In Partnerschaft mit

Du hast gute Hände“, sagte eine Freundin zu mir, deren Füße ich massierte, als sie im Krankenhaus lag. Andere Menschen zu berühren und ihnen damit Linderung oder Entspannung zu verschaffen, hat mich immer schon fasziniert.

Und eines Tages war mir klar, dass ich mehr wissen und, ja, fühlen, möchte: Ich begann eine Ausbildung zur Shiatsu-Praktikerin, was ich als wunderbare Alternative zu meinem eher „verkopften“ Beruf als Journalistin empfand.

Dabei habe ich unglaublich viel gelernt, etwa, dass Menschen Berührung nicht immer automatisch als angenehm empfinden. Viele mögen es zum Beispiel nicht, am Kopf berührt zu werden. Ich kann also nicht davon ausgehen, dass die Art und Weise, wie ich gerne berührt werden möchte, auch so für andere Menschen zutrifft.

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Das Bedürfnis nach Berührung ist zutiefst individuell – und das Berühren selbst intensiv mit dem Thema „Achtsamkeit“ verbunden. Und mit Fragen wie „Wo hole ich einen anderen Menschen ab? Wie geht es ihm wirklich? Wo sind seine Grenzen – und wie muss ich tun, um diese Grenzen nicht zu überschreiten?“ Hier Sensibilität zu entwickeln, im Sinne einer Berührungsqualität, gehörte zu den schönsten Erfahrungen meines Lebens, für die ich sehr dankbar bin.

Mit dem Thema Berührungsqualität sind wir aber auch beim Thema Berührungsbewusstsein. Wir leben heutzutage eher in einer berührungsarmen Zeit – greifen häufiger nach unserem Smartphone als nach der Hand eines anderen Menschen. Dabei wären solche Gesten, egal ob in der Beziehung zu einem Partner oder aber zu unseren Freunden, Verwandten, Eltern, Kindern – so unendlich wichtig.

Ich sehe dich – nicht nur mit meinen Augen, sondern auch mit meinen Händen und meinem Herzen.

Es sind kleine, wertschätzende Momente, die wir damit erzeugen. Sie vermitteln eine wesentliche Botschaft: Ich sehe dich – nicht nur mit meinen Augen, sondern auch mit meinen Händen und meinem Herzen. Es mag oft nur ein oberflächliches Streicheln sein, das Nehmen am Arm, die Hand auf der Hand eines anderen – und trotzdem sind wir in so einem Augenblick ganz da.

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Im Gespräch mit Dr. Eduard Tripp

Was es mit der Magie des Berührens sonst noch auf sich hat, durfte ich mit Dr. Eduard Tripp besprechen. Er ist Psychotherapeut, Shiatsu-Praktiker und war mein Shiatsu-Lehrer.

Kleine Berührung – großer Effekt: Berührung ist von Geburt an, wichtig. Weshalb?
Mit der Geburt verändert sich für einen Säugling alles. Er wird in eine Welt hineingeboren, für die er noch nicht fertig ausgerüstet ist. Die Anlagen dafür sind zwar da, aber die entsprechenden Sinne und Funktionen stehen noch nicht ausgereift und erprobt zur Verfügung.

Die frühe Welt des Säuglings ist noch anders organisiert, wird anders erfahren und folgt anderen Kommunikationsweisen. In dieser Zeit stehen Haut- und Körperkontakt, Schwingung, Rhythmus, Spannung und Entspannung, Körperhaltung, Temperatur und Stimmlage im Vordergrund – Funktionen, die insbesondere mit dem autonomen Nervensystem assoziiert sind und eine vorwiegend intuitive Wahrnehmungswelt bilden.

Im Laufe unserer Entwicklung tritt diese Wahrnehmungswelt zugunsten einer mehr unterscheidenden Wahrnehmung zurück, die die optische Wahrnehmung, das logische Denken und das zentrale Nervensystem betont. Dennoch aber begleitet uns unser ursprünglich leibnaher Zugang zur Welt unser ganzes Leben lang und ist – meist unterschwellig – von herausragender, wenngleich vielfach „unsichtbarer“ Bedeutung für unser gesamtes Leben, vor allem für seine „sinnliche“ Fülle. Bei vielen Menschen allerdings verkümmert diese mehr intuitive Wahrnehmungswelt, was dann mit einer inneren, emotionalen und letztlich auch geistigen Verarmung einhergeht.

Ein zweiter Punkt ist noch wichtig, um die Bedeutung des frühen Körperkontakts für den Säugling zu verstehen. Er kommt aus einer Welt, die warm ist, ihn rundum berührt (regelrecht „drückt“) und die erfüllt ist mit einer Vielzahl von „organismischen“ Eindrücken und Rhythmen.

Mit der Geburt endet dieser Zustand plötzlich: Das Kind wird in eine kalte und (auf dieser Ebene) vergleichsweise leere Welt geboren. Jetzt gibt ihm der körperliche Kontakt mit der Mutter, das Erleben der körperlichen Nähe und der damit verbundenen Eindrücke, Geborgenheit und Sicherheit. Das hilft ihm, sich in diese neue und unbekannte Welt hinein zu entwickeln – ein grundlegender Mechanismus, den wir auch in unserem späteren Leben gleichermaßen als Ressource nützen können (wie wir wohl schon alle die Erfahrung machen konnten).

Hirnforscher sagen, dass Körperkontakt ein Gefühl von Zugehörigkeit erzeugt. Warum ist das so?
Oxytocin gilt als jenes Hormon, das Gefühle von Verbundenheit erzeugt und durch körperliche Berührung angeregt wird. Man muss allerdings sagen, dass das nur dann der Fall ist, wenn es sich um vertrauensvolle und empathische Berührungen (und damit Begegnungen) handelt. Denn was als körperlicher Prozess beginnt, setzt sich späterhin auch im mentalen Bereich vor: Wenn wir berührt werden, haben wir diese Erfahrung erst einmal hinlänglich gemacht, nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Ist der Körperkontakt hingegen unerwünscht, führt das zu Stress und der Ausschüttung von Cortisol, dem Stresshormon.

Welche Rolle spielt das im Beziehungsalltag?
Für den Beziehungsalltag ist es das sehr relevant, zeigt es doch eine bedeutsame Dynamik: Erwünschte Berührung schafft Vertrauen und Wohlbefinden und Wunsch nach weiterer Berührung und Nähe. Umgekehrt signalisiert der fehlende Wunsch nach Berühren und Berührt-Werden von der PartnerIn eine emotionale Distanz, die (wenn sie über einen längeren Zeitraum besteht) absolut ernst zu nehmen ist. Und der man entgegensteuern sollte, bevor „es zu spät“ ist.

Mehr Mut zur Berührung – wie geht absichtslose, aber achtsame und respektvolle Berührung? Wie kann ich wieder mehr Berührungs-Bewusstsein in den Alltag einbauen, ohne die Grenzen eines anderen Menschen zu überschreiten?
Es wäre schade, wenn Berührung absichtslos wäre (lacht). Berührung sollte immer absichtsvoll sein und immer achtsam und respektvoll, egal, welche Absicht sie verfolgt. Wenn mir jemand unsympathisch ist, dann werde ich ihn nicht „absichtslos“ berühren. Berührung bedeutet immer eine emotionale Verbindung, die ich mit einem Menschen eingehe, gleich ob freundschaftlich oder partnerschaftlich.

Dass Berührung mit der Zeit selbstverständlich werden kann (mit vertrauten Menschen, in einem bestimmten Umfeld …), bedeutet auch weiterhin nicht absichtslos. Und beginnen muss man wohl auch ganz „absichtlich“: Ausprobieren, ob mit einem vertrauten Menschen oder – für manche leichter – mit unbekannten Menschen in einer Abseits-des-Alltags-Situation (z. B. im Urlaub). Das spielt keine Rolle. Es ist wichtig herauszufinden, was sich für mich richtig und gut anfühlt, damit ich mich danach orientieren kann. Mit der Zeit wird die Situation dann selbstverständlich.

Es gibt aber auch Berührungsängste?
Ja. Viele Menschen haben das, weil sie unsicher sind, was denn gut und richtig ist, was dem/der Anderen guttut oder Wohlbefinden schafft. Das ist sicherlich auch ein Grund für den Boom von diversen Massagekursen, in denen man Sicherheit im Umgang mit fremden Körpern gewinnen kann. Sicherheit und Erfahrung, die man dann auch in sein privates Umfeld integrieren kann, für PartnerInnen ebenso wie FreundInnen. Ich glaube, die Lösung liegt in den von dir angeführten Worten: Mut, Respekt und Achtsamkeit. Alle gleichermaßen.

Therapeutisch betrachtet: Kann Berührung heilen?
Ja, unbedingt: Berührung ist heilsam. Man darf sich jetzt aber nicht vorstellen, dass durch gezielte Anwendung von Berührung spezifische Erkrankungen behandelt werden. Durch Berührung kann man jedoch die Ressourcen des betroffenen Menschen stärken (gleichsam die „innere emotionale Batterie“), was ihr/ihm ermöglicht mit Erkrankungen und anderen schwierigen Lebenssituationen besser umzugehen. Als Beispiel sei das Universitätsspital Basel angeführt, das auf einer operativen Intensivstation für Erwachsene (unter dem in der Neonatologie bekannten Konzept des „Kangarooing“) Körperkontakt propagiert, um

  • Bewusstsein, Orientierung und Wahrnehmung;
  • Wohlbefindens durch Vermittlung von Sicherheit und Geborgenheit;
  • Entspannung und Beruhigung, weniger Stress; und
  • soziale Beziehung

zu fördern.