Einfach besser leben - 3 Erfahrungsberichte über ein Leben im Minimalismus
Drei Menschen erzählen uns, wie sie ihr Glück im Minimalismus fanden und warum sie das niemals ändern würden.
Einfach besser leben, lautet der Grundsatz dieser drei Lebensgeschichten. Sie haben sich durch unterschiedliche Erlebnisse dazu entschieden, dass ihr Reichtum im Minimalismus liegt – jeder auf seine ganz besondere Art.
Das Glück im Kleinen
Mein Haus hat 18 Quadratmeter.
Johanna Nimmervoll, 33, Campusmanagerin, Unken
„Wie es nun dazu kam, dass ich heute auf 18 Quadratmetern lebe? Als ich meine Diplomarbeit in Mexiko geschrieben habe, hat mir eine Mexikanerin vom Almgehen in Österreich erzählt: Beim Wwoofen (Wwoof ist ein Netzwerk für freiwillige Helfer auf biologischen Höfen) hatte sie die beste Zeit ihres Lebens. Das wollte ich auch probieren. In der Hütte auf der Alm war nicht viel Platz. Wohnraum und draußen wurden eins. Da es mir physisch und psychisch dort so gut ging wie noch nie, stand fest: So will ich in Zukunft auch wohnen – die Idee zu meinem ökologisch gefertigten Tiny House war geboren.
Ich habe es rund um ein Kaffeegeschirr meiner Oma entworfen, selbst geplant und die Möbel mit meinem Vater gebaut. Kostenpunkt: 50.000 Euro. Auf so kleinem Raum gehe ich mit Ressourcen viel achtsamer um, weil ich öfter selbst Hand anlegen muss. Wie bei meinen Wassertanks. Sind sie leer, muss ich sie auffüllen. Daraus entsteht ein Mehr an Bewusstsein. Wenn ich etwas kaufe, dann brauche ich es tatsächlich. Für alles andere ist kein Platz. Bekomme ich Besuch – und der kommt öfter, seit ich im Tiny House wohne –, müssen sich Jacken und Personen schon mal übereinanderstapeln. Meine Gäste und ich sind uns jedenfalls einig: Im Gegensatz zu irgendeiner Wohnung gehört das Haus einfach zu mir!“
Besser leben mit: Minimaler Mode, aber kein Verzicht
Ich habe meine Garderobe auf20 Teile reduziert.
Ekaterina Polyakova, 30, Studentin, Berlin
„Wie viele Frauen in meinem Alter habe auch ich früher oft mal etwas Neues gekauft, selbst wenn ich es nicht gebraucht habe. In unserer konsumorientierten Welt wird uns ständig suggeriert, dass wir konsumieren müssen, um glücklich zu sein. Eigentlich wird uns eingeredet, dass wir selbst nicht gut genug sind.
Umgedacht habe ich zu Beginn meiner Studienzeit. Ich hatte eine kleine Krise, weil mir ein größeres Ziel vor Augen und Klarheit gefehlt haben. Mir ist damals aufgefallen, dass ich lauter Dinge besitze, die mich eher belasten. So habe ich intuitiv auszumisten begonnen, angefangen bei der Kleidung. Ich wollte einfach besser leben, aber der Prozess hat gut ein halbes Jahr gedauert, ich bin allerdings auch sehr unsystematisch vorgegangen. Das Ergebnis? Rund 20 Teile (Unterwäsche nicht mit einberechnet) sind übrig geblieben, die vor allem vielfältig einsetzbar sein müssen. Wie zwei meiner Oberteile, die ich sowohl im Alltag als auch zum Balletttraining tragen kann. Die kleine Auswahl spart Zeit und Entscheidungsenergie – das ist unglaublich befreiend. Mit Verzicht hat das für mich gar nichts zu tun. Weil ich mich aufs Wesentliche konzentrieren kann, steigt meine Lebensqualität.“
Der Alte Mann und das Weniger
Ich besitze nur noch, was in meinen Rucksack passt.
Joachim Klöckner, 70, Pensionist und Autor, aktuell Naxos
„Ich habe immer schon mehr auf Qualität als auf Quantität geachtet. Trotzdem hatte ich auch mal viele Autos und habe bis zu 80 Stunden die Woche gearbeitet. Bis zur Katastrophe von Tschernobyl. Da wurde mir klar: Ich muss etwas tun, ich will die Welt retten. Also habe ich damit begonnen, Unternehmen beim Energiesparen zu helfen. Parallel dazu wurde mein Leben sehr pragmatisch: Ich bin viel umgezogen; bei jedem Wohnungswechsel schrumpfte mein Hab und Gut. Zuerst bin ich noch mit einem Bulli gesiedelt, irgendwann reichte die Straßenbahn. Inzwischen lebe ich nomadisch ohne festen Wohnsitz.
Meine gut 50 Besitztümer passen in meinen Rucksack. Wobei: Ich sehe das gar nicht so eng, ich möchte niemandem sagen, 50 sei das Maß der Dinge. Es geht einfach darum, dass ich mich wohlfühle, die Zahl ist da wirklich absolut uninteressant. Wenige tote Gegenstände erlauben mir viel Zeit, Raum und Energie für Lebendiges.
Wenn ich aufwache und mich spüren kann, hat das eine wunderbare Mußequalität. Dann treffe ich jemanden, kann zuhören, bin einfach für Menschen da. Ich spüre immer nach, was ich für die Mitwelt tun kann. Wo kann ich Plastik sparen, oder wo bekomme ich Eiweiß abseits tierischer Produkte her? Es darf aber nicht dogmatisch werden. Vereinfacht zusammengefasst sind meine drei Ansprüche: ich selbst sein, Verbundenheit spüren und kooperieren. Meine Belohnung? Dopamin, Oxytocin und Serotonin – die Glückshormone.
Der Minimalismus ist nur ein Hilfsmittel. Er ermöglicht mir: Zeit und Energie zum Nachspüren, Nachdenken – für mich, für andere, für die Mitwelt. Ich muss nicht arbeiten, um irgendwelche Dinge zu haben, um zu repräsentieren; ich muss nicht arbeiten für den Raum und für die Pflege dieser Dinge – und ich muss auch nicht die Zeit haben, diese Dinge irgendwann aufwendig zu entsorgen. Stattdessen mache ich, was Freude und was Spaß macht: Ich helfe anderen. Diese Zeit möchte ich nicht mehr missen.
Ich habe eine Rente von 460 Euro. Meine Unterkünfte werden meistens bezahlt, wenn ich Lesungen gebe oder als Sprecher auf Konferenzen eingeladen bin. Mit 460 Euro kann ich leben, da habe ich überhaupt kein Problem, da bleibt immer noch was übrig – um für mich, für andere, für die Mitwelt Gutes zu tun.“