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Ein Gespräch mit der Gynäkologin Sheila de Liz über Veränderungen im weiblichen Hormonhaushalt, der ganz neue Türen öffnet.

Hormone tun ganz schön viel für uns – und trotzdem gibt'snoch immer so viele Berührungsängste. Warum?
Sheila de Liz: Wir werden oft im Glauben erzogen, dass unser Hormonhaushalt ein Eigenleben führt, das wir gar nicht beeinflussen können. Da werden dann Ängste geschürt von Pickeln im Gesicht und Haaren, die an den unmöglichsten Stellen sprießen.

Und wir spüren ja auch, dass Hormone etwas mit uns machen. Zuerst in der Pubertät und dann, wenn Frauen die Pille nehmen oder schwanger werden. Es geht uns irgendwie schlecht, und wir wissen nicht, warum. Das erzeugt ein Gefühl der Ohnmacht – wir fühlen uns ihnen ausgeliefert.

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Sind wir ihnen denn nicht ausgeliefert? Ich denke da jetzt besonders an unsere Sexualhormone ...
Nur bedingt. Ja, wir haben unseren Zyklus, der sich jeden Monat wiederholt. An dem können wir nicht schrauben, außer wir nehmen die Pille, die die Funktion der Fruchtbarkeit unterdrückt. Unsere Sexualhormone sind wie ein gut eingespieltes Orchester. Jedes kennt seinen Einsatz. Irgendwann verpasst ihn dann ein Instrument oder spielt langsamer – dann gerät das ganze Werkel in Schieflage.

Was würden Sie einem Mann sagen, der nicht so ganz an die Macht der Hormone im Leben einer Frau glaubt?
Wie der durch diese 28 Tage kommt, würde ich gern sehen. Aber es ist halt so, Männer haben da im Normalfall eine Konstanz. Allerdings habe ich einen Freund, der an einer massiven Schilddrüsenunterfunktion mit argen Beschwerden litt. Als die endlich diagnostiziert und er in Behandlung war, hat er uns Frauen seine Hochachtung ausgesprochen.

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Aktuelle Ratgeber propagieren, sich intensiver mit seinem Zyklus zu beschäftigen, und geben konkrete Tipps, wie mit Sport oder Ernährung das Beste aus jeder Phase heraus-geholt werden kann. Lässt sich das so allgemein sagen?
Ich finde, jede Frau muss selbst herausfinden, was ihr wann auf welche Weise guttut. Was aber schon auffällig ist: Sehr viele empfinden die ersten zwei Tage nach ihrer Periode als absolute Hoch-Zeit. Da ist das Hormonniveau gerade wieder im Steigen, also auf einem niedrigen, normalen Level – und da fühlen sie sich stark und selbstbewusst und schlafen besser. Natürlich lässt sich dieses Wissen zum eigenen Vorteil nutzen.

Übrigens: Das ist genau der Hormonspiegel, den man durch Hormongaben erreichen will.

Das Thema Hormongaben betrifft dann ja vor allem die Menopause. Muss ich mir das wirklich so vorstellen: Der Hormonspiegel gerät aus dem Lot – und schwupps!, sind wir schon im Wechsel?
Nein, das ist ein Prozess, deshalb heißt es ja Wechseljahre. Sie beginnen nahtlos mit dem Ende der fruchtbaren Zeit, nur merken wir zunächst nichts davon. Stimmungstief, Gelenkschmerzen oder Wallungen kommen meist erst später.

Das klingt nach einem echten Knochenjob, also der Weg von den fruchtbaren Jahren in die Postmenopause.
Ich meine: Der wahre Knochenjob ist alles davor! Die anstrengende Arbeit, die Kinder, die sich die halbe Nacht übergeben. Dann kriegt man auch noch seine Periode, muss aber noch den Großeinkauf machen. Die allerletzte Transitstrecke ist sicher noch einmal abenteuerlich, allerdings auch im absolut guten Sinne.

Was ist an den Wechseljahren denn schön?
Vieles. Das Beste ist aber, dass im Gehirn ein paar Regler verschoben werden, die uns dazu zwingen, uns mit den eigenen Wünschen auseinanderzusetzen. Durch den Progesteronmangel und den schwankenden Östrogenspiegel liegen wir nachts viel wach und grübeln: Was funktioniert in meinem Leben nicht mehr? Wer raubt mir die Energie? Ich rate Frauen, diesem Impuls nachzugehen und auszumisten! Viele finden genau in diesen Nächten erstmals in ihre wahre Kraft. Und weil wir immer älter werden, liegt dann noch das halbe Leben vor ihnen. Ist das nicht toll?

Ja, unnötigen Ballast abzuwerfen ist befreiend.
Und wie verändert sich in dieser wilden Zeit unsere Libido? Oft erleben wir da ein extremes Hoch und scheren uns dann auch nicht mehr darum, was wer davon hält. Ich kenne viele Frauen, die ihre Sexualität in den Vierzigern selbst in die Hand nehmen. Das liegt am Testosteron, das meist stabil bleibt, während Progesteron sinkt und Östrogen schwankt.

Das macht Mut. Und ich hab immer gedacht, dass bei Frauen die Lust auf Körperlichkeiten mit dem Alter sinkt!
Ja, auch das passiert. Oft liegt es aber gar nicht am Hormonhaushalt, sondern an Stress, der nicht ausreichend abgebaut wird und deshalb die Leidenschaft dämpft. Oder es ist Testosteronmangel die Ursache – den muss heute niemand mehr aushalten. Dafür gibt’s ja die moderne Hormontherapie.

Was unterscheidet heute verabreichte Hormonpräparate von ihren Vorgängern?
Alles. Die moderne Therapie verwendet bioidentische Gaben, die die gleiche Molekülstruktur haben wie die Hormone, die vom Eierstock produziert werden. Der Körper erkennt nicht, dass sie aus der Apotheke sind. Sie haben keine Nebenwirkungen und helfen da, wo ihr Mangel Beschwerden verursacht.

In den frühen Nullerjahren war das ganz anders, da bekamen Frauen Tabletten für ihren Hormonhaushalt von schwangeren Pferden. Die waren chemisch stark verändert! Sie haben wohl ein paar Erleichterungen gebracht, aber viel mehr Nachteile, wie vor allem ein schnelleres Wachstum von bereits vorhandenen Krebszellen. Das hat sich in vielen Köpfen verfestigt und schürt natürlich Unsicherheit.

Apropos Unsicherheit: Was geben Sie den altersmäßig betroffenen Frauen mit auf den Weg?
Die Gewissheit, dass die Wechseljahre eine Chance sind. Mit ihnen beginnt ein tolles neues Leben, in dem andere Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Freut euch darauf!

Dr .Sheila de Liz ist Frauenärztin, Bestsellerautorin (u.a. „Woman on fire”, Rowohlt Verlag) – und der fixen Überzeugung, dass die Wechseljahre und unser Hormonhaushalt keine Bürde, sondern eine Chance sind.