Überleben unter Richtigmachern, Teil 9
Thomas Stipsits denkt in seiner Kolumne darüber nach, ob man im Herbst überhaupt das Haus verlassen soll. Freiwillig.
Nach einem ungewöhnlichen Sommer, der uns alle ungewöhnlich viel Kraft gekostet hat, ist er also wirklich da: der gewöhnliche Herbst. Sehen wir es positiv. Der Herbst ist die schönste Jahreszeit. Zumindest in Griechenland.
Bei uns in Österreich sieht die Situation etwas anders aus. Zeigt sich der Herbst in Prospekten meist golden und verträumt, wird man in der Realität oftmals mit einem schlichten Grau konfrontiert. Und nein, dieses Grau hat keine 50 Schattierungen ... es ist einfach – grau. Punktum.
Noch dazu wartet man gespannt, wann diverse Radiostationen zum ersten Mal „Last Christmas“ spielen. Ich gehe mit meinem inneren Schweinehund die ganzen Vor- und Nachteile der farbenbesoffenen Zeit durch. „Rausgehen?“, frage ich zaghaft. Er kontert: „Warum?“ Unzählige SUVs werden wieder vor den Kindergärten parken, obwohl die Anfahrt keine 300 Meter beträgt. Aufgrund meiner eigenen Erfahrung kann ich hiermit eines bestätigen: Kinder sind wasserdicht.
Wir werden wieder im Laub spielen. Auch die Hunde. Nicht jeder Besitzer nimmt sein Sackerl für das Gackerl. Egal. Herbst spüren ist die Devise! Wir werden wieder unsere Jacken im Büro vergessen, wir werden wieder davon reden, dass es keine Übergangszeit gibt. (Man wird grundsätzlich entweder zu warm oder zu kalt angezogen sein.) In den öffentlichen Verkehrsmitteln werden sich die Gerüche von nassen Hunden und Glühweinfahnen die Waage halten. Früher kam noch Kebab dazu. Das wurde zumindest in Wien abgedreht. Schade eigentlich. Ich habe lieber Essen gerochen als Menschen.
Doch vergessen wir nicht die vielen positiven Aspekte des Herbstes: keine Gelsen, keine Wespen, keine mobilen Klimageräte. Dieses wunderbare heimelige Gefühl, es sich zu Hause gemütlich zu machen, während draußen der Regen an die Scheiben peitscht. Dazu junger Wein und vor allem Kürbis. Bei Kürbis verhält es sich bei mir ähnlich wie bei Grillfleisch. Zu Beginn der Saison kann ich es kaum erwarten, etwas auf den Griller zu legen. Karree, Bauch, Steak, Schopf, täglich.
Ende August gibt’s dann nur mehr Halloumi. Im Herbst: Kürbissuppe, Kürbisrisotto, Kürbis mit Feta, Kürbis mit Kürbis, oder einfach dem Kürbis ein dämliches Gesicht schnitzen, um ein Fest zu feiern, das nur einen Zweck hat, nämlich die Schokoladenindustrie und Zahnarztumsätze anzukurbeln. Wenn Sie an Halloween Ihre Ruhe haben möchten, einfach Äpfel herschenken. Es wird sich schnell unter den Kindern herumsprechen ...
Der Herbst füllt die Vorratsspeicher. Nicht nur im Keller, sondern auch am eigenen Leib. Ich schließe einen Kompromiss mit meinem Schweinehund, gehe mit meinen Kindern raus zum Drachensteigen. Es macht mir mehr Spaß als den beiden. Danach koche ich für sie eine Kürbissuppe. Nachdem sie im Bett sind, heize ich meinen Griller an.