Ent!spann di!ch!
Heidi List und Janina Lebiszczak in einem Briefwechsel über Selbstansprüche, Reality Checks und Entspannung auf Knopfdruck.
Wochenende, Füße hochlagern und endlich so richtig erholen. Und was, wenn das nicht geht? Wenn man trotz Wellness-Tag, Lavendel-Massage und den allerbesten Meditationsvorsätzen am ganz banalen Loslassen scheitert? Dann kann die beste Freundin helfen. Oder du machst beim Reiseland Deutschland-Gewinnspiel mit – da kannst du nämlich 6 Rad-Kurzurlaube gewinnen (siehe ganz unten im Artikel).
Servus Heidi,
ich habe Dir doch von diesem Alles-aus-Vollholz-Bio-Refugium erzählt. Alles super nachhaltig, sogar der selbst gebrannte Schnaps. Der Honig aus eigener Manufaktur, die Eier aus eigenen Hendln. Unglaublicher Blick in die Obstwiesen. Wenig Menschen. Was soll ich sagen: Alles hat förmlich „Entspann dich!“ geschrien. Und ich war so was von bereit. Ich wollte wirklich 48 Stunden nur im Moment sein. Innere Stille finden.
Nix ist passiert! Im Gegenteil, ich war das ganze Wochenende über komplett unentspannt. Als wäre ich bloß ein Statist. Heul. Und heute ist Montag. Da wollt ich doch relaxed in die Woche starten, sonst Nervensalat. Was ist los mit mir?
Fühle mich unzulänglich.
Bussi Janina
Hi Janina,
jetzt war ich zu schnell dran und habe „Schnapsfrühstück“ gelesen und mich gewundert, warum das nicht erholsam sein soll …
Vielleicht liegt das Ressort auf einem alten Keltenfriedhof? Andererseits, wenn sich alle anderen außer dir perfekt erholen konnten in so einem wunderschönen Ambiente, dann liegt es wohl doch am abwesenden mentalen Relaxbutton der Janina L.
Ich kenne das Phänomen, das du beschreibst. Einmal habe ich das gemütliche Bauernhaus eines Freundes im Waldviertel bezogen, um dort fern der Ablenkungen des Alltags in Ruhe arbeiten zu können. Die einzige Auflage, die ich hatte, war, den Garten zu gießen. So schön habe ich es mir vorgestellt, wie ich so an dem alten Holztisch vor dem Haus sitze und mit viel Muse literarische Meilensteine setze. In Wirklichkeit war ich von allem nur überfordert …
Man sagt ja, die Summe aller Laster bleibt gleich. Vermutlich gilt das auch für die Summe aller Stresstrigger, egal wo man sich befindet. Meine Theorie ist, nach dem Urlaub sofort noch einmal wegzufahren. Nur wer soll das bezahlen?
Ich glaube, am wichtigsten ist es, sich dafür nicht zu geißeln. Frauen, die sonst tausendprozentig Vollgas geben müssen, die sind halt keine Erholungsspezialistinnen. Man kann ja nicht alles können.
Ich umarme Dich
Heidi
Servus,
das erinnert mich: Ich war mal mit meiner BFF auf einem Bauernhof urlauben, eh schon wissen: Stress Detox, Digital Detox, zurück zur Natur. Wir völlig überspannt – als wären Carrie und Miranda auf der Suche nach Instant-Gelassenheit. Was wir gespürt haben: Tox statt Detox, denn unser Zimmer lag direkt über dem Kuhstall.
Garten gegossen hätt ich aber gern! Gartenarbeit entspannt mich wirklich. Morgens ist alles noch so zart und ruhig. Ich lustwandle dann von Topf zu Topf, gieße, zupfe und ja: verliere das eine oder andere nette Wort. Besonders an den Zitronenbaum. Ich hege Gefühle für diese Pflanzen. Wenn es denen schlecht geht, fühlt es sich so an, als wäre ein Freund krank. Was wiederum unentspannt macht.
Vielleicht kann man nur dann loslassen, wenn es allen Lieben um sich herum gutgeht? Apropos: Wie entspannt man sich im Urlaub mit Kids eigentlich?
Es küsst, bereits entspannter,
Janina
Du Zitronenbaumfee,
Therapeuten und Menschen mit esoterischer Ader behaupten ja, dass man sich die Welt durch die Innenschau auf sie strickt. Je gelassener man ist, je mehr man in seiner Mitte wandelt, desto besser können die Unwegbarkeiten an einem abprallen. Da fiebert man dann nicht um das Leben des Zitronenbäumchens, denkt positiv und fühlt sich bestätigt, wenn es überlebt. Wenn es stirbt, dann lässt man in Liebe los oder wie das heißt.
Wie auch immer, das kannst du dir alles einrexen, wenn du Kinder hast. Es sind kleine Fremdbestimm-Maschinen, denen zumindest ich atmosphärisch und im Herzen so ausgeliefert bin, als wären es irgendwelche Organe von mir, die selbständig da draußen agieren.
Ein Urlaub mit ihnen hat nach meiner Erfahrung weniger mit Erholung zu tun. Man hat dieselben Herausforderungen wie zu Hause, halt in anderer Umgebung: ob und was sie zu essen haben, was sie unternehmen könnten und ob sie das in Sicherheit tun. Zurück in der Wohnung ist man froh, sie in ihren Zimmerchen zu wissen, dort, wo sie nicht ertrinken können und selten todbringende Tiere auftauchen.
Wenn es dann zu einer dieser seltenen Gelegenheiten kommt, dass die Kinder zwei Wochen zur Oma fahren, dann beginne ich spätestens eine Woche davor zu überlegen, welche Gründe es gäbe, dass das doch keine gute Idee ist, denn was weiß denn schon die Oma über die Kinder …?
Und dann sind sie weg und man sitzt da. Was ist denn bitte mit dieser massigen, selbstbestimmten Zeit anzufangen, nur für mich? Wer bin ich ohne Resonanz der Kinder? Nach zwei Tagen bin ich dann im Rhythmus von vor zwölf Jahren, also aufbleiben bis 3 Uhr früh, schlafen zumindest bis 9 Uhr. Manikürte Nägel, top getrimmt, auf einmal kaum mehr Hornhaut. Für alles ist Zeit. Und dann habe ich keine Ahnung, wie das jemals wieder gehen soll, wenn die Kinder wieder da sind.
Aber um deine eigentlichen Fragen nach Entspannung mit Kindern zu beantworten: Am besten sind die Zeiten alleine am Klo, auch wenn vor der Tür jemand „Mami, schau mal!“ kräht. Da sitzt man da und starrt auf die Klotür, die dann das Schönste ist, was die Menschheitsgeschichte jemals hervorgebracht hat: das Tor gegen die Welt.
Apropos Ressourcenfresserchen. Gelingt es dir denn, dich trotz oder gerade in einer Beziehung zu einem Partner zu erholen – so im Alltag?
Liebe Heidi,
wenn ich so lese, was du da schilderst, kommt enorme Bewunderung auf! So viel geben, so viel Ego zurückstecken – na, es wird Gründe haben, warum ich Katzen und keine Kinder habe. Die sind übrigens Meister im Instant-Entspannen. Und ich hab das gratis zur Ansicht, mal drei, täglich. Wenn ich sie (attached 28 aktuelle Katzenfotos) beobachte, bin ich automatisch mittig. Katzen entschleunigen. Meine Theorie: Weil ihnen fast alles wurscht ist. Und wir auch gerne wurschtiger wären.
Anders ist das bei Männern, um auf deine Frage zurückzukommen. Ich bin da etwas schrullig, ich schlafe lieber alleine. Löffelchenstellung? Das einzige, was dabei einschläft, ist mein Arm. Und im Urlaub, dem goldenen Kalb der Mega-Entspannung, wird meistens gestritten. Was soll ich sagen: Ich mag Männer, aber sie regen mich auf. Entspannen kann ich am besten mit den Mädels. Und am allerbesten: alleine.
Leider nicht bei Massagen, übrigens. Es ist wirklich tragisch, aber erst in den letzten Minuten kann ich loslassen. Anfangs bearbeite ich im Kopf Buchhaltung oder gehe die Deadlines durch, während ich für gutes Geld geknetet werde.
Wann warst du eigentlich das letzte Mal so richtig tiefenentspannt? Und wärst du interessiert daran, mal mit mir zu einer geführten Meditation zu gehen?
Ohm shanti wünscht
Janina
Naja, man muss schon willens sein, glaube ich, was die Meditation betrifft. Erstens bin ich jemand, der zu Stille-Hysterie neigt. Das bedeutet, wenn alle ihre innere Einkehr feiern, bei Achtsamkeitsübungen oder das gemeinsame Ooooom beim Yoga, dann muss ich lachen. Das ist an Peinlichkeit nicht zu übertreffen und ich wünschte, es wäre nicht so. Zweitens: Ich habe daher einmal begonnen, auf YouTube so Meditationsvideos zu hören. Das hat gut funktioniert, bis sich automatisch das nächste Video öffnete und davor eine Werbung für den ALLES-RAUS-DISKONT-SALE in einem Möbelhauses GANZ IN IHRER NÄHE gebrüllt wurde, worauf ich vom Alphazustand auf die Decke gesprungen bin, von der ich mich erst über die nächsten Stunden wieder herunterkratzen konnte. Beinahe hätte ich eine neue Couch gekauft, auf den Schock.
Übrigens, Löffelchenstellung kann ich super. Aber sobald jemand ein Geräusch macht, ist es aus. Ich spreche nicht nur vom Schnarchen, das geht sowieso nicht. Aber mein Partner dürfte leider auch nicht atmen, nicht husten und sich nicht bewegen. Ein Untoter scheint mir eine gute Wahl zu sein, die sind, glaube ich, ruhig in der Nacht.
Und bei Massagen, da geht es mir wie beim Frisör: Man muss jemanden finden, der einen nicht anquatscht. Nie. Beim Schwesternwochenende kürzlich habe ich eine Massage gebucht, während mir der Masseur über 50 Minuten von seiner Trennung nach langen Jahren erzählt hat und dass er jetzt bei seiner Mutter wohnt. Ich habe den Fehler gemacht, zu fragen, wann denn diese kürzliche Trennung war und er hat geantwortet: vor 10 Jahren. Ich ließ ihn noch 2 Minuten weiterkneten und war dann wirklich so verkrampft, dass ich aufstehen musste, sonst hätte ich Kopfschmerzen bekommen.
Heidi! Ich muss so viel lachen. Ich erkenne mich wieder! (Zwei Dinge, die übrigens entspannen: Lachen wie eine Hyäne und Selbsterkenntnis in einer anderen Person.) Ich kenne solche Quassel-Masseure. Quasseure. Quasi.
Zur Sache mit der Meditation: Ich pfeife eh auf das Seminar. Im Kleingedruckten steht: „Die gemeinsamen Mahlzeiten werden im Schweigen eingenommen.“ Pustekuchen. Also nicht, dass ich permanent die Pappalatur offen haben muss, aber da wäre dieses Problem mit Regeln und Vorschriften, die mir sagen wollen, wie ich wo und wann zu schweigen, loszulassen, zu entspannen habe.
ENTSPANN! DICH! JETZT!
Blöder Trotzkopf-Effekt: Selbst wenn ich weiß, dass es funktionieren würde, sperre ich mich. Klar hilft es zu schweigen, klar hilft es zu meditieren, klar hilft es das Handy abzuschalten. Aber eben nicht bei jedem. Und nicht immer.
Bussl
Okay. Wir müssen gefinkelt vorgehen. Wir müssen uns kleine Einheiten in den Tag einbauen lernen. Perspektivwechsel: Der Tag besteht in der Vorstellung nicht mehr ständig aus Arbeiten und Familie, sondern aus Kaffeetrinken und Freunde treffen.
Dazwischen halt ein wenig arbeiten, Familiendinge organisieren, dann sofort wieder ein Drink. Dann denkt man, es ist Urlaub. Wie fändest du das? Natürlich schwindelt man sich damit an, aber so lebt es sich weniger belastet, man hat eine Chance darauf, urlaubsfit zu werden. Das heißt, dass man dann nicht völlig entnervt im Holiday Ressort landet und gleich mal zwei Tage Migräne hat vor lauter Druck, es toll finden zu müssen.
Nur: Auf keinen Fall darf man diese neue Sichtweise positives Denken nennen, denn sonst setzt der Trotz wieder ein und die kleine, zarte Stimme drinnen im Unterbewusstsein brüllt: „SICHER NICHT! DU LEBST JETZT SICHER NICHT GEMÜTLICHER! VERGISS ES!“
Ich schlage daher vor, wir machen einen Testtag gemeinsam und berichten uns gegenseitig, wie es läuft. Ich kann zum Beispiel berichten, dass die Menge an Kaffee von fünf Tassen auf zwei vor 9 Uhr zu reduzieren ist, wenn man nicht den Rest des Tages mit dem Propeller im Ventilator konkurrieren will.
Liebe Heidi, so machen wir das. Wir bauen uns ab heute Entspannungsinseln. Ob Katze kraulen oder Katze-Kuh-Übung beim Yoga, Radfahren* oder einfach nur schauen, ob ein Smoothie oder meinetwegen das dritte Kaffetscherl – der innere Urlaub ist es, der entspannt sein lässt. Nicht schlingen wollen wir die Momente, sondern sie zelebrieren. Das Leben? Ist ein Fest – man muss sich halt manchmal durch den Hintereingang einschummeln.
Beso, Baci und Baba
Janina
*Apropos Radfahren: Wie schnell einen Fahrradfahren in den Entspannungsmodus versetzt und dass es zu zweit noch viel mehr Spaß macht, davon können unsere 4 Rad-Teams ein Liedchen singen. Gemeinsam mit der Deutschen Zentrale für Tourismus haben wir Rad-Buddys aus Österreich und der Schweiz gesucht und sie auf Entdeckungstour durch das Reiseland Deutschland geschickt. Was die Acht gemeinsam erlebt haben und wo in Deutschland man die Freiheit auf zwei Rädern am besten entdecken kann, liest du auf abenteuer-deutschland.com.