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Es gibt da diesen Moment, wenn du ein Tor schießt, ganz, ganz kurz. Da bist du der Einzige im Stadion, der es weiß. Der Einzige, der gesehen hat, dass es ein Tor war. Du bist ganz allein mit diesem Gefühl. Es dauert vielleicht einen Wimpernschlag. Dann erst...dann merken es auch die anderen. Und zwar alle anderen.

Das ist die nächste Phase: Wenn die Freude der Zuschauer auf dich überschwappt. Da sind plötzlich auch deine Mitspieler. Ihr seid ein Team. Ich bin ja vom Typ her ein Individualist. Aber ein Individualist, der immer Teil eines Teams sein wollte. Um die Freude zu teilen, die Niederlage zu teilen. Gemeinsam. Als Team. Die besten Jahre meines Lebens habe ich in der Kabine verbracht. Es war für mich der schönste Platz, an dem ich nur sein konnte. Die Kabine ist gelebte Integration. Da geht’s nicht um Hautfarbe, nicht um Religion, nicht um Nationalität, da geht es nur ums Miteinander

Auf der anderen Seite war ich immer Realist, wenn ich Fußball gespielt habe: Mir war immer bewusst, dass diese Zeit ein Ablaufdatum hat. Wenn du singst oder ein Instrument spielst, kannst du das noch machen, wenn du fünfundsiebzig bist. Ich habe im Alter von fünfunddreißig Jahren als Profi aufgehört. Dieses Bewusstsein für die Endlichkeit  lässt dich jeden Moment sehr klar erleben. Ich war nicht nur „drin“, ich war auch immer „dabei“: Bei einem Sieg oder einem Tor hab ich mich immer ein bisschen von außen gesehen; ich habe gedacht: „Wow, bin ich ein Teil dieses Tores? Ein Teil dieses Sieges? Ein Teil dieser Mannschaft?“ Dieses Gefühl von Zugehörigkeit, der Stolz auf etwas, was einen mit anderen verbindet – das ist für mich der Schlüssel zum Fußball.

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Fußball stiftet Identität. Auch für Zuschauer. Man lebt mit den Siegen und Niederlagen mit, als wären es die eigenen. Aber als sich Norwegen in den Neunzigerjahren sowohl für die WM in den USA 1994 als auch in Frankreich 1998 qualifiziert hat, da waren das längst nicht nur wir, die Mannschaft. Das war das große Wir. Das ganze Land hat mitgefiebert. Es gibt wenige Plätze auf der Welt, wo Gefühle in dieser Form geteilt werden. Mir ist schon klar, das ist nicht perfekt auf den Rängen, da gibt es manchmal Probleme… Aber in welcher anderen Lebens­situation kannst du dich umdrehen und wirst von wildfremden Menschen aus der Reihe hinter dir freudig umarmt, weil deine Mannschaft gerade ein Tor geschossen hat? Auch deshalb freue ich mich riesig auf die UEFA EURO 2024. Natürlich wär’s mir lieber, Norwegen würde mitspielen. Aber ich habe in vier Ländern gelebt. Drei davon sind auf jeden Fall dabei. Es wird großartig

Jan Åge Fjørtoft ist ehemaliger Profi-Fußballer aus Norwegen mit langer Stürmer-Karriere in Deutschland, England und Österreich (Rapid Wien). Ab 14. Juni ist er live als Studio-Experte bei ServusTV für die Spiele der UEFA EURO 2024 im Einsatz.