Wie du Laufen lieben lernst
Laufen klingt nach Schinderei? Muss nicht sein. Hier erfährst du, wie Joggen für dich zu einer positiv besetzten Gewohnheit werden kann und etwas, auf das du dich wirklich freust.

Julian Bückers
Ein Paar Sportschuhe und ein bisschen Zeit – mehr braucht’s eigentlich nicht. Und das Beste: Du kannst es in deinem eigenen Tempo machen. Um 6 Uhr früh der aufgehenden Sonne entgegenlaufen? Nachmittags losstarten, wenn die Kinder beim Pfadfinder-Treffen sind? Oder spätabends eine Runde unter dem aufgehenden Sternenhimmel drehen? Geht alles.

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Darum liegt Laufen in unserer Natur
Laufen ist eine der wohl unkompliziertesten Sportarten der Welt – es braucht keine festen Zeiten, keine Mitgliedschaft im Fitnessstudio, keine Technik. Obendrein liegt die Fähigkeit, lange Distanzen ohne Hilfsmittel zurückzulegen, in unserer Natur. So haben schon unseren Vorfahren in der Frühzeit davon profitiert, ihre Beute sprichwörtlich „totlaufen“ zu können.
Und auch heute noch gibt es indigene Völker, für die Laufen ein lebendiger Teil der Kultur ist: Die Tarahumara im Norden von Mexiko etwa sind seit jeher durch die Berge der Sierra zu ausgedehnten Fußmärschen gezwungen und haben eine beeindruckende Ausdauer gewonnen.
María Lorena Ramírez (29), eine dieser indigenen Langstreckenläuferinnen, gewann 2017 den „UltraTrail Cerro Rojo“, einen 50-Kilometer-Ultramarathon – mit traditioneller Kleidung und Huaraches, dem typisch mexikanischen Lederschuhwerk. (Wer Inspiration sucht: Netflix hat 2019 dazu eine Doku namens „Lorena, Light-Footed-Woman“ veröffentlicht.)
Laufen ist aber nicht nur denkbar einfach und ein gutes Herz-Kreislauf-Training: So ein Lauf kann auch wunderbar den Kopf freimachen und uns zu neuen Ideen verhelfen, die Stimmung verbessern und die Reinigungsmechanismen im Körper in Gang bringen. Wenn man eine schöne Strecke wählt, wird das Workout obendrein zu einer kleinen Auszeit vom Alltag. Und trotzdem finden wir quasi tausend Gründe, nicht zu laufen. „Keine Zeit“, „zu anstrengend“, „viel zu langweilig“. Na, klingt das bekannt?
Die wichtigste Arbeit findet nicht in den Beinen, sondern im Kopf statt.
Dr. Thorsten Weidig
Laufen beginnt im Kopf: Was ist dein Warum?
Wie findet man also ins Laufen rein – und vor allem: Wie bleibt man an der Sache auch wirklich dran? Die wichtigste Arbeit dafür findet nicht in den Beinen, sondern im Kopf statt, wie der Hamburger Sportpsychologe Dr. Thorsten Weidig (www.mental-kontor.de) weiß: Wer zum Läufer werden will, braucht einen guten Grund für das Laufen. Kurz: Was ist dein Warum?
„Man muss sich fragen: Was motiviert mich denn eigentlich zur Bewegung? Was treibt mich immer wieder aufs Neue an, was gibt mir Energie?“ – Ist der persönliche Antrieb vielleicht, dass man fitter werden will, um den Kindern am Spielplatz wieder besser hinterherzukommen? Hat man das Gefühl, nach der ganzen Sitzerei im Büro muss man sich auslaufen und so einen Ausgleich schaffen? Geht es um das angenehme Gefühl, nach einem aktiven Tag richtig tief zu schlafen? Oder die Überzeugung, dass man durch regelmäßige Bewegung wacher und leistungsfähiger ist?
„Egal, welcher Grund es ist – er muss intrinsisch sein, also von innen heraus und von mir selbst kommen. Nur, weil vielleicht ein Arzt sagt, dass das Laufen gesund und ratsam ist – das reicht nicht. Ich muss laufen wirklich wollen. Wenn ich es nicht will, dann ist es besser, sich einen anderen Sport zu suchen, der mehr meinem bevorzugten Bewegungsprofil entspricht,“ so Weidig.
Wobei: Einen „guten“ Grund fürs Laufen zu haben, ist letztlich nur die halbe Miete. „Häufig scheitert es nicht an der Motivation an sich, sondern an der Frage: Wie kann ich das, was ich mir vorgenommen habe, auch erfolgreich in meinen Alltag integrieren?“, weiß der Experte.

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Joggen: 3 Punkte für dein Durchhaltevermögen
Für den Sportpsychologen sind folgende drei Faktoren wichtig, um das Laufen erfolgreich zur Routine werden zu lassen:
Das Erlebnis sollte nicht sein, nach dem Lauf völlig fertig zu sein, sondern das Gefühl zu haben, etwas Gutes für sich getan zu haben.
Dr. Thorsten Weidig
1. Wiederholen und realistisch bleiben: „Das Laufen sollte in den ersten vier bis sechs Wochen möglichst regelmäßig stattfinden. Der Hintergrund ist: Unser Gehirn liebt Routinen. Je häufiger etwas wiederholt wird, desto mehr wird es zu einem unbewussten Prozess – und desto weniger Energie kostet uns das Ganze im Kopf. Ziel ist es, nicht mehr groß darüber nachzudenken oder zu planen: Gehe ich heute laufen oder nicht? Man macht es einfach, weil es eine positive Gewohnheit geworden ist.“
Damit das gelingt, ist es aber wichtig, realistisch zu starten: „Für jemanden, der noch nie gelaufen ist, macht es keinen Sinn, gleich eine Stunde joggen zu gehen. Das führt nur zu Muskelkater und dazu, dass man sich die nächsten Tage nicht mehr bewegen kann und will. Besser ist, mit 20 Minuten in einem moderaten Tempo anzufangen und langsam zu steigern. Das Erlebnis sollte nicht sein, nach dem Lauf völlig fertig zu sein, sondern das Gefühl zu haben, etwas Gutes für sich getan zu haben.“ Auch die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin rät Anfängern zu Einheiten von 20 bis 30 Minuten in langsamem Tempo, um Überlastung und Verletzungen zu vermeiden.
2. Belohne dich regelmäßig: „Belohnung spielt eine große Rolle, damit die Anfangsmotivation stark bleibt“, so Weidig. „Das muss nichts Großes sein – man kann sich nach einer Joggingrunde mit einer ausgiebigen Dusche oder einem Teller Spaghetti Bolognese belohnen. Oder sich einfach selbst auf die Schulter klopfen und sagen: Hast du sehr gut gemacht!“
3. Gestalte dein Umfeld „lauffreundlich“: Auf die Plätze, fertig, los? Damit das bestmöglich gelingt, gehe strategisch vor. „Das Motto lautet: Keep it simple. Man muss es sich möglichst leicht machen, loszulegen“, erklärt Dr. Weidig. „Ein Beispiel: Wenn die Laufschuhe und die Sportklamotten schon gut sichtbar im Flur bereitliegen, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass ich noch laufen gehe. Ebenso kann es helfen, einen festen Zeitpunkt zu planen.“
Ist es in der kalten Jahreszeit nach der Arbeit draußen nass, kalt und dunkel, sagt man sich schnell: Ich fange nächste Woche an – oder übernächste. „Bewegung in den Alltag zu integrieren, passiert nicht zufällig“, sagt Dr. Weidig und rät zu Folgendem: „Ein fester Vertrag mit sich selbst erhöht die Verbindlichkeit.“ Wenn man weiß: Ich laufe nicht gerne abends oder im Dunklen – völlig okay. Man kann genauso einen fixen Zeitpunkt am Morgen in den Kalender eintragen oder einen Termin am Wochenende finden. Hauptsache, das Laufen wird fix in den Kalender eingetragen.

Susanne Einzenberger
Beim Laufen: Hindernisse erwarten, Rückschläge wegstecken
Doch auch mit bester Planung und starker Motivation tauchen immer wieder Hindernisse auf – und dann findet man schnell Gründe, das Training auszulassen. Man sagt sich „Laufen ist mir doch irgendwie zu langweilig“ oder „Ich habe es schon mal probiert, habe aber nicht durchgehalten und bin gescheitert.“
Fakt ist: Erscheint das Laufen langweilig, liegt das oft an den eigenen Erwartungen. „Wer glaubt, direkt beim ersten Versuch ein Runner’s High zu erleben, wird enttäuscht“, erklärt Weidig. „Es wird Momente geben, in denen der Körper arbeitet und schnauft. Das ist okay – es gehört dazu.“ Um einen Lauf spannender zu gestalten, gibt es aber durchaus Möglichkeiten – in Form von Musik oder Podcasts etwa.
„Wer gerne draußen ist, kann auch versuchen, die Naturgeräusche bewusst wahrzunehmen. Zusätzlich spielt die Streckenauswahl eine Rolle: Gibt es die Möglichkeit, sich einen Weg rauszusuchen, der nicht zwischen parkenden Autos hindurchführt und nicht nur auf Beton verläuft?“ – Hintergrund: Laufen auf Beton ist belastender für die Gelenke und macht uns generell schneller müder als ein weicherer Untergrund (wie z. B. Waldboden oder Gras), da die Stoßdämpfung geringer ist. Abgesehen davon, dass ein ruhiger Park oder Waldweg mehr fürs Auge und für die Stimmung tut.
Joggen im Team: Zusammen ist man weniger allein
Wer wiederum nicht gerne alleine läuft und auch keine Läufer im Bekanntenkreis findet, „könnte z. B. eine Freundin oder einen Freund bitten, auf dem Fahrrad nebenherzufahren“, so der Experte. Und zum eben angesprochenen „Scheitern“, das uns schnell das Handtuch werfen lässt: Einmal nicht laufen gewesen, ein paar Tage pausiert – das passiert allen.
„Komme ich aus der Routine, ist das kein Misserfolg, sondern menschlich. Es ist wichtig, sich das von vornherein bewusst zu machen. Man knickt um und muss ein paar Tage aussetzen. Das Kind ist krank geworden. Man hat einen wichtigen Termin, der das Training unmöglich macht – so was passiert. Aber man kann gleich schauen: Wann kann ich die Sporteinheit nachholen?“ Kurz: Anstatt sich Vorwürfe zu machen, geht es darum, flexibel zu bleiben. Entscheidend ist nicht, ob immer alles perfekt klappt, sondern dass Freude an der Bewegung entstehen kann und langfristig erhalten bleibt. In diesem Sinne: Happy running!