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Was dich nicht umbringt, macht dich stärker. Das war, frei nach dem offenbar sehr leidensfähigen Friedrich Nietzsche, das Motto meiner Kindheit. Nein, ich wurde nicht barfuß durch den Schnee gejagt oder mit 40 Grad Fieber in die Schule geschickt, meine Eltern haben mich aber definitiv nicht Watte gepackt. Ob das immer gut war, weiß ich nicht. Was ich aber sicher sagen kann: Ich bin so gut wie nie krank. All die Klassiker, die sich reihum zeitlebens in hoher Regelmäßigkeit eingetreten werden, streifen mich höchstens. Es scheint, als hätte mein Körper schlicht keine Muße, sich mit Angina, Mittelohrzündung oder Magen-Darm herumzuschlagen. Lieber reißt er sich nur alle heiligen Zeiten etwas auf, dann aber gerne Gröberes. Etwas, das auch schon mal in einer Notoperation gipfelt.

Hatte Nietzsche also recht?

Zeugt der Umstand, dass ich immer noch lebe, von meiner voranschreitenden Unverwüstbarkeit? Oder habe ich, hart hin oder her, einfach nur Glück? Ich lasse die kleinen und großen Wehwehchen meines Lebens Revue passieren und realisiere: Nichts von alldem, was mich bisher zwar gebeutelt aber nicht umgebracht hat, lag in meinen Händen. Nicht meinen anaphylaktischen Schock, nicht meine verbrühten und gebrochenen Beine, nicht meinen Bandscheibenvorfall, nicht mein Asthma und schon gar nicht meine Schwangerschaftsvergiftung hätte ich durch aktives Zutun verhindern oder lindern können.

„Ich bin Krankmachern nicht hoffnungslos ausgeliefert. Vielen von ihnen kann ich die Tour vermasseln, wenn ich nur weiß, wo sie lauern, was sie antreibt, wie sie agieren. Das ist eine einfache und zugleich ganz wunderbare Erkenntnis.“

Und genau darum geht’s: Für so viele andere Leiden, die mich künftig noch ereilen könnten, gilt genau das eben nicht. Ich bin Krankmachern nicht hoffnungslos ausgeliefert. Vielen von ihnen kann ich die Tour vermasseln, wenn ich nur weiß, wo sie lauern, was sie antreibt, wie sie agieren. Das ist eine einfache und zugleich ganz wunderbare Erkenntnis. Damit das gelingt, muss ich ihnen aber einen Schritt voraus sein, oder – zumindest – dicht auf den Fersen. Ich starte die Operation Gesundheit und nehme einmal Vorsorge mit alles, bitte!

Wo ich stehe:

Ich bin 44, normalgewichtig und halbwegs fit. Meine größte Baustelle sind meine Bandscheiben, Vorfall auf Höhe L5/S1, dank Operation und regelmäßigem Krafttraining aber ganz gut im Griff. Was noch? Mein einst heftiges Asthma hat seinen Schrecken verloren, gegen meine Schilddrüsenunterfunktion (kam mit der Schwangerschaft vor 10 Jahren) nehme ich jeden Tag Hormontabletten. Außerdem laborier ich an einer Hausstaubmilbenallergie (lässt meine Augen zum aus der Haut fahren jucken) und Eisenmangel (macht mich oft schlapp, ist u.a. aufgrund der Menstruation ein typisches Frauenleiden). Erbliche Vorbelastung für Krebs gibt‘s zum Glück keine.

Was ich dafür tun muss:

Zur (jährlich empfohlenen, kostenlosen) Vorsorgeuntersuchung plus Kontrolle beim Frauenarzt gehe ich ab sofort auch zur Mammografie, um mögliche Brustveränderungen frühzeitig zu erkennen. Meine Schilddrüse bräuchte nach drei Jahren wieder ein Ultraschall (da ist auch ein kleiner Knoten) und der letzte Lungenfunktionstest ist auch schon wieder zu lange her.

Es geht ans Eingemachte, ab zur Vorsorgeuntersuchung bei meiner neuen Hausärztin. Die hab ich auch bisher gemacht, allerdings nur unregelmäßig. Blutabnahme und Abgabe der Urinprobe, eine Woche später dann Besprechung der Laborbefunde und körperliche Untersuchung. Aber was genau passiert da eigentlich? Es gibt einen Basis-Check, klärt mich Dr. Google auf, der, wenn Hinweise auf mögliche Erkrankungen bestehen, erweitert wird. Alles klaro.

Die Ärztin misst u.a. meinen Blutdruck (mit 100:10 „wunderbar niedrig“,) und die Sauerstoffsättigung (mit 99 „super“), hört Herz und Lunge ab, inspiziert die Haut nach auffälligen Muttermalen, schaut in meine Ohren und in den Mund, untersucht Wirbelsäule, Nierenlager, Hals und Gelenke. Dann sind die Blutwerte dran. Das gute HDL-Cholesterin (kleine Eselsbrücke „Hab dich lieb“) ist mit 71 schön hoch, das schlechte LDL („Lass das lieber“) mit 64 schön niedrig, und in dieser Tonart geht’s weiter. Meine Leberwerte gehen überraschend gar als „großartig“ durch und ich verspüre echte Erleichterung.

Alles wunderbar, also, aber fehlt da nicht was?

Ja, und zwar Wesentliches: Wie steht’s um meine ewige Eisenmangelanämie und sind die Schilddrüsenmedikamente noch richtig eingestellt? Dr. M. beruhigt mich. Auch diese Werte wurden erhoben, allerdings ist das nicht Standard. Ich erfahre, dass die Krankenkasse nur für die Analyse bestimmter (weniger) Blutwerte aufkommt. Andere sind anzufordern und werden nur dann übernommen, wenn es, wie in meinem Fall, eine Indikation gibt (also bereits bekannte Beschwerden). Okay, aber ist das nicht ein bisschen wie mit der Henne und dem Ei? Wie kann ein Problem, das vielleicht irgendwo schlummert, überhaupt entdeckt werden, wenn die entsprechenden Werte fehlen? Und fehlen tun sie ja nur, weil das Problem (noch!) nicht bekannt war … . Das macht doch keinen Sinn.  „Absolut nicht“, ärgert sich auch Dr. M. „Hier wird am falschen Ende gespart. Statt rechtzeitig Prävention zu betreiben, wird später teuer repariert – sofern das dann überhaupt geht.“

Statt rechtzeitig Prävention zu betreiben, wird später teuer repariert – sofern das dann überhaupt geht.

Ich erfahre: Meine TSH-, T4- und T3-Werte passen, ich bleibe also bei meiner Dosis. Meine Transferrinsättigung ist mit 22 allerdings im unteren Normbereich, was bedeutet, dass meinem Körper zusätzliches Eisen braucht. Über die Nahrung allein krieg ich das schon lange nicht mehr geregelt, deshalb arbeite ich immer wieder mit hochdosierten Eiseninfusionen. Das erzähle ich Dr. M., sie rät mir aber davon ab. Warum? Es besteht die Gefahr einer allergischen Reaktion, davon höre ich zum ersten Mal. Sie entlässt mich mit einem Rezept für ein Eisen-Supplement in Pulverform extra für Frauen, „sehr gut verträglich und effektiv“, und einer Überweisung zum Schilddrüsen-Ultraschall.

Der erste große Check wäre also erledigt, jetzt kümmere ich mich um den Termin bei meiner Gynäkologin. Beschwerden habe ich, abgesehen von Regelschmerzen, die von Jahr zu Jahr schlimmer werden, keine. Bevor ich online einen Termin checke, fällt mir ein, dass ich die Untersuchung vor drei Monaten bereits erledigt habe. Ha, also schnell noch einmal die Befunde checken – und aufatmen! Ich suche in meinen Desktop-Ordnern und im Posteingang meiner Mails, da dämmert’s mir: Ich war dort, erinnere mich sogar noch an das genaue Datum, hab die Mail mit den Befunden auch zur Kenntnis genommen, aber eben nie geöffnet. Sprich: Sollte ich tatsächlich krank sein (das Wort Gebärmutterhalskrebs, über das ich seit Monaten immer und immer wieder „stolpere“, schwillt in meinem Hirn gerade zur XXL-Leuchtreklame an), hätte ich nun 90 Tage wertvolle Behandlungszeit verloren, nur weil ich meine eigene Gesundheit nicht ernst genug nehme?

Wow, ich könnte mir selbst in den A*** treten. Hauptsache, ich habe kürzlich zwei ganze Abende damit verbracht, für meine Klowand dutzende Brauntöne von Milchkaffee bis Zimt zu sichten, zu screenshotten und akribisch zu ordnen. Der Link zum Befund ist längst abgelaufen, ist bitte bei meiner Gynäkologin um erneute Zusendung. Beim Eintippen des Codes wird mir tatsächlich ein wenig flau, das Erste, was mir in die Augen springt: „Verdacht auf HPV-Infektion“. Was heißt das? Ist das schlimm? Ist das jetzt quasi schon Krebs oder irgendwas davor? Ich schäme mich, wie wenig Ahnung ich habe. Ich bin keine Ärztin, nein, aber ein bisschen über die großen Bedrohungen für den eigenen, weiblichen Körpers Bescheid zu wissen, wäre mir schon zumutbar. Kleiner Spoiler: In nächsten Teil des Selbstversuchs erfahre ich darüber jede Menge – außerdem geht’s zur Mammografie, zum Schilddrüsen-Sonografie und zum Lungentest.