Wie oft hast du heute schon dein Gesicht berührt? Einfach mal schätzen. Okay, wir verraten es dir: Wir berühren unser Gesicht 400 bis 800 Mal am Tag. Das dient der Regulation von Emotionen, insbesondere von Stress, und regt das Gedächtnis an.

„Eigenberührungen sind etwas, das wir ständig machen – oft unbewusst“, sagt der diplomierte Krankenpfleger Peter Schaufler in seinem Vortrag bei den 2. Salzburger Gesundheitstagen. „Wir Menschen sind, wir waren, wir werden auch in Zukunft immer Berührungswesen sein" – egal ob es nun Eigenberührung ist oder der Kontakt mit dem, was Schaufler liebevoll „lebende Psychopharmaka" nennt (vulgo: Haustiere). „Wir brauchen Flüssigkeit, Energiezufuhr, Luft zum Atmen – aber wir brauchen auch Berührung.“

Ein ganzes Leben lang

Die Königsdisziplin – und die für unser Wohlbefinden effektivste Form der Berührung – ist jene zwischen Mensch und Mensch. „Schon in der achten Schwangerschaftswoche können wir taktile Reize wahrnehmen“, erklärt Schaufler, „Seit etwa 15 Jahren wissen wir, dass es im Körper C-taktile Fasern gibt. Über diese können wir sanfte, respektvolle Berührungen spüren. Dadurch wird der Cortisolspiegel gesenkt und das Kuschelhormon Oxytocin gesteigert. Diese Fasern sind ein Leben lang aktiv."

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Gerade deshalb wird Schaufler wütend, wenn jemand behauptet, Patient*innen könnten in bestimmten Zuständen, etwa im Koma oder im Sterbeprozess, nichts mehr wahrnehmen (Stichwort: „Der kriegt nichts mehr mit!“). Eine weit verbreitete Annahme, leider auch in der Pflege, aber „das stimmt nicht! Solange Menschen leben, sind sie wahrnehmungsfähig und entwicklungsfähig.“

Vor allem in Phasen großer Umbrüche sei Berührung essentiell: wenn wir zur Welt kommen, wenn wir krank sind, in einer Krise, am Lebensende.

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Echt statt virtuell

Und Schaufler setzt nach: „5.000 Facebook-Kontakte werden niemals einen realen Face-to-Face-Kontakt ersetzen können. Berührung ist eine präverbale Sprache, eine universelle Sprache. Worte können lügen, aber Berührung ist immer authentisch.“ In einer Zeit, in der soziale Isolation und digitale Kommunikation zunehmen, werde die Bedeutung von authentischem Körperkontakt oft vernachlässigt.

Aber warum ist Berührung so wichtig?

Die Haut, unser größtes Organ, spielt dabei eine Schlüsselrolle. Mit 700 bis 900 Millionen Empfängerrezeptoren übertrifft sie bei weitem die Sensibilität anderer Sinnesorgane. „Die Haut ist das sensibelste Organ. Ein Auge hat im Vergleich nur etwa 120 Millionen Rezeptoren.“, so der Experte.

Fehlt hier die Stimulation kann das tatsächlich schwerwiegende Folgen haben : „Ein Mangel an Berührung, ein Mangel an sozialen Berührungen, an sanftem, respektvollem, liebevollem Körperkontakt, das ist für unseren Organismus nachweislich massiv schadhaft.“ Die Forschung nennt diesen Zustand Hauthunger.

Die Folgen?

  • Angst- und Gedächtnisstörungen

  • kognitive Einschränkungen

  • Sprech- und Artikulationsstörungen

  • soziale Störungen

  • Persönlichkeitsveränderungen

„Und im schlimmsten Fall", sagt Schnaufler, „tötet uns die Deprivation.“ Studien hätten gezeigt, dass Säugetiere ohne Körperkontakt sterben. Menschen hingegen versuchten oft, diesen Mangel zu kompensieren – durch Massagen, Gewichtsdecken oder sogar Haustiere (siehe oben: „lebende Psychopharmaka“). All das sei hilfreich und empfehlenswert, aber kein vollständiger Ersatz.

Die positiven Effekte von Berührung sind allerdings mindestens so vielfältig!

Berührung kann:

  • Stress reduzieren

  • das Immunsystem stärken

  • Schlaf fördern

  • Schmerzen lindern („Wir berühren den Körper intuitiv dort, wo es weh tut, weil dann schmerzlindernde Botenstoffe ausgeschüttet werden“, erklärt Schnaufler.)

  • unser Leben verlängern

Peter Schaufliers Credo fällt daher eindeutig aus: „Berührung ist mehr als nur ein körperlicher Akt. Sie verbindet uns, sie heilt uns, und sie erinnert uns daran, dass wir nicht allein sind.“ Wir sollten uns bloß alle wieder Zeit dafür nehmen – für sich selbst und für andere.

Denn: „Berührung ist ein Geschenk, das wir alle geben und empfangen können.“

ÜBER DEN EXPERTEN: Peter Schaufler ist diplomierter psychiatrischer Krankenpfleger und Referent für basale Stimulation. Seit über 20 Jahren arbeitet er im österreichischen Gesundheitssystem und setzt sich für die Sensibilisierung von Fachpersonen im Bereich der Pflege ein. Sein Workshop „Die Heilkraft der Berührung“ fand im Rahmen der 2. Salzburger Gesundheitstage statt.

Salzburger Gesundheitstage

Salzburger Gesundheitstage

Mehr zu den 2. Salzburger Gesundheitstagen, findest du hier: