unterschiedlich schnell und intensiv abläuft, bist du für bestimmte Lernerfahrungen in bestimmten Phasen besonders empfänglich. Mit drei Jahren, zum Beispiel, lernst du so etwa alle 90 Minuten ein neues Wort. Übrigens: Das jeweilige Zeitfenster, das für jeden Entwicklungsschritt offensteht, schließt sich danach zum Glück nicht gänzlich, bleibt aber nur noch angelehnt.

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4 bis 10 Jahre

Die Erfahrungen, die du machst, werden nun gespeichert – du kannst auf dein Gedächtnis zurückgreifen. Die sensible Phase in deinem Sprachzentrum dauert noch bis rund um deinen siebenten Geburtstag an, bis dahin solltest du so viel wie möglich kommunizieren! Mit Beginn der Volksschule sind deine Fähigkeiten, logisch zu denken und zu urteilen, schon gut entwickelt, und dein Verhalten wird immer „vernünftiger“. Zudem bist du in der Lage, deine Gefühle so zu kontrollieren, dass ein konzentriertes und zielgerichtetes Lernen möglich ist. Bis zur Pubertät wird etwa die Hälfte deiner Synapsen wieder abgebaut.

10 Jahre bis nach der Pubertät

Dein Gehirn gleicht einer Großbaustelle. Es wird optimiert oder anders gesagt: radikal aufgeräumt! Synapsen, die nicht gebraucht werden, kommen weg, häufig genutzte Signalspuren kriegen hingegen ein Upgrade (diese Vorgänge heißen Pruning bzw. Tuning). Dadurch wird das neuronale Netz effizienter und schneller. Die Bahnen, in denen du künftig denken wirst, sind nun also im Wesentlichen festgelegt, gänzlich neue Neuronenverbindungen werden seltener hergestellt. Weil es nun immer weniger überzählige, unbenutzte Synapsen gibt, musst du dich beim Lernen leider schon deutlich mehr anstrengen als früher.

Im Erwachsenenalter

Mit etwa 25 Jahren hat dein Gehirn seine spätere Grundstruktur. Zum Teil ist sie erblich festgelegt, zum Teil spiegelt sie das wider, was du tust und womit du dich vorherrschend beschäftigst – also Erlebtes, Erfahrenes und Gelerntes. Das Prinzip „Use it or lose it“ gilt weiterhin, statt ums große Aufbauen und Aufräumen geht’s nun aber mehr darum, Erworbenes zu behalten und Neues zu lernen. Dabei setzt du aber weniger auf kurzzeitige Gedächtnisleistungen, sondern u. a. auf Strategie. Außerdem verknüpfst du neue Inhalte stärker mit Vorwissen aus (Lern-)Erfahrungen (sogenannte kristalline Intelligenz). Sprichst du z. B. bereits zwei Sprachen und lernst eine dritte, wirst du dafür die Grammatiken oder die Wortstämme vergleichen und nach Gemeinsamkeiten suchen.

Ab rund 65 Jahren

Noch immer bilden sich im Rahmen von Gedächtnisprozessen neue Synapsen, während nicht genutzte verloren gehen. Das bleibt (bei gesunden Menschen) bis ins hohe Alter so – vorausgesetzt, das Gehirn wird konstant stimuliert. Forderst du es also weiterhin, wirst du auch weiterhin in der Lage sein, Neues zu lernen. Wichtig: Diversität und Komplexität. Es geht nicht darum, 20 Sudokus an einem Tag zu lösen und sonst gar nichts zu machen, sondern um anspruchsvolle Hobbys und Bewegungsabläufe, also Rätsel zu lösen und Bücher zu lesen, zu diskutieren, zu reisen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Dass deine Gehirnmasse auch jetzt noch wachsen kann, zeigte u. a. ein spannendes Experiment mit jonglierenden Senioren. Und was sagt uns das? Genau: Nicht nur Hänschen, sondern auch Hans (oder Monika oder du!) können von Akrobatik über Tanz bis zu Italienisch alles lernen. Reife Gehirne haben nämlich genauso wie das junge Denkorgan die Fähigkeit zur strukturellen Plastizität.