Sie kennen vielleicht „Die Biohacking-Praxis“, meinen wöchentlichen Podcast mit dem Münchner Profi-Biohacker Andreas Breitfeld. Auf keine Folge hatte ich bisher mehr Feedback als auf die Nummer 70. Das hat mich überrascht, denn da ging es um ein Thema, das niemand mit Biohacking in Verbindung bringen würde: Es ging um Lithium.

Lithium ist ein handfest mystischer Mineralstoff. Das leichteste Metall der Erde, ziemlich selten, sauteuer, Schlüsselbestandteil von Batterien und damit – zumindest nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft – ein Nadelöhr auf unserem Weg in eine sauber schnurrende Energiezukunft. Man muss das Lithium, das unsere E-Autos antreibt, nicht sehr sympathisch finden: Es wird unter ekelhaften Arbeitsbedingungen gewonnen, und der spätere ökologische Benefit in der Nutzung wird beim Abbau, sagen wir, abgefedert.

Es gibt aber nicht nur das Batterie-Lithium. Es gibt auch das Hirn-Lithium. Von diesem anderen Lithium weiß so gut wie niemand, obwohl es einen Haufen Studien gibt: Lithium ist nämlich ein Nootropikum. So bezeichnen wir Biohacker jene Stoffe, mit denen wir unsere mentale Gesundheit und Leistungsfähigkeit supporten, Ashwagandha, CBD, Theanin, Magnesium-Threonat, Nikotin (Kaugummis und Pflaster, bevor Sie fragen), Koffein, solches Zeugs.

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Lithium wirkt nicht so unmittelbar on/off wie die meisten dieser Stoffe, aber offenbar umso mächtiger. Es gibt Studien rund um das Phänomen, dass in Regionen mit höherem Lithium-Anteil im Trinkwasser deutlich weniger Menschen sich selbst oder anderen Gewalt zufügen. (Arg, nicht?) Es ist erwiesen, dass Lithium die Stimmung stabilisiert, weil es unsere Glückshormone Serotonin und Dopamin balanciert. Lithium dämpft Entzündungen. Und: Lithium ist ein erstaunlich wirksames Mittel zur Vorbeugung und Linderung von neurodegenerativen Erkrankungen; wir reden da von Alzheimer, Demenz, diesen ganzen Grauslichkeiten, zu denen ich ja neige, das weiß ich seit meinem Gentest.

Glauben Sie mir, jemand, der mit der Idee kokettiert, hundertzwanzig zu werden, nimmt das Funktionieren der schwabbeligen Masse in seinem Kopf ziemlich ernst; wenn mir ein Name nicht einfällt, befällt mich eine mittlere Panikattacke. Ich nehme also Omega-3 in fetten Dosen, mäßige mich in der Einnahme von Zucker und anderen Hirnsaboteuren, meide Transfette, den Satan aller Satane, behandle meinen Schlaf als Preziose und habe vor ein paar Wochen zusätzlich angefangen, meinen Lithium-Konsum auf täglicher Basis aufzustocken. Ich bilde mir ein, es tut mir gut, ich weiß, wie die Leute alle so heißen, und meine soziale Verträglichkeit scheint sich auf einem Level der Milde einzupendeln, das meinem kalendarischen Alter entspricht. So weit, so gut.

Wenn wir von Lithium reden, müssen wir aber immer auch von Dosierungen reden. Denn Lithium in vogelwild hohen Mengen wird als Psychopharmakon gegen bipolare Störungen und klinische Depressionen eingesetzt. Das ist wirksam, aber – wenn’s nicht wirklich auf Expertenniveau verabreicht und überwacht wird – von üblen Nebenwirkungen begleitet.

Wie versorge ich mich also mit der richtigen Dosis Lithium? Sich ein Lithium-Supplement zu besorgen (Standard: 5 Milligramm pro Kapsel) ist in Europa nicht ganz legal (im Gegensatz zu den USA, wo man Lithium-Kapseln in jedem Supermarkt bekommt). Das ist aber kein Problem, denn der klügste Weg, an Lithium zu kommen, ist ohnehin entsprechendes Mineralwasser zu trinken. Manche Wässer enthalten vernünftige Mengen, da kann man sich ganz gut durch das entsprechende Angebot recherchieren, ein, zwei Flaschen pro Tag sind eine anständige Dosis.

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Noch ein Wort zur Dosis: Im psychiatrischen Einsatz reden wir von 600 Milligramm und mehr pro Tag. In einem vernünftigen lithiumhaltigen Wasser reden wir von 0,5 Milligramm pro Liter. Sie können also beruhigt anfangen, an lithiumhaltigem Wasser Ihrer Wahl zu nuckeln, die ersten 200 oder 300 Liter pro Tag tun Ihrem Hirn nebenwirkungsfrei gut.

Stefan Wagner

Foto: Martin Kreil

STEFAN WAGNER ist Biohacker, das heißt, von dem Gedanken beseelt, Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Körper, Geist und Seele durch verschiedenste Maßnahmen zu verbessern – um so länger und besser zu leben. Bis 120, hat er sich vorgenommen. Mindestens.

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